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"Obama muss mutiger werden"

23. Juli 2009

Die Zustimmungsraten sinken, die eigene Partei zeigt sich widerspenstig bei der Gesundheitsreform: US-Präsident Obama, so ist zu lesen, steckt in einer Krise. Dafür erscheint der jedoch erstaunlich gelassen.

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Barack Obama (Foto: AP)
Bild: AP
Obamas Teleprompter (Foto: DW)
Obamas Teleprompter - hiervon las er sein Eröffnungsstatement abBild: DW / Bergmann

Der Mann, der an diesem Mittwochabend in den Ostflügel des Weißen Hauses tritt, wirkt alles andere als unsicher. Schlank, aufrecht und cool wie immer stellt sich US-Präsident Barack Obama vor 400 Journalisten und die versammelte Fernsehnation. Sehr geduldig beantwortet er Fragen zur Gesundheitsreform - der Sache, die ihm derzeit am meisten am Herzen liegt und für die er unermüdlich die Werbetrommel rührt: "Ich bin der Präsident", sagt er, "und ich glaube, dass das erledigt werden muss".

Obama möchte die Gesundheitsreform noch vor der Sommerpause unterzeichnen und macht Druck. Doch genau deswegen ist der Widerstand ist groß. Der republikanische Senator Jim DeMint nannte die Gesundheitsreform Obamas "Waterloo-Moment". Unsinn, sagt Helen Thomas, die wieder einmal bei der Pressekonferenz eines US-Präsidenten in der ersten Reihe sitzt: "Waterloo hat für mich immer mit Krieg zu tun. Nicht mit diesem Geplänkel hier."

Pressesaal - Helen Thomas sitzt in der Mitte (Foto: DW)
Alte Kennerin der Szene: Helen ThomasBild: DW / Bergmann

Helen Thomas ist aus dem Weißen Haus nicht wegzudenken. Seit John F. Kennedy hat sie über jeden US-Präsidenten berichtet. Von dem jüngsten ist die streitbare alte Dame etwas enttäuscht, auch wenn sie meint, dass er für viele gute Dinge stehe und hohe moralische Ansprüche habe. "Aber er muss mutiger sein", findet sie. "Er muss mehr Druck ausüben. Man muss auch in Kauf nehmen, zu verlieren." Was soll denn groß passieren, sagt sie, wenn Obama diesen Kampf verliert. Es werde sicher nicht der letzte Kampf sein.

Die Karawane zieht weiter

Auch Ed Henry, der für den US-Fernsehsender CNN aus dem Weißen Haus berichtet, hält nichts davon, aus dem Streit um die Krankenversicherung einen alles entscheidenden Moment für den Präsidenten zu machen. "Ich kann mich noch gut daran erinnern, als es während der Finanzkrise um das Konjunkturpaket ein großes Gezerre gab", sagt er. "Viele Beobachter haben gesagt, dass dieses milliardenschwere Hilfspaket Obamas Präsidentschaft definieren wird. Und es sah aus, als würde der Präsident den Kürzeren ziehen." Doch dann habe Obama sich durchsetzen können und das Thema war abgehakt. Man suchte sich das nächste "alles entscheidende Thema".

Gestern das Konjunkturpaket, heute die Gesundheitsreform, und morgen vielleicht der Klimawandel - alles wichtige Zäsuren in Obamas Präsidentschaft, in die er selbst viel Kapital investiert. Eine Niederlage bei jedem dieser Themen würde auch auf ihn persönlich zurückfallen. Aber welche Bedeutung eine solche Schlappe auf lange Sicht tatsächlich hätte, das ist noch nicht abzusehen. In den dreieinhalb Jahren bis zum Ende der ersten Amtszeit kann viel passieren.

Mühsame Prozesse

Obama selbst wirkt jedenfalls nach wie vor ruhig und selbstsicher. Nur die Haare sind ein bisschen grauer geworden, findet Matthias Fornoff, der Leiter des ZDF-Fernsehstudios in Washington: "Es gibt Momente, wo er ein bisschen müde aussieht." Solche Auseinandersetzungen wie jetzt um die Gesundheitsreform und das Organisieren von Mehrheiten im Kongress seien ja auch mühsame Prozesse.

Aus dem Kandidaten Barack Obama, der mit feurigen Reden die Anhänger begeisterte, ist ein Präsident geworden, der Kongress-Abgeordneten mit Fakten überzeugen muss, wenn er seine Vorhaben durchsetzen will. Dass sein persönlicher Einsatz sich auszahlt, hat sich erst gerade wieder gezeigt. Der Senat strich 1,75 Milliarden Dollar für den Bau von F-22 Kampfjets. Auch das Verteidigungsministerium hatte das Rüstungsprojekt als überflüssig und veraltet bezeichnet. Obama hatte im Vorfeld mit seinem Veto gedroht, falls der Senat nicht zustimmen würde. Es war ein Etappensieg - nicht mehr und nicht weniger.

Autorin: Christina Bergmann, Washington

Redaktion: Kay-Alexander Scholz