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Oppositionelle im Iran hingerichtet

12. Mai 2010

Im Iran gab es wieder Hinrichtungen von sogenannten "Staats- und Religionsfeinden". Fünf kurdische Aktivisten wurden im Teheraner Evin-Gefängnis gehängt, weder sie noch die Angehörigen waren zuvor informiert worden.

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Demonstration in Frankfurt (Foto: ap)
Die Hinrichtung der Oppositionellen stößt weltweit auf KritikBild: DW

Bei den fünf Hingerichteten handelte es sich um Mitglieder einer iranisch-kurdischen Separatistenorganisation, wie iranische und westliche Medien berichten. Das ihnen nach islamischer Rechtsordnung zur Last gelegte Delikt lautet "Moharebeh", ein Begriff, der allgemein "Verbrechen gegen den Staat und gegen den Islam" umfasst. Konkret wurden ihnen Bombenanschläge auf staatliche Einrichtungen zur Last gelegt. Im Einzelnen handelt es sich bei den Hingerichteten um Schirin Elamholi, ihren Bruder Farsad Kamangar, Ali Heidarian, Farhad Wakili und Mahdi Islamian. Die fünf waren bereits 2008 zum Tode verurteilt worden. Die Todesurteile wurden laut amtlichen Medien am Sonntagmorgen (09.05.2010) im Teheraner Evin-Gefängnis vollstreckt.

Überraschende Hinrichtung

Hand einer Demonstrantin, grüne Flagge (Foto: ap)
Nach den Wahlen demonstrierten tausende OppositionelleBild: AP

Elamholi wurde beschuldigt, einen Sprengsatz unter einem Fahrzeug der Revolutionsgarde angebracht zu haben. Der iranischen Nachrichtenagentur IRNA zufolge gehörte Farhad Wakili der Organisation PEJAK an, die als iranischer Flügel der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) gilt. Während des Prozesses bestritt er diese Anschuldigung nachdrücklich. Deshalb kam seine Hinrichtung für seine Familie überraschend. "Sie haben uns überhaupt nicht Bescheid gegeben, weder uns noch seinem Anwalt", berichtet seine Schwester. "Er selbst wusste auch nichts davon. Am Samstag rief er uns noch an, einen Tag vorher. Aber von einer Hinrichtung hat er nicht gesprochen."

Geschockte Angehörige

Demonstration (Foto: ap)
Auch in Frankfurt demonstrierten zahlreiche Menschen gegen die HinrichtungenBild: DW

Auch der Bruder von Ali Heidarian war von der Nachricht geschockt, dass sein engster Verwandter im Evin-Gefängnis durch den Strang hingerichtet wurde. Auch er hatte noch am Samstag mit seinem Bruder telefoniert, von einer Hinrichtung war keine Rede. "Damit war auch nicht zu rechnen. Es hieß, dass seine Strafe vermindert werden sollte", sagt der Bruder. Die Sicherheitspolizei und die Staatsanwaltschaft hätten versichert, die Familie über den Verlauf des Verfahrens zu informieren. "Das haben sie aber nicht getan", klagt der Bruder. "Stattdessen haben sie die Hinrichtung einfach durchgeführt, ohne uns etwas mitzuteilen oder seinem Anwalt Bescheid zu geben."

Schüler trauern um toten Lehrer

Auch den Schülern des 32-jährigen kurdischen Lehrers Farsad Kamangar fällt es schwer, die bittere Nachricht von seiner Hinrichtung zu akzeptieren. "Als die Schüler von Farsad diese Nachricht hörten, waren sie so bestürzt, dass alle aufgeregt zu seiner Mutter rannten", erzählt seine Schwester. "Erst dadurch erfuhr Farsads Mutter von der Hinrichtung ihres Sohnes. Die Schüler warten immer noch auf Farsad." Farsad Kamangar wurde vorgeworfen, Mitglied der PKK zu sein - was im Iran nicht bedeutet, dass dies auch zutrifft.

Serie von Hinrichtungen

Die Tötung der fünf Männer reiht sich ein in eine Serie von Hinrichtungen, mit der das iranische Regime versucht, nach den Massenprotesten gegen die umstrittene Wiederwahl Ahmadineschads Härte gegen sogenannte Staats- und Religionsfeinde zu demonstrieren. Der 28-jährige Kurde Ehsan Fattahian war der erste, er wurde im Juli 2008 verhaftet und im November 2009 hingerichtet. Im Januar dieses Jahres wurden Mohammad Resa Ali Samani und Arasch Rahmanipur gehängt. Sie galten als "Feinde Gottes" und waren ebenfalls wegen der Zugehörigkeit zu bewaffneten Oppositionsgruppen und wegen versuchten Umsturzes zum Tode verurteilt worden.

Trauerfeier verboten

Menschen vor Evin-Gefängnis (Foto: Archiv/ap)
Die Angehörigen warten vor dem Evin-Gefängnis

Die Angehörigen der jetzt Hingerichteten dürfen im Moment keine Trauerfeier abhalten. Die Revolutionswächter geben die Leichen noch nicht heraus, weil sie in der Provinz Kurdistan Massendemonstrationen gegen das Regime fürchten. Shirin Kamangar wartet vor dem Evin-Gefängnis darauf, dass man ihr die sterblichen Überreste ihres Bruders übergibt: "Wir sind etwa zehn Familien, die hier versuchen, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Leichname nach Kurdistan überführen zu dürfen", sagt sie. "Die Chance, dass es klappt, steht 50 zu 50. Man hat uns gesagt, wenn die Situation ruhig wäre, könnte man sich zu unseren Gunsten entscheiden."

Aufstände erwartet

Polizei schlägt Demonstranten (Foto: ap)
Demonstrationen wurden auch in der Vergangenheit blutig niedergeschlagenBild: AP

Denn die iranischen Sicherheitskräfte sind vorgewarnt. Nach der Hinrichtung von Ehsan Fattahian im November 2009 herrschte in der Hauptstadt der Provinz Kurdistan, Sanandadsch, einige Zeit Ausnahmezustand. Die Demonstrationen dort wurden von der Staatsmacht brutal niedergeschlagen. Auch jetzt sind die Sicherheitskräfte in Bereitschaft: "Im Moment sind sie in vielen Städten unterwegs. Sie sind einsatzbereit, um jeden Aufstand mit allen Mitteln zu bekämpfen", sagt der kurdische Menschenrechtler Masoud Kordpour.

Seiner Einschätzung nach droht noch mindestens 18 weiteren Oppositionsanhängern die Todesstrafe durch den Strang. "Sie alle wurden bereits zum Tode verurteilt. Jetzt sitzen sie im Evin-Gefängnis oder in den Kerkern der Städte Sanandadsch, Saghez oder Oroumieh - und warten."

Autorin: Fahime Farsaie

Redaktion: Anna Kuhn-Osius