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Oliver Kahn: "Mia san Mia muss man lernen"

Niels Eixler
18. Oktober 2017

Im Rahmen der Dreharbeiten zur DW-Dokumentation "Das Mia-san-Mia-Phänomen" spricht der ehemalige Welttorhüter Oliver Kahn über den FC Bayern und darüber, was den Klub so einzigartig macht.

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FC Bayern - Hertha BSC am Samstag, 17.05.2008
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Herr Kahn, welche Namen bringen Sie mit der "Mia san Mia"-Geschichte des FC Bayern in Verbindung?

Oliver Kahn: In den 14 Jahren, die ich dort gespielt habe, habe ich es mit einigen zu tun gehabt. Natürlich fällt mir der Manager und heutige Präsident Uli Hoeneß ein, ich glaube keiner lebt dieses Phänomen mehr. Ich habe mit Lothar Matthäus gespielt, mit Jens Jeremies und Stefan Effenberg, und es gibt sicherlich noch viele, viele Spieler, die man da nennen könnte. Auch mich hat es früher oder später gepackt, wobei das ein bisschen gedauert hat.

Können Sie sich erinnern, wann Ihnen der FC Bayern erstmals aufgefallen ist?

Puh, das ist schwierig. Ich weiß nur noch eine schöne Anekdote: Ich habe beim Karlsruher SC alle Jugendmannschaften durchlaufen und irgendwann, ich glaube, ich war sieben oder acht Jahre alt, hat der FC Bayern in Karlsruhe gespielt. Vierzigtausend Zuschauer, und ich stand im KSC-Fanblock. Ich war der einzige mit einer FC Bayern-Fahne (lacht). Das hat damals ein bisschen für Irritation gesorgt, aber ich war eben noch zu jung, als dass man mich irgendwie angegangen hätte. Aber das hat schon meine Faszination für diesen Verein in sehr frühen Jahren gezeigt.

Was war da so faszinierend?

Der Erfolg. Das Gewinnen. Der FC Bayern hat Dinge möglich gemacht, die nur der FC Bayern möglich machen kann. Welche Mannschaft kann schon bei Real Madrid nach einer 1:2-Heimniederlage, das Spiel in Madrid noch umdrehen? Bei welcher deutschen Mannschaft kann man nach schwachen Auftritten im Hinspiel gegen Inter Mailand oder den AC Mailand noch Hoffnungen aufs Rückspiel setzen? 

Das war auch schon in den 70er-Jahren so, da hat man Spiele einfach gedreht, im Europapokal und auch in der Bundesliga. Zum Beispiel die berühmte deutsche Meisterschaft 2001 mit dem letzten Schuss von Patrick Anderson. Das ist einfach so ein gewisser Mythos, der diesem Verein anhaftet. Und jeder, der zum FC Bayern München kommt, weiß das.

Es gibt da zwei Möglichkeiten: Entweder man ist so motiviert durch dieses ganze Umfeld und durch diese ganzen Legenden und spielt eine Klasse besser als man es bei einem anderen Verein tun würde, oder es lähmt einen, und man kommt nicht dazu, seine Leistung abzurufen.

Kann man sich denn dem Ruf des FC Bayern überhaupt entziehen?

Wenn man zum FC Bayern geht, tut man das in erster Linie, weil man weiß, dass man dort die größten Titel im Vereinsfußball gewinnen kann. Und man hat quasi die Garantie, dass man zumindest Deutscher Meister wird. Aber was will man denn als Fußballer? Man möchte die großen Momente erleben, man möchte ins Champions-League-Finale kommen, man möchte ins DFB-Pokalfinale kommen, und dort vielleicht auf dramatische Art und Weise Titel gewinnen. Als Spieler spielt man eben bei Bayern München oder ist umgeben von den Besten. Das heißt, ich selbst werde dann natürlich auch besser. Das sind die Aspekte, neben den finanziellen natürlich, warum man zum FC Bayern geht.

Wie sehen Sie die Figur Uli Hoeneß?

Ich glaube, keiner hat es besser verstanden, die Anforderungen des professionellen Fußballgeschäftes, die Kommerzialisierung des Unternehmens FC Bayern München mit dem Verein Bayern München zu verbinden. "Unternehmen" klingt ein bisschen kühl, nach Gewinnmaximierung, nach Profit. Und trotzdem hat Uli Hoeneß nie außer Acht gelassen, dass der FC Bayern eine identifikationsstiftende Institution ist, an der die Herzen vieler Fans hängen. Das ist gerade in der heutigen Zeit eine gewisse Kunst, und ich glaube, dafür wird er eben auch so gemocht. Natürlich ist er auch ein Schlitzohr, natürlich ist er jemand, der für den Verein - übertrieben ausgedrückt - töten würde, wenn ihm jemand Böses will. Auf der anderen Seite ist Hoeneß aber auch einer, der eine gewisse Menschlichkeit bewahrt. Deswegen ist er eine Figur, mit der man es gerne zu tun hat. Er ist auf eine gewisse Art Unternehmer, er ist ein Menschenfänger.

Oliver Kahn mit Championsleague-Pokal 2001
Größter Triumph: Oliver Kahn mit dem Champions-League-Pokal 2001 nach dem Finalsieg gegen ValenciaBild: imago/Frinke

Wie kommt es, dass es für den FC Bayern offenbar nur zwei Sichtweisen gibt: entweder "Ich liebe euch" oder "Ich hasse euch"?

Karl-Heinz Rummenigge hat vor kurzem gesagt: "Der Verein polarisiert nicht mehr genug." (lacht) Scheinbar ist das das größte Problem für den FC Bayern, wenn er von allen geliebt wird, was natürlich Quatsch ist. Aber es ist eben nun mal so in Deutschland, dass ein Mensch oder auch ein Fußballverein, der so erfolgreich ist und diesen Erfolg auch in Form von "Mia san Mia" nach außen lebt, was für viele auch mal arrogant wirken kann, sich in Deutschland nicht nur Freunde macht.

Das mussten auch die erleben, die man mit dem FC Bayern identifiziert hat, vor allem seine Kapitäne: Lothar Matthäus, Stefan Effenberg oder auch ich. Dann ist man auch noch Anführer dieses polarisierten FC Bayern. Da muss man dann schon das eine oder andere aushalten.

Oliver Kahn, Jahrgang 1969, war von 1994 bis 2008 Torwart beim FC Bayern, für den er 429 seiner insgesamt 557 Bundesligaspiele bestritt. Außerdem absolvierte er 86 Länderspiele. Kahn war achtmal deutscher Meister, sechsmal DFB-Pokalsieger und gewann 2001 die Champions League. Mit der Nationalmannschaft wurde er 2002 Vize-Weltmeister. Dreimal wurde er zum Welttorhüter gewählt.

Die Fragen stellte Niels Eixler