1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

14 rätselhafte Todesfälle

Ilya Koval
12. März 2018

Nach der Vergiftung eines russischen Ex-Agenten in Großbritannien soll die Regierung 14 weitere mysteriöse Todesfälle erneut prüfen. Gibt es Spuren, die nach Russland führen? Ein Überblick.

https://p.dw.com/p/2uAte
Großbritannien Salisbury Krankenhaus Sergei Skripal, vergifteter russischer Ex-Spion
Bild: Imago/i Images

Die Ermittlungen im Fall des vergifteten Ex-Spions Sergej Skripal laufen in Großbritannien auf Hochtouren. Nach Ansicht von Premierministerin May ist "höchstwahrscheinlich" Russland für den Anschlag verantwortlich; in dieser Sache wurde der russische Botschafter einbestellt. Gleichzeitig ist Mays Regierung aufgefordert, mysteriöse Todesfälle aus den vergangenen Jahren neu prüfen. Die Vorsitzende des Innenausschusses im Parlament, Yvette Cooper, schrieb Anfang März einen entsprechenden Brief an Innenministerin Amber Rudd. Es geht um insgesamt 14 Fälle, bei denen über Verbindungen nach Russland bisher nur spekuliert worden war.

Recherche von US-Journalisten 

Cooper bezieht sich offenbar auf eine zweijährige Recherche des US-Mediums BuzzFeed. Dem Bericht zufolge vermuten US-Geheimdienste hinter einer Reihe mysteriöser Todesfälle aus den Jahren 2003 bis 2014 russische Geheimdienste oder Mafia-Strukturen. Es geht dabei unter anderem um den Tod des russischen Oligarchen Boris Beresowskij und den des früheren Offiziers des russischen Geheimdienstes FSB Alexander Litwinenko.

Über eine russische Spur im Fall Litwinenko wird in Großbritannien seit langem offen gesprochen. Darauf verweisen auch die Ergebnisse einer öffentlichen Untersuchung. In 14 anderen Fällen, die weniger bekannt geworden waren, wurden Unfall oder Selbstmord als Todesursache festgestellt.

Boris Beresowski, russischer Oligarch
Der Oligarch Boris Beresowskij galt als Putins KritikerBild: REUTERS

Der Oligarch Boris Beresowskij war Anfang der 2000er Jahre ein scharfer Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin und lebte seit 2003 als politischer Flüchtling in Großbritannien. In Russland wurde der Geschäftsmann in Abwesenheit wegen Betrugs verurteilt. Im März 2013 wurde Beresowskij erhängt im Bad seines Hauses bei London aufgefunden. Die britische Polizei sprach schnell von einem Selbstmord. Doch die genauen Umstände sind bis heute ungeklärt. Der zuständige Gerichtsmediziner urteilte, es gebe nicht genug Beweise - weder für Selbstmord noch für Mord.

Sieben Männer um Beresowskij

Der britische Unternehmer Scot Young galt als naher Bekannter von Beresowskij. Nach BuzzFeed-Recherchen soll er dem Oligarchen geholfen haben, Geld nach Großbritannien zu transferieren. Im Dezember 2014 stürzte Young aus dem Fenster der Wohnung seiner Freundin im vierten Stock in Londoner Stadtmitte. Die Polizei sprach von Selbstmord. Doch es gab auch verdächtig erscheinende Umstände: Zum Zeitpunkt des Todes seien alle Überwachungskameras in der Umgebung zur Seite gedreht gewesen, schreibt BuzzFeed.

Die Immobilienhändler Robert Curtis und Paul Castle, die sich immer wieder mit Beresowskij und Young in dem Londoner Elite-Restaurant Cipriani trafen, bekam nach einer Serie von geschäftlichen Misserfolgen Probleme "mit Gangstern mit Verbindungen zur russischen Mafia", schreibt das US-Medium. Beide Geschäftsleute hatten ihr gesamtes Vermögen verloren und waren vor die U-Bahn gesprungen, allerdings zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Castle starb 2010, Curtis zwei Jahre später. Castles Freunde erzählten BuzzFeed, russische Mafiosi hätten gedroht, ihn "langsam und qualvoll" zu töten, sollte er nicht Selbstmord begehen. Johnny Elichaoff, ehemaliger Manager der Musikband Tears for Fears, war ebenfalls Mitglied im sogenannten "Club Cipriani". 2014, nach einem verunglückten Ölgeschäft, sprang er vom Dach eines Einkaufszentrums in London.

Der georgische Unternehmer Badri Patarkazischwili machte in den 1990er Jahren Geschäfte in Russland und war ein enger Partner von Beresowskij. In den 2000er Jahren hatte die russische Justiz gegen ihn ein Verfahren wegen Betrugs eingeleitet und seine Auslieferung aus Georgien beantragt. 2008 starb der 52-jährige Patarkazischwili in seinem Haus bei London an einem Herzinfarkt - zwei Monate, nachdem er die britische Polizei vor einem möglichen Anschlag auf ihn gewarnt hatte.

Boris Beresowskij war unter anderem Klient des Rechtsanwalts Stephen Curtis. Der organisierte 2003 ein Geschäft zwischen Beresowskij und Roman Abramowitsch, ebenfalls einem russischen Oligarchen. Curtis starb im März 2004, als sein privates Flugzeug nicht weit vom Flughafen der Stadt Bournemouth abstürzte. Kurze Zeit davor hatte er telefonisch Drohungen bekommen. Der Anwalt Stephen Moss, der ebenfalls in das Geschäft zwischen Beresowskij und Abramowitsch involviert war, starb kurz danach an Herzversagen im Alter von 46 Jahren.

Todesfälle rund um den Fall Litwinenko

Der Times-Journalist Daniel McGrory schrieb viel über den Tod des Ex-Agenten Alexander Litwinenko und berichtete über seine Recherchen auch in einem Dokumentar-Film des US-Senders NBC. Er starb 2007, fünf Tage vor der Erstausstrahlung des Films, im Alter von 54 Jahren an einer Gehirnblutung. Seine Verwandte glauben an einen natürlichen Tod. Allerdings haben kurze Zeit nach der Premiere des Films Unbekannte auf einen anderen Protagonisten geschossen, einen US-Sicherheitsexperten. Er überlebte schwer verletzt.

Litwinenkos Witwe: Alexander ist Gerechtigkeit widerfahren

Igor Ponomarjow, ständiger Vertreter Russlands bei der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO), starb in London zwei Tage vor Litwinenkos Vergiftung. Ponomarjow plante ein Treffen mit dem Geheimdienstexperten Mario Scaramella, der über Verbindungen russischer Geheimdienste und italienischer Politiker recherchierte. Scaramella traf auch Litwinenko kurz vor dessen Vergiftung. Ponomarjow wurde während einer Opernvorstellung übel; er hatte laut Zeugen vor dem Tod großen Durst gehabt. BuzzFeed glaubt, das könnte ein Hinweis auf eine Vergiftung sein. Doch eine gerichtsmedizinische Untersuchung fand in Großbritannien nicht statt. Der Leichnam des Diplomaten wurde umgehend nach Russland geschickt.

Der Strahlungs-Experte Matthew Puncher war einer der Wissenschaftler, die die Todesursache von Litwinenko festgestellt haben. Er besuchte 2015 die russische Kernenergie-Anlage "Majak", um den Einfluss von Strahlung zu untersuchen. Nach der Rückkehr wurde er depressiv. Im Mai 2016, kurz nach dem Ende der öffentlichen Untersuchung im Fall Litwinenko, wurde Puncher im Alter von 46 tot aufgefunden. An seinem Körper gab es mehrere Stichwunden. Die Ermittler stuften den Fall als Selbstmord ein.

Zwei Geschäftsleute und ein Agent

Der Mitbegründer des russischen Öl-Konzern Yukos, Jurij Golubew, lebte in Großbritannien, seit in Russland die Urteile gegen seine ehemaligen Geschäftspartner Michail Chodorkowskij und Platon Lebedew gefallen. Der 64-jährige Golubew wurde 2007 tot in seiner Londoner Wohnung gefunden. Als mögliche Ursache wurde Herzinfarkt genannt.       

England Ergebnisse der gerichtlichen Untersuchung im Fall Litwinenko
Marina Litwinenko mit dem ErmittlungsberichtBild: Reuters/T. Melville

Der russische Investor Alexander Perepelitschnyj trat bei Ermittlungen Im Fall Sergej Magnitskij als Zeuge auf. Magnitskij, ein Rechtsanwalt, hatte Korruptionsfälle aufgedeckt, wurde aber selbst angeklagt und starb in Untersuchungshaft. Perepelitschnyj starb 2012 beim Joggen in London im Alter von 44 Jahren. Die Polizei ging zunächst von einem Herzinfarkt aus. Später wurden bei einer zusätzlichen Untersuchung Spuren einer giftigen und seltenen Pflanze in seinem Magen festgestellt.

Gareth Willams, Agent des britischen Geheimdienstes MI-6, recherchierte über Geldwäsche russischer Krimineller. Seine Leiche wurde 2010 nackt in einer Tasche in seiner Londoner Wohnung gefunden. Der Gerichtsmediziner hat den Fall zunächst als Mord bewertet. Die Polizei hat ihn nochmals geprüft und als "wahrscheinlichen Unfall" eingestuft. Williams sei möglicherweise selbst in die Tasche gestiegen und habe sich nicht mehr befreien können. Allerdings gab es laut BuzzFeed auch hier mysteriöse Umstände, wie die geschlossene Tasche, die keine Fingerabdrücke des Toten auf dem Reißverschluss und dem Schloss zeigte, oder die im August voll aufgedrehte Heizung in der Wohnung. Möglicherweise sollte so die Verwesung der Leiche beschleunigt werden, so die Vermutung.