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"Ohne Theda hätte ich das nie geschafft"

Nina Werkhäuser 22. Juni 2006

Politische Flüchtlinge haben oft traumatische Erlebnisse in ihrem Heimatland hinter sich. Sie sind kaum in der Lage, sich allein in Deutschland zurechtzufinden Eine Berliner Organisation hilft ihnen.

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Demonstration für die Rechte der Kurden in der Türkei - danach wurde Mustafa B. verhaftetBild: AP

In der Türkei saß Mustafa B. zehn Jahre lang im Gefängnis, weil er für die Rechte der Kurden demonstriert hatte. Er wurde gefoltert, und auch nach der Freilassung ließ die Polizei ihn nicht in Ruhe. Mustafa B. flüchtete nach Deutschland und stellte einen Asylantrag. Angekommen in Berlin stand er vor dem Nichts. "Wenn Berlin ein großer Ozean wäre und ich darin, dann sehe ich mich als jemand, der nicht schwimmen kann. Ich fühlte mich hilflos und brauchte Hilfe und Unterstützung", erinnert er sich. "Deshalb habe ich mich auf die Suche gemacht."

Gefunden hat er Theda von Wedel, fröhlich, energisch und seit kurzem im Ruhestand. Als die Berlinerin erfuhr, dass die Hilfsorganisation "Xenion" Betreuer für traumatisierte Flüchtlinge sucht, hat sie sich spontan gemeldet. Vor einem Jahr standen die beiden sich zum ersten Mal gegenüber. "Mustafa sprach kaum Deutsch und ich überhaupt kein Türkisch. Wir haben festgestellt: Es gibt keine Sprache der Welt, in der wir uns verständigen können", erzählt sie.

Schwieriger Alltag

Am Anfang habe es nur mit Dolmetscher und mit Händen und Füßen funktioniert. Inzwischen verstehen sich die beiden. Mustafa hat ganz gut Deutsch gelernt. Theda von Wedel hilft ihm mit der schweren Sprache und im Alltag. Einmal pro Woche treffen sie sich - mal gehen sie ins Museum, mal aufs Amt. Als Mustafa es nicht mehr aushielt im engen Wohnheim für Asylbewerber, gingen sie gemeinsam auf Wohnungssuche. "Was Sie da an Ablehnung bekommen von normalen Wohnungsbesitzern und Wohnungsbaugesellschaften, das ist wirklich erstaunlich", sagt Theda von Wedel. "Da ist einer, der nicht Deutsch kann, völlig aufgeschmissen - ganz eindeutig, weil er Ausländer ist." Sie ist sich sicher: Hätte sie nicht daneben gestanden, würde Mustafa immer noch suchen.

Inzwischen wohnt Mustafa in den eigenen vier Wänden und ist froh darüber. "Ohne Theda hätte ich das nie geschafft", sagt er. Die Mentorin und ihre Familie sind für ihn Freunde geworden, ein Ankerplatz in einer fremden Welt. "Wenn ich Theda und ihre Familie sehe, bin ich glücklich. Wenn wir uns mal nicht sehen, suche ich sie in meinen Gedanken und sehne mich nach ihnen. Vielleicht bin ich jetzt zu pathetisch, aber ich betrachte sie als Familie."

Die unerträgliche Ungewissheit

Landesamt für Asylangelegenheiten Asylbewerber in Deutschland
Erste Anlaufstelle für Flüchtlinge- die Landesämter für AsylangelegenheitenBild: dpa zb

Mustafas eigene Familie ist weit weg, die Vergangenheit belastend, die Zukunft ungewiss. Sein Leben ist in der Schwebe - er weiß nicht, ob er Asyl bekommt, ob er in Deutschland bleiben darf. Arbeiten darf er nicht, noch nicht mal kostenlos einen Sprachkurs machen, so lange sein Antrag bearbeitet wird. Theda von Wedel hofft, dass das bald passiert, denn bei Mustafa handele es sich um einen traumatisierten Gefangenen. "Ich fände es angemessen, da zügig zu reagieren. Denn die Ungewissheit, wie es weitergeht, ist ja eigentlich etwas Unerträgliches."

Dieser Ungewissheit versuchen die beiden gemeinsam ein Schnippchen zu schlagen. Mustafas Wille, sich ein neues Leben aufzubauen, treibt ihn an. Er lernt deutsch, spielt Fußball im Verein, erkundet die Stadt. Und wenn er irgendwo nicht weiterkommt, dann fragt er seine Mentorin. "Es ist schön, von jemandem gebraucht zu werden. Ich kriege auch unheimlich viel an Freude darüber zurück, dass er Unterstützung kriegt", sagt Theda von Wedel. Mustafa sagt, er habe einfach Glück gehabt, dass er seine Mentorin getroffen hat. Er weiß, dass viele Flüchtlinge mit ihren Nöten in der Fremde allein bleiben, dass niemand sich freundschaftlich um sie kümmert. "Es sollte mehr Mentoren geben", sagt Mustafa, "die sind das beste Mittel gegen Angst und Verzweiflung."