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Obst und Gemüse aus dem Labor

Peter Wozny9. November 2003

Frostfestes Gemüse, immer-frische Tomaten - bei allen Erfolgen der Wissenschaft - der Einsatz von Gentechnik bringt auch viele unerwartete Nebenwirkungen. Manche kurios und harmlos, andere schon bedenklicher.

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Was steckt hinter der "bunten Fassade"?Bild: AP

Kartoffeln, denen ein Schneeglöckchen-Gen eingeführt wurde, schmecken weniger bitter. Wie schottische Forscher herausfanden schützt das zwar die Pflanzen vor saftsaugenden Insekten, zieht aber umso mehr andere Schädlinge an. Noch schlimmer erging es den Sojabohnen, die mittels Gentechnik gegen Herbizide resistent gemacht wurden. Ihre Stengel hatten einen unerwartet hohen Holzgehalt und brachen in den heißen Klimazonen einfach auf. Die Ernte war verdorben.

Ernte in Argentinien Sojabohnen
Sojabohnen-Ernte in ArgentinienBild: AP

Platzende Tomaten und scheinschwangere Säue

Die Flavr-Savr-Tomate galt als große Hoffnung aller Gemüsehändler, denn sie fault langsamer als ihre Artgenossen. Doch sie erwies sich auch als schlecht transportierbar, weil sie sehr leicht platzt. Die Fachzeitschrift Bio/technology vermutet, dass der innere Druck, der sie so prall aussehen lässt, so hoch ist, dass er die Außenhaut zerreißt.

Schweinezüchter Jerry Rosman aus Iowa freute sich schon auf viele neue Ferkel. Denn alle Säue auf seinem Hof hatten dicke Bäuche. Doch nur jede fünfte war tatsächlich schwanger. Nach Veröffentlichung seines Falls erhielt Rosmann eine Flut von Anrufen besorgter Schweinehalter mit dem gleichen Problem. Auf manchen Höfen sank darüber hinaus die Geburtenrate bei den Schweinen sogar um 80 Prozent. Alle betroffenen Farmer hatten einen neuen Gentech-Mais verfüttert.

Mehr Fett in der Milch

Auch Rinderzüchter in den USA, die auf ein neues Genfutter setzten, erlebten böse Überraschungen: Die Milchproduktion der Kühe erhöhte sich zwar wie gewünscht. Doch auch bei den Rindern litt die Fruchtbarkeit, einige brachten missgebildete Kälber zur Welt. Außerdem häuften sich Stoffwechselkrankheiten und Euterentzündungen.

Figurbewusste Verbraucher sollten die Milch von Kühen meiden, die mit einem genmanipulierten Futtermittel aus Soja gefüttert wurden. Diese Kühe produzieren Milch mit einem weitaus höherem Fettgehalt als Kühe, die mit gentechnikfreiem Soja gefüttert wurden. Das ergab eine Untersuchung durch den Hersteller. Der Unterschied im Milchfettgehalt betrug sieben Prozent.

Viehwirtschaft Alpen Kühe Alpaufzug
Weidende KüheBild: AP

Käferkiller und Mottendoping

Nicht nur Schädlinge müssen genmanipulierte Pflanzen fürchten: Weibliche Marienkäfer, die Blattläuse von gentechnisch veränderten Kartoffeln fraßen, legten weniger Eier als der Durchschnitt ihrer Artgenossen. Das fand ein schottisches Wissenschaftlerteam vom Crop Research Institute in Dundee heraus. Außerdem halbierte sich ihre Lebenserwartung. Das eigentliche Ziel der Genmanipulation erreichten die Forscher nicht: Der Blattfraß durch Läuse konnte nur um 50 Prozent reduziert werden.

Was die Käfer killt, kann für Motten wie Doping wirken. Manche Mottenarten sind mittlerweile nicht nur gegen viele der Toxine resistent, die transgene Pflanzen zur Tötung von Schädlingen produzieren. Sie können das Schädlingsgift offenbar verdauen und als Nährstoff verwerten, berichtet die Fachzeitschrift Ecology Letters.

Hungrige Bienen, wachsende Riesenlachse

Eher hungrig fliegen dagegen Bienen an vielen genmanipulierten Rapsblüten vorbei. Sie können ihr Ziel nämlich nicht mehr riechen. Das Gift, das den Raps gegen Schädlingsbefall resistent machen soll, unterdrückt auch den Geruch, den die Bienen wahrnehmen. Lachse mit eingebautem Frostschutz-Gen aus Polarfischen wurden dagegen aus unbekannten Gründen größer.

Biene
BieneBild: AP

Noch scheinen diese Einzelfälle nur Pflanzen und Tiere zu belasten. Doch Gegner der Gentechnik warnen vor Gefahren für den Menschen: Untersuchungen haben bewiesen, dass manipulierte Gene Artgrenzen überschreiten können. Pessimisten leiten daraus ein Horror-Szenario ab: Theoretisch sei es denkbar, dass Gene, die dem Raps zur Resistenz gegen ein Antibiotikum eingebaut wurden, von einem Krankheitserreger aufgenommen werden. Die könnten dann ihrerseits gegen viele Medikamente resistent werden.

Kein Versicherungsfall

Risiken und Nebenwirkungen aus dem Genlabor? Die Forscher winken ab. Bei den beobachteten Phänomenen handele es sich um Einzelfälle. Bisher hat noch keine Panne der Gentechnik einen Menschen krank gemacht oder sogar getötet. Schottische Versicherungsgesellschaften sehen das anders. Sie haben beschlossen, Gentechpflanzen als so risikoreich wie Krieg oder Atomunfälle einzustufen und diese nicht zu versichern.