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Euro-Fiskalpakt

5. März 2012

In Brüssel hat Bundeskanzlerin Merkel den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin durchgesetzt. In Berlin ist sie nun auf eine Zweidrittel-Mehrheit angewiesen. Ob sie die erreicht, ist allerdings ungewiss.

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Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel gestikuliert waehrend seiner Rede
Bild: dapd

Auch wenn Großbritannien und Tschechien nicht mitmachen wollen: 25 der 27 EU-Staaten haben sich beim jüngsten Gipfel in Brüssel auf einen Fiskalpakt geeinigt. Sie verpflichten sich darin zu strikten Maßnahmen gegen Haushaltsdefizite. Dazu gehört eine Schuldenbremse nach deutschem Vorbild. Bei Verstößen drohen Strafzahlungen in den Euro-Rettungsfonds oder, bei Nicht-Euro-Staaten, in den allgemeinen Haushalt der Europäischen Union.

Mit diesen Regelungen können europäische Institutionen in eines der heiligen Rechte der nationalen Parlamente eingreifen: Das Budgetrecht, mit dem sie ihrer Regierung Haushaltsmittel zuweisen. Das deutsche Finanzministerium hat nun festgestellt, dass nach Artikel 23 des Grundgesetzes für einen solchen Souveränitätsverzicht eine Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden parlamentarischen Kammern - in Bundestag und Bundesrat - erforderlich ist. Im Bundestag aber haben die Regierungsparteien nur eine einfache Mehrheit der Abgeordneten. Im Bundesrat, in dem die Länder an der nationalen Gesetzgebung mitwirken, haben sie gar keine.

Opposition verlangt Zugeständnisse der Regierung
Bundeskanzlerin Angela Merkel braucht also die Opposition, will sie den Fiskalpakt erfolgreich auch über die nationale Bühne bringen. Und die stellt nun natürlich Bedingungen für ihre Zustimmung. Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer, konjunkturfördernde Maßnahmen, all diese bisher abgelehnten Forderungen von Sozialdemokraten und Grünen kommen nun wieder auf die Tagesordnung.

Merkel geht mit Monti und anderen einen Gang entlang
Den Fiskalpakt auf den Weg gebracht: Angela Merkel mit Italiens Ministerpräsident Mario Monti beim EU-Gipfel.Bild: dapd

SPD-Parteichef Sigmar Gabriel sagte in einem Radiointerview, Angela Merkel müsse in der Koalition durchsetzen, dass auch die Finanzmärkte als eigentliche Verantwortliche für die Schuldenkrise einen Beitrag zu deren Überwindung leisteten. Außerdem müsse sich die Koalition für weitere Beschäftigungsanreize einsetzen. „Wir brauchen eine Initiative für mehr Wachstum, und das Geld müssen wir von den Finanzmärkten holen“, erklärte Gabriel.
Die gleiche Position vertreten auch die Grünen. Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Die EU muss Wachstum stimulieren können. Dazu muss sie Einnahmen haben."

Claudia Roth am Rednerpult auf einer Veranstaltung der Grünen
"Merkel braucht uns." Grünen-Parteichefin Claudia RothBild: picture alliance/dpa

Und Parteichefin Claudia Roth erklärte, es reiche nicht aus, wenn Kanzlerin Merkel eine Finanztransaktionssteuer persönlich für richtig halte. Nun müsse die gesamte Regierung dies mittragen. "Frau Merkel braucht die Opposition", so Roth.

Forderung nach Börsensteuer bringt Merkel in Verlegenheit

Angela Merkel hatte sich bisher offen für den französischen Vorschlag einer Finanztransaktionssteuer auf Ebene der Euro-Staaten gezeigt, aber auf den Widerstand des liberalen Koalitonspartners verwiesen. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle wies die Vorstöße der Opposition denn auch prompt zurück. Die Steuer auf Börsengeschäfte sei "eine Pseudolösung", weil sie am Ende von den Bankkunden bezahlt werden müsse, sagte Brüderle im Deutschlandfunk. Die Liberalen seien dafür, den Finanzmarkt zu ordnen. "Es darf aber nicht eine Wettbewerbsverzerrung sein, dass man das nur in Teilen Europas macht, und London lacht sich kaputt." Großbritannien hat sich bisher strikt gegen eine Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene gesperrt.

Die Frage ist allerdings, welche Druckmittel SPD und Grüne in der Hand haben. Wenige, meint FDP-Generalsekretär Pattrick Döring. Er bezeichnete es nach einer Sitzung seiner Parteiführung am Montag als unvorstellbar, dass SPD und Grüne aus parteitaktischen Erwägungen dem Fiskalpakt von 25 europäischen Staaten nicht zustimmen. "Wer so handelt, handelt verantwortungslos." Regierungssprecher Steffen Seibert deutete indessen bereits die Bereitschaft zu Zugeständnissen an. Die Bundesregierung sei zuversichtlich, dass sie die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen wird, sagte Seibert. "Wenn es dazu notwendig ist, Gespräche zu führen, wird sich die Bundesregierung wie in der Vergangenheit auf diese Gespräche freuen." Die Regierung hat die Opposition bisher bei allen Schritten zur Überwindung der Euro-Schuldenkrise eingebunden und bei Abstimmungen im Parlament die Zustimmung der meisten SPD- und Grünen-Abgeordneten bekommen.

Striktes Nein nur von der Linken
Die Linkspartei lehnt als einzige Fraktion im Bundestag den Fiskalpakt rundweg ab. Parteichef Klaus Ernst bezeichnete ihn als "Mechanismus zum Abbau von Demokratie und Sozialstaat in Europa". Sarah Wagenknecht vom kommunistischen Parteiflügel erklärte an die Sozialdemokraten gerichtet, würden diese ihre eigene Kritik ernst nehmen, müssten sie dem Fiskalpakt die Zustimmung verweigern. "Eine vereinte Opposition könnte und müsste verhindern, dass Europa kaputt gespart wird und die Lasten der Krise auf Beschäftigte, Arbeitslose und Rentner abgewälzt werden", sagte Vize-Parteichefin Wagenknecht.

Sarah Wagenknecht am REdnerpult
Kompromisslos: Sarah Wagenknecht und ihre LinksparteiBild: dapd

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Nina Werkhäuser