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Nyereres gescheiterter Plan vom Sozialismus

14. Oktober 2009

Er war ein Lehrer, er war ein Sozialist, er war ein Demokrat und er ist nach wie vor einer der anerkanntesten Politiker Afrikas. Vor zehn Jahren ist der erste Präsident Tansanias, Julius Nyerere, gestorben.

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Julius Nyerere (Foto:dpa)
Julius K. Nyerere, ehemaliger Präsident von Tansania.Bild: DPA

Wenn Präsident Julius Nyerere sprach, lauschte eine ganze Nation seinen klug gewählten Worten. "Mwalimu" wird er in Tansanias Landessprache Kiswahili respektvoll genannt, der Lehrer. Nyerere arbeitete in der Tat kurzzeitig an einer Schule, begann aber bald eine rasante politische Karriere. Innerhalb weniger Jahre kletterte er an die Spitze der Partei TANU und konnte die britischen Kolonialherren dazu bewegen, sein Land friedlich in die Unabhängigkeit zu entlassen. 1962 wurde Nyerere erster Präsident Tansanias und machte sich auf die Suche nach Alternativen zum westlichen Kapitalismus. "Ujamaa" nannte Nyerere schließlich seinen Ansatz vom afrikanischen Sozialismus, mit dem er die Armut bekämpfen wollte. Die Landwirtschaft sollte zentraler Bestandteil der Wirtschaft sein und Tansania unabhängig von der kapitalistischen Entwicklung des Westens machen. Dabei sollte sich die Bevölkerung aus eigener Kraft ernähren können und nicht abhängig von anderen Ländern sein.

Das Ujamaa-Prinzip

Trauerzug Nyerere(Foto:ap)
Ein Volk trauert - das Begräbnis von Präsident Nyerere am 18. Oktober 1999Bild: AP

Ein Teil dieses Systems war ein riesiges Umsiedlungsprojekt, um Tansanias weit verstreute Bevölkerung in Wohngemeinschaften anzusiedeln. "Das heißt, es kann nicht jeder wohnen wo er will und gleichzeitig erwarten, dass er staatliche Leistungen im Bereich Social Development bekommt. Also Wasser, Schule, Gesundheitswesen und so weiter", erklärt Peter Häussler, der Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tansania. Diese Idee sei zwar nicht brillant umgesetzt worden, aber sie habe viel für sich gehabt. "Wenn ich staatliche Sorgepolitik betreiben will, muss ich die Leute auch erreichen können", sagt Häussler. In diesem Fall war Nyerere auch bereit, einige Menschen zu ihrem Glück zu zwingen. Er wollte den afrikanischen Zusammenhalt in der Familie auf die Ujamaa-Dörfer ausweiten. Jeder sollte dort nach seinen Fähigkeiten arbeiten und zum Gemeinwohl beitragen. Dabei gab es keine vorgeschriebene Entwicklung, jedes Dorf sollte seinen eigenen Weg wählen.

Kein autoritäres System

Mann und Kinder Tansania(Foto: Brot für die Welt)
Soziale Gerechtigkeit für alle - der idealistischer Traum NyereresBild: J. Sorges

Demokratie war der Kern von Nyereres sozialistischem System, nicht etwa Autorität. Der Präsident wollte soziale Gerechtigkeit. Er konnte das Land ohne ethnische Konflikte vereinen und das Bildungssystem reformieren. Doch sein wirtschaftlicher Ansatz schlug fehl. Tansania konnte nie aus eigener Kraft seine ökonomische Unabhängigkeit erreichen und auch die Idee eines vereinigten, starken Afrikas lief nur schleppend an. Die Gründe seines Scheiterns sind vielschichtig, meint Peter Häussler von der Friedrich-Ebert-Stiftung, der sich seit Jahren mit der Thematik beschäftigt. Einen Punkt hebt er aber besonders hervor. "Nyerere ist gescheitert, weil er ein positiver Mensch war und vielleicht zu sehr an das Gute im Menschen und die soziale Gemeinschaft geglaubt hat." Sein Traum sei gewesen, dass die ganze Welt irgendwann nach Afrika und Tansania schaue und sage: "Schaut euch an, was ein wirklich menschenwürdiges Leben ist". Ein Traum, der zu idealistisch gewesen sei, sagt Häussler."

"Ich habe euch doch gewarnt"

Wahre Größe zeigte Nyerere, als er sich 1985 demokratisch vom Präsidentenamt zurückzog, was für einige afrikanische Führer noch immer nicht selbstverständlich ist. Julius Nyerere blieb immer bodenständig, sah sich immer als Teil eines Systems und nicht als Führer. Bis zu seinem Tod an den Folgen von Leukämie setzte er sich weiter für Frieden, Demokratie und eine gerechtere Welt ein. Auch wenn er die heutige Wirtschafts- und Finanzkrise nicht mehr miterleben kann, sein Sohn Madaraka Nyerere ist sich sicher, was er dazu gesagt hätte. "Er hätte gesagt: ´Ich hab euch doch gewarnt. Ich habs euch gesagt und ihr habt behauptet ich habe unrecht`.", sagt Madaraka Nyerere und lacht. Sein Vater war eben ein echter Mwalimu, ein echter Lehrer.

Autor: Adrian Kriesch

Redaktion: Michaela Paul