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Obama eröffnet NATO-Gipfel

Bernd Riegert20. Mai 2012

Die NATO will auf ihrem Gipfel den Abzugtermin aus Afghanistan bestätigen. Bis Ende 2014 sollen die meisten der 129.000 ISAF-Soldaten das Land verlassen haben. Zudem verabschiedet die NATO ihr Sparkonzept.

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Foto: REUTERS/Larry Downing
Bild: REUTERS

Die Demonstranten, die durch Chicago ziehen, fordern einen sofortigen Abzug der NATO-geführten internationalen Truppen aus Afghanistan. US-Präsident Obama, der fast 60 Organisationen sowie Staats- und Regierungschefs in seine Heimatstadt Chicago eingeladen, will ebenfalls ein Ende des Krieges erreichen. "Nach zehn Jahren ist es Zeit, diesen Krieg zu beenden", sagte Obama nach einem Treffen mit dem afghanischen Präsidenten Karzai. Im Gegensatz zu den Demonstranten will Obama den Abzug aber geordnet organisieren, so dass die afghanischen Truppen die Verantwortung bis Ende 2014 vollständig übernehmen können. "Die Welt steht hinter unserem Plan", meinte Obama mit Blick auf die vielen Regierungen, die seiner Einladung gefolgt sind.

Spielverderber Frankreich

In Chicago wird sich die NATO noch einmal ausdrücklich zur Strategie des gemeinsamen, koordinierten Abzugs der Kampftruppen bekennen. Der neue französische Präsident Francois Hollande beschädigt das gewünschte Bild der Geschlossenheit allerdings etwas, weil er seine Kampftruppen, rund 1000 von 3300 stationierten Soldaten, schon Ende 2012 nach Hause holen will. Das hatte er im Wahlkampf versprochen und will das nun auch einhalten.

Frankreichs Praesident Francois Hollande (l.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stehen am Sonntag (20.05.12) in Chicago (USA) bei der ersten Arbeitssitzung des NATO-Gipfels mit Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius (2.v.l.) und Aussenminister Guido Westerwelle (FDP, r.) zusammen. Spitzenvertreter von mehr als 60 Laendern und internationalen Organisationen berieten den Abzug der Kampftruppen aus Afghanistan bis Ende 2014 und die kollektive Verteidigung in Zeiten der Schuldenkrise. (zu dapd-Text) Foto: Michael Gottschalk/dapd.
Bundeskanzlerin Angela Merkel beim NATO-GipfelBild: dapd

Bundeskanzlerin Angela Merkel besteht aber darauf, dass weiter die Verabredung gilt: "Wir sind gemeinsam nach Afghanistan gegangen, wir sollten auch gemeinsam abziehen." NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bemüht sich derweil, den Streit zu relativieren. "Es wird keinen Wettlauf geben, wer am schnellsten abzieht." Es gibt viele Wege, sich in Afghanistan zu engagieren, so Rasmussen. Angeblich ist Frankreich bereit, seine Beteiligung an der Finanzierung der afghanischen Sicherheitskräfte zu verdoppeln. Ausgerechnet die radikal-islamischen Taliban lobten in einer Stellungnahme in Kabul, Hollandes Ausscheren aus der NATO-Front. Bundesaußenminister Guido Westerwelle warnte, ein Wettlauf um den Abzug sei "Wasser auf die Mühlen derjenigen, die Unsicherheit säen wollen."

Sparen mit gemeinsamen Projekten

Bevor es am Montag um die Zukunft Afghanistans geht, beraten die 28 Staats -und Regierungschefs über eine bessere Zusammenarbeit bei künftigen Rüstungsprojekten. "In Zeiten der wirtschaftlichen Krise müssen wir Fähigkeiten bündeln. Wir müssen jetzt liefern", sagte US-Präsident Obama bei Eröffnung des Gipfels. Die NATO muss sparen. Dieses Konzept nennt die Allianz schlaue Verteidigung, "Smart Defense". In Chicago soll der Startknopf für die Beschaffung eines neuen Aufklärungsflugzeuges gedrückt werden.

US-Präsident Barack Obama mit NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Foto: REUTERS/Larry Downing
US-Präsident Barack Obama (li.) mit NATO-Generalsekretär Anders Fogh RasmussenBild: REUTERS

Die unbemannten Flugzeuge von der Größe eines Jumbojets sollen über feindlichem Gebiet kreisen und Daten über Truppenbewegungen und Ziele liefern. "Das ist ein Milliarden-teures Projekt, das auf 30 Jahre angelegt. Das kann kein NATO-Land mehr alleine finanzieren", so ein NATO-Diplomat. Die Aufklärungs-Flugzeuge (im NATO-Jargon AGS = Allied Ground Surveillance) sollen in Italien stationiert werden und von einer internationalen NATO-Crew ferngesteuert werden. Dazu muss jeder Staat seine Soldaten unter NATO-Kommando stellen und so auf ein Stück Souveränität verzichten. Der Bundestag müsste diesem Einsatz vorsorglich auf Vorrat zustimmen.

Bescheidener Start der Raketenabwehr

Zur "Smart Defense" zählt die NATO auch die europäische Raketenabwehr gegen mögliche atomare Bedrohungen aus dem Iran. Die vorläufige Einsatzbereitschaft dieser Raketenabwehr wird in Chicago förmlich festgestellt. "Diese Anfänge sind aber sehr, sehr bescheiden", sagt der stellvertretende Befehlshaber der Alliierten Luftabwehr in Ramstein, General Friedrich Wilhelm Ploeger. Das System soll bis 2020 so ausgebaut werden, dass amerikanische Abfangraketen von Schiffen aus, eine Rakete aus dem Iran bekämpfen könnten. Russland empfindet diese Raketenabwehr als Bedrohung für die strategische Bedeutung sein eigenen atomaren Waffenarsenals. Die NATO versichert immer wieder, das Russland nicht bedroht werde.

Russland soll mitziehen

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte in Chicago, die NATO biete Russland in dieser Frage weiter eine Kooperation an. "Hier handelt es sich nicht um ein Projekt gegen Russland, sondern ein Projekt, das wir mit Russland im Interesse der europäischen Sicherheit insgesamt voranbringen wollen." Der russische Präsident Wladimir Putin hat eine Einladung nach Chicago ausgeschlagen und schickte stattdessen nur Ministerpräsident Dmitri Mewedew. Dieser hatte schon im letzten Jahr damit gedroht, russische Raketen in Königsberg gegen die NATO-Raketenabwehr aufzustellen.

Der NATO-Gipfel wird begleitet von bislang friedlichen Demonstrationen. Foto: REUTERS/Eric Thayer
Der Gipfel wird begleitet von bislang friedlichen DemonstrationenBild: Reuters

Friedliche Demonstrationen

Durch die Innenstadt von Chicago zogen bei sommerlichen Temperaturen von 30 Grad mehrere Tausend friedliche Demonstranten, die von einem enormen Polizeiaufgebot überwacht wurden. In der Nähe des Kongress-Zentrums wollten Veteranen der US-Armee aus Protest gegen die Kriege im Irak und Afghanistan ihre Orden und Ehrenabzeichen symbolisch zurückgeben. Am Abend zuvor hatte es einige Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten gegeben. Bürgerrechtsgruppen betonten aber, dass bislang beide Seiten beherrscht agiert hätten. Insgesamt fünf Männer wurden mittlerweile festgenommen, die mutmaßlich Brandanschläge in Chicago vorbereitet hatten.