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Nutzt nichts, schadet aber auch nicht

5. Dezember 2002

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Leitzinsen in der Euro- Zone am Donnerstag (05.12.) um 0,5 Prozent gesenkt. Doch kann sie damit die Fehler der reformunfähigen Regierungen nicht ausbügeln, meint Rolf Wenkel.

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Na gut. Die Europäische Zentralbank hat endlich das getan, was die Finanzmärkte von ihr erwartet und viele Volkswirte schon seit langem gefordert haben: Sie hat das Geld, das die Wirtschaft zum Funktionieren braucht, verbilligt. Es hat ja auch schon in der Zeitung gestanden, dass die EZB die Zinsen senken wird, und wenn es schon in der Zeitung steht, dann muss man es ja wohl auch tun, oder?

Spaß beiseite: Der Zinsschritt passt genau in die Landschaft. Er wird die stark angeschlagene Grundstimmung an den Finanzmärkten etwas aufhellen. Die Inflationsraten im Euro-Raum sind so günstig wie lange nicht mehr, auch auf mittlere Sicht sind keine Inflationsrisiken zu erkennen. Die EZB hatte also genug Spielraum für ihre Zinssenkung, ohne einen stärkeren Anstieg der Verbraucherpreise befürchten zu müsssen.

Ja, sie hat nach Ansicht vieler Fachleute sogar genug Spielraum, diese Senkung des Zinssatzes um einen halben Prozentpunkt zum Anfang einer ganzen Serie von kleinen Senkungsschritten zu machen, an deren Ende das Geld, mit dem sich die Banken refinanzieren, irgendwann im Frühjahr nur noch mit glatten zwei Prozent zu bezahlen wäre.

So eine Serie von Senkungsschritten ist zumindest der Wunschtraum jener Beobachter, die sich einbilden, man könne mit Hilfe der Geldpolitik die Konjunktur ankurbeln. Ihre Argumentation sieht folgendermaßen aus: Entgegen der Bundesregierung, die immer noch tapfer an einen kräftigen Aufschwung im nächsten Jahr glaubt, kommen immer mehr Volkswirte und Forschungsinstitute zur Auffassung, dass auch im nächsten Jahr keine großen konjunkturellen Impulse zu erwarten sind. Auch diesen Zinsschritt der EZB kann man übrigens so deuten, dass die Zentralbank selbst nicht mit einem Anspringen der Konjunktur im nächsten Jahr rechnet. Umso wichtiger sei es deshalb, dass die Europäische Zentralbank durch ihre Geldpoltik der Wirtschaft diesen kräftigen Impuls gibt – Pfeile im Köcher habe sie noch genug.

Doch leider ist diese Hoffnung übertrieben. Es schadet zwar nicht, dass die Zentralbank die Leitzinsen senkt, aber viel nutzen wird es auch nicht. Eine Zentralbank kann nie den entscheidenden Anstoß für einen Konjunkturaufschwung geben. Sie kann nur das Umfeld für einen Aufschwung vorbereiten und warten. Warten darauf, dass die Konsumenten irgendwann zuversichtlicher werden und ihre Kaufzurückhaltung ablegen, warten darauf, dass die Unternehmer das veränderte Konsumverhalten spüren und nun ihrerseits mit Investitionen reagieren. Dann scheitern die Investitionspläne wenigstens nicht daran, dass die Zinsen zu hoch sind, eben weil die Zentralbank rechtzeitig ein günstiges Umfeld geschaffen hat.

Das Umfeld schaffen, mehr aber auch nicht. Genausowenig, wie eine Zentralbank die Konjunktur ankurbeln kann, genausowenig sollte man von ihr den Versuch erwarten, die Fehler von Regierungen auszubügeln, die ihre Hausaufgaben in Sachen Steuer-, Haushalts- und Arbeitsmarktpolitik nicht gemacht haben. Denn es ist Sache der Regierung, den Haushalt in Ordnung zu bringen und klare Perspektiven für die Steuer- und Arbeitsmarktpolitik zu entwickeln. Nur so, mit klaren Perspektiven, entwickeln die Konsumenten wieder Zuversicht, nur so bekommen die Unternehmen Planungssicherheit und werden zu Investitionen ermutigt. Wenn das ausbleibt, kann die Zentralbank zwar die Zinsen senken, aber anschließend lange warten - es wird nichts passieren.

Kurzum: Dieser Zinsschritt schadet zwar nicht, weil er keine Inflationsgefahren heraufbeschwört. Er nutzt aber auch nichts, wenn er allein bleibt, wenn er nicht flankiert wird von ernsthaften Reformbemühungen der Regierung. Die EZB hat die Erwartungen erfüllt. Das Gesetz des Handelns liegt nun in den europäischen Hauptstädten. Die sollten jetzt auch mal versuchen, Erwartungen zu erfüllen.