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Olafur Eliasson in Berlin

28. April 2010

Der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson ist längst ein Weltstar. Sein Atelier hat er seit 1994 in Berlin. Nun widmet ihm die Stadt erstmals eine große Einzelausstellung. Ihr Titel: "Innen Stadt Außen".

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Model Room, 2003 Photo: Jens Ziehe
Sein Model-Room (2003) gibt einen Ausblick auf die großen ProjekteBild: Olafur Eliasson

Eliassons Kunst ist schon seit Wochen in der Stadt – zumeist unerkannt. Kreidelinien ziehen sich durch Parkanlagen, verschwinden gewunden im Gebüsch. Und an einigen Bäumen und Laternenmasten parken noch immer Fahrräder, deren Speichen hinter Spiegelfolie verschwunden sind. Mächtige Baumstämme, vor Jahren als Treibgut in Island angeschwemmt, liegen wie zufällig hingeworfen in der Stadtlandschaft. Und ein verspiegelter Transporter hat Passanten, Autos, Hochbahnen, Häuser und Reklametafeln mit sich selbst konfrontiert. Das wurde gefilmt und ist nun als verdichtete Videoschleife im Martin-Gropius-Bau zu bestaunen - als ein Exponat dieser Schau, in der es, wie immer bei Eliasson, letztlich um nichts anderes als unsere Wahrnehmung geht.

Trügerische Wahrnehmung

"Ich glaube", sagt der Künstler, "das Sehen oder das Wahrnehmen nehmen wir für selbstverständlich. Wir glauben, das Sehen ist objektiv oder physiologisch von der Natur gegeben oder sogar von Gott gegeben, könnte man auch in extremen Fällen glauben".

Photo:Jens Ziehe
Halogenlampen erzeugen gestaffelte Bilder der AusstellungsbesucherBild: Olafur Eliasson

Olafur Eliasson selbst ist aber überzeugt, dass unsere Wahrnehmung, die Art, wie wir Dinge sehen und betrachten, kulturell geprägt ist. Dass man etwas also auch ganz anders sehen kann. Oder dass eine Sichtweise trügerisch ist. Eben hier setzt seine Kunst an. Und sie tut das keineswegs kopflastig, sondern höchst amüsant und nachvollziehbar. Denn Eliasson stellt die Welt mit vermeintlich leichter Hand auf den Kopf und regt so zum Nachdenken über Bild und Abbild, Wahrheit und Täuschung an.

Von der Natur der Realität

Jedes Kunstwerk brauche einen Betrachter. Das gelte für eine Zeichnung ebenso wie für ein gemaltes Bild, sagt Daniel Birnbaum, der Kurator der Berliner Ausstellung. Aber bei Eliasson habe er das Gefühl, "dass es zwar Objekte gibt, die man in einer Galerie ausstellen kann und die vielleicht auch gesammelt werden - aber eigentlich geht es um die Begegnung selbst".

Foto: Robert Schlesinger dpa/lbn
Der Lichthof des Martin-Gropius-Baus - verwandelt in ein SpiegelkabinettBild: picture alliance / dpa

Und natürlich gehe es auch um das, was im Kopf des Betrachters passiert. Etwa, dass der sich irritiert umschaut, nachdem er seinem Ebenbild beim Blick aus dem Fenster des Martin-Gropius-Baus begegnet ist - und zwar hinter dem Fenster eines völlig identisch aussehenden Gebäudes. Ein Spiegel, montiert auf ein Gerüst vor dem Haus, so findet man schließlich heraus, erzeugt diese optische Täuschung.

Akteure und Entdecker

Die Ausstellungsbesucher, sagt Eliasson, seien mit verantwortlich. "Wir trauen den Besuchern des Museums die Verantwortung zu, selber die Ausstellung sehen zu können. Wir interpretieren nicht für die Leute die Ausstellung, wir schreiben groß auf die Wand, wie die das zu sehen haben. Wir versuchen wirklich nicht, die Leute zu patronisieren".Tatsächlich sind Besucher bei ihm Akteure und Entdecker zugleich, sobald sie sich in die Ausstellung begeben und für einen der beiden Eingänge entschieden haben. Rechts herum gelangen sie zunächst auf einen in das Gebäude verlegten typischen Berliner Bürgersteig aus granitenen Platten, also auf städtischen Grund im Museum. Der Parcours durch den linken Eingang führt hingegen in dichten Nebel, der mit jedem Schritt seine umgreifende Farbigkeit – rot, lila, blau, grün, gelb – verändert und den Museumsbesucher mitten in der Stadt, mitten in der Ausstellung, schonungslos auf sich selbst zurückwirft.

Photo: Jens Ziehe
'Your blind movement', 2010Bild: Olafur Eliasson

Er finde, sagt Daniel Birnbaum, Olafur sei ein Künstler, "der eigentlich sehr schlicht und pragmatisch und direkt und ehrlich arbeitet. Er produziert keine Illusionen. Es geht eher um die Konstruktion des Blickes sozusagen. Aber die großen Themen – die Sonne, das Auge, die Seele als Spiegel der Natur – ist da schon immer präsent".

Optische Überwältigungen

Naturwissenschaftler werden in dieser poetischen Ausstellung genauso auf ihre Kosten kommen wie Kinder, Kunsthistoriker und Freunde einfacher Formen. Denn Eliasson spielt nicht nur mit Lichtbrechungen, Spiegeln und Schatten, sondern auch mit geometrischen Formen wie Dreieck, Kreis, Quadrat und Kugel. Er lässt einen durchsichtigen Schlauch im Stroboskoplicht tanzen, bringt geodätische Kugeln zum Leuchten und hat den hohen Lichthof des Martin-Gropius-Baus in einem Kristallpalast verwandelt, in dessen Trichter sich das gerasterte Oberlicht wie die Besucher unendlich spiegeln. Die Grenzen zwischen Innen und Außen lösen sich dabei auf. Und der Mensch, der staunt und wundert sich.

Autorin: Silke Bartlick

Redaktion: Sabine Oelze