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Ohne Hoffnung, aber nicht ohne Mut

Cornelia Rabitz / (mas)16. September 2002

Ein weitgehend unbekanntes Kapitel beleuchtet die Ausstellung "Jüdischer Widerstand" des Deutschen Historischen Museums in Berlin. Sie zeigt, dass sich nicht alle Juden in ihr Schicksal fügten.

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Heimliche Schule im Ghetto von KaunasBild: DHM

Die noch bis zum 5. November zu sehende Ausstellung möchte mit dem Klischee aufräumen, demzufolge sich alle Juden während der Naziherrschaft in Deutschland wie Lämmer zur Schlachtbank führen ließen. Entgegen dieser verbreitenden Ansicht gab es Hunderttausende, die als Soldaten in den alliierten Armeen am Zweiten Weltkrieg gegen Nazideutschland teilnahmen. Andere kämpften als Partisanen oder in den Widerstandsbewegungen ihrer Heimatländer.

Die Partisanin Sara Ginaite Vilna
Die Partisanin Sara Ginaite VilnaBild: DHM

Neben diesem Kampf gab es aber auch noch einen anderen Krieg, sagt Marcel Meyer, Architekt und Designer der aktuellen Ausstellung im Deutschen Historischen Museum, und er fügt hinzu: "Da waren die Juden meistens allein und im Dunkeln." Meyer spricht damit den Widerstand hinter Ghettomauern und in Vernichtungslagern an. Dort hielten die Juden kulturelles und religiöses Leben aufrecht, schrieben Tagebücher und Chroniken. Manches davon wurde - wie etwa das polnische Archiv "Oneg Schabat"- vergraben und nach dem Krieg wiederentdeckt. "Mit Würde dem NS-Verbrecher entgegentreten, mit Würde Sterben ist ein Zeichen eines moralischen Widerstands", erläutert der Schweizer Historiker Professor Ernst Ludwig Ehrlich eine Variante des Widerstands gegen die Vernichtung.

Denkmal für die Mutigen

Den unzähligen Mutigen, die in einem ungleichen und aussichtslosen Kampf ihr Leben wagten und verloren, will die Berliner Ausstellung ein Denkmal setzen. "Wir müssen durch diese Ausstellung etwas sagen", so Ehrlich, "das lebendige Zeugen heute nicht mehr sagen können."

Bildgalerie Holocaust Gedenkstätte Jüdisches Museum in Berlin
Das undatierte Handout zeigt das neue Juedische Museum in Berlin. Das Museum, das am Sonntag, 9. September 2001, eroeffnet werden soll, wurde vom Architekten Daniel Liebeskind entworfen.Bild: AP

Die Ausstellungsmacher setzen dabei stark auf die suggestive Wirkung düsterer Räume und verwinkelter bedrückender Gänge. Der Rundgang gleicht einem Labyrinth, so Meyer, "weil er zeigen will, dass Sich-Retten, Sich-Verstecken oder andere zu verstecken sehr sehr kompliziert und schwer ist, labyrinthisch ist".

Zusätzlich gibt es eine doppelte Perspektive: Den Blick von außen und die Sicht von innen. Im zweiten Raum beispielsweise - betitelt "Hinter Mauern" - wird eine Ghettomauer nachgestellt und man zeigt all die menschenverachtenden Schilder, mit denen die Nazis den Juden das Verlassen des Gebiets verboten. Hinter der Mauer finden sich grob geschreinerte Regale voller Briefe, Zeichnungen und Manuskripte aus dem Warschauer Ghetto und aus Birkenau.

Verschleiertes Grauen

Raum Nummer drei zum Thema "Informieren und Warnen" ist ein schwarzer Zylinder mit einer provisorisch wirkenden Holzkonstruktion im Innern. Es ist eine symbolische Gestaltung. Sie illustriert die Versuche der Nationalsozialisten, Informationen über die sogenannte "Endlösung" zu verschleiern, und sie soll zeigen, wie schwierig und brüchig der jüdische Widerstand war.

Auf einem Tisch dieses Raumes liegen zahlreiche Dokumente. Darunter sind Zettel, die aus den Zügen geworfen wurden, erklärt Meyer, "die sagen wir werden nicht umgesiedelt, wir gehen nach Auschwitz". Andere Dokumente sind Augenzeugenberichte über jüdische Untergrundorganisationen.

Gewürdigt wird auch der bewaffnete Kampf von Juden in ganz Europa, im Untergrund und bei den Partisanen. 7000 jüdische Freiwillige nahmen allein an den internationalen Brigaden am spanischen Bürgerkrieg teil. An sie und andere erinnert ein symbolischer Wald aus dicken aufrecht stehenden Ästen.

Der jüdische Widerstand war nach Angaben Arno Paukers, Vizepräsident des Londoner Leo-Baeck-Instituts, besonders stark in der illegalen Arbeiterbewegung und bei den Kommunisten. Vielleicht, so mutmaßt Pauker, war dies ein Grund, warum es so lange dauerte, bis das Thema jüdischer Widerstand ins öffentliche Bewusstsein rückte.