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Wahlen in Blogs

15. Dezember 2010

Kaum jemand in Belarus bezweifelt, dass Alexander Lukaschenko auch nach der Präsidentenwahl am 19. Dezember an der Macht bleibt. Doch bei Abstimmungen in Internet-Blogs liegen oppositionelle Kandidaten vorn.

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Eine Frau schaut sich eine Seite der Internetcommunity Facebook auf einem Laptop an (Foto: dpa)
Oppositionelle Kandidaten nutzen soziale NetzwerkeBild: picture alliance / dpa

Im Internet passiert derzeit etwas, womit in Belarus eigentlich kaum jemand rechnet: Ein Oppositioneller gewinnt die Präsidentenwahl. Auf dem Online-Portal election.in-by.net können die Belarussen für einen der zehn Präsidentschaftskandidaten abstimmen. Automatisch mitgezählt werden auch die Stimmen, die auf über 50 weiteren belarussischen Internetseiten abgegeben werden. Insgesamt wurde bereits mehr als 150.000 Mal abgestimmt.

Screenshot der belarussischen Webseite election.in-by.net
Voting auf der Internetseite election.in-by.netBild: election.in-by.net

Wenige Tage vor der Wahl am 19. Dezember führt das Ranking Andrej Sannikow an, der für eine Annäherung des Landes an die EU eintritt. Präsident Alexander Lukaschenko liegt auf dem vierten Platz. Der Minsker Medienexperte Pauljuk Bykowskij sagte der Deutschen Welle, auch wenn das Voting nicht repräsentativ sei, gebe es dennoch die Stimmung im Netz gut wieder.

Soziale Netzwerke gewinnen an Bedeutung

Nach Angaben des belarussischen Kommunikations- und Informationsministeriums nutzt fast die Hälfte der Belarussen inzwischen das Internet. Doch nur 15 Prozent der Menschen verfügen zuhause über einen Breitband-Anschluss. Die Anzahl schneller Internetzugänge wächst allerdings rasant, genauso wie die der Nutzer sozialer Netzwerke. "In Livejournal, Facebook und Twitter lernen die Belarussen über politische Themen zu diskutieren", erläuterte Bykowskij. In der Öffentlichkeit hingegen finde dies so nicht statt.

Alexander Lukaschenko auf einer Großbildleinwand in Minsk (Foto: AP)
Alexander Lukaschenko dominiert staatliche MedienBild: AP

Die oppositionellen Präsidentschaftskandidaten haben sich deswegen längst bei den sozialen Netzwerken angemeldet. Dort versuchen sie im direkten Dialog Anhänger zu gewinnen. "Offline haben wir nur einen, und zwar Lukaschenko", betonte Bykowskij. Ihm zufolge wirft die Regierung des Landes durchaus ein wachsames Auge auf das Internet. Dennoch gilt es weitgehend als zensurfreier Raum. Die staatlichen Medien hingegen werden nach wie vor von Lukaschenko dominiert, was kurz vor den Wahlen unter anderem von der OSZE kritisiert wurde.

"Die Rolle der Blogs nicht überschätzen"

Aber nicht nur oppositionelle Politiker, sondern auch viele Bürger engagieren sich im Internet. So gibt es in Belarus rund 100.000 Blogs, in denen auch kritisch über den Wahlkampf berichtet wird. Einer der bekanntesten Blogger ist Viktor Malischewsky. Er stellt Lukaschenkos Wahlversprechen aus verschiedenen Jahren gegenüber, richtet an die Kandidaten unbequeme Fragen und schreibt ironisch in Märchenform über die Außenpolitik des Landes.

Portrait des belarussischen Bloggers Viktor Malischewsky (Foto: DW)
Viktor Malischewsky, bekannter Blogger in BelarusBild: DW

Malischewsky zufolge sollte man die Rolle der Blogger in Belarus aber nicht überschätzen. Das meint auch die belarussische Fotojournalistin und Gewinnerin des Deutsche Welle Weblog-Preises "The BOBs" 2007, Ksenia Awimowa. In den Blogs würde nur heftig diskutiert. "Dann ist der Dampf abgelassen und an den Protestaktionen der Opposition nimmt keiner teil", sagte die Journalistin.

Die Seite election.in-by.net mit dem Ranking der Präsidentschaftskandidaten wurde von einem Minsker Studenten eingerichtet, der nicht mit vollem Namen genannt werden möchte. Aleksandr sagte der Deutschen Welle, das Internet sei der einzige Weg, den Menschen in Belarus eigene Ideen näher zu bringen. Gemeinsam mit einem Kollegen arbeite er zwei bis drei Stunden pro Tag an der Webseite, die immerhin täglich 30.000 Besucher zähle.

Autorin: Olga Kapustina
Redaktion: Markian Ostaptschuk / Gero Rueter