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Ohne Wahrheit keine Versöhnung

Amela Karic4. September 2002

Waren es 2000 Tote? Eher 5000? Oder waren es sogar 7000 Menschen, die 1995 beim Angriff bosnischer Serben auf Srebrenica starben? Darüber streiten sich die Parteien vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag.

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Sie müssen entscheiden: Richter des Internationalen Gerichtshofs in Den HaagBild: AP

Das Büro für Beziehungen der Regierung der Republik Srpska zum Haager UN-Kriegsverbrechertribunal hat in einem Bericht über den Fall der UN-Schutzzone Srebrenica ihre Sicht des Geschehens mitgeteilt. Die Republik Srpksa ist Teil der Föderation Bosnien-Herzegowina. Die Verfasser des Berichts behaupten, dass etwas mehr als 2000 Moslems von der Armee der bosnischen Serben getötet wurden, als diese am 11. Juli 1995 die Schuttzone attackierte und einnahm. Die meisten der Opfer seien Soldaten der Armee von Bosnien und Herzegowina gewesen.

Diese Zahlen liegen deutlich unter den Schätzungen des UN-Tribunals für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. Das Tribunal geht von 6000 bis 7000 Opfern aus. Die meisten von ihnen seien Zivilisten gewesen.

Versuch der Revision

Ratko Mladic, der bosnisch-serbische Militärgeneral mit Ton Karremans
General Ratko Mladic (l.), General der bosnischen Serben, am 12. Juli 1995Bild: AP

Die Beauftragten Srpskas dementierten, dass es sich um einen offiziellen Regierungsbericht handle. Sie betonten aber, dass dieser Bericht von den Institutionen ausgearbeitet wurde, die für die Beziehungen der Republik Srpska zum Haager Tribunal verantwortlich sind. Der Bericht solle der Verteidigung der Angeklagten vor dem Haager Tribunal als Vorlage dienen.

Die Verfasser möchten offensichtlich das vorherrschende Bild der Ereignisse von Srebrenica und des Bosnienkrieges allgemein grundlegend revidieren. General Ratko Mladic und der frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic, die das Haager Tribunal für die Hauptverantwortlichen für das Massaker von Srebrenica hält, werden in diesem Bericht nur beiläufig erwähnt. General Mladic habe die Evakuierung von Zivilisten angeordnet. Da die Schutzzone nicht entmilitarisiert gewesen sei, habe er den verbliebenen Soldaten der bosnischen Armee eine Frist von 24 Stunden zur Kapitulation gesetzt. Dazu sei es jedoch nicht gekommen, weil es in der Zwischenzeit zu schweren Kämpfen mit den zurückgebliebenen bosnisch-muslimischen Soldaten kam.

Radovan Karadzic
Radovan Karadzic, Anführer der bosnischen Serben, im Juni 1995Bild: AP

Zudem wird in dem am Dienstag vorgelegten (3. September 2002) Bericht betont, dass zwischen 1992 und 1995 auf dem Gebiet der Republik Srpska 1300 Serben im Kampf getötet wurden. Schätzungen des Haager Kriegsverbrechertribunals, dass serbische Truppen zwischen 6000 und 7000 Zivilisten in Srebrenica ermordeten, bezeichnen die Autoren als "tendenziös." In einem separaten Anhang behaupten die Verfasser sogar, dass das Terrornetzwerk Al Qaida während des Krieges mit Hilfe des damaligen bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic in Bosnien Fuß fassen konnte. Auch dieses Argument soll offensichtlich der Entlastung der Angeklagten dienen.

"Abscheuliche Relativierung"

Internationale Vertreter reagierten auf den Bericht mit scharfer Kritik. Jim Landale, Pressesprecher des UN-Tribunals sagte, dass die Angaben des Berichts "unfassbar" und "absolut falsch" seien. Er fügte hinzu, dass dies eine Missachtung der Arbeit der Ermittler des Tribunals bedeute und bezeichnete Versuche, die Zahlen von Opfern zu relativieren, als "abscheulich."

Amir Ahmic, der Verbindungsoffizier der bosnischen Regierung am Haager Tribunal sagte, dass es keinen Zweifel gebe, dass die Ereignisse in Srebrenica ein Völkermord waren.

Auch die Überlebenden des Massakers sehen in dem Bericht einen Versuch die Verbrechen aufzurechnen. Die Vorsitzende der Vereinigung der Frauen von Srebrenica, Hajra Catic, wies darauf hin, dass ständig weitere Massengräber geöffnet würden. Dies sei ein Beweis dafür, dass ein Völkermord stattgefunden habe und dass dort über 10.000 Menschen verschwunden seien. Nach ihrer Ansicht gibt es, ohne dass die Wahrheit über die Ereignisse aufgedeckt wird, keine Zukunft für Srebrenica.