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Oppositionsbewegungen in den GUS-Staaten

6. Oktober 2005

Georgien, Ukraine, Kirgisistan. Der Reihe nach kippten autoritäre Regime unter dem Druck friedlicher Revolutionen. In Moldova und Aserbaidschan blieb die Wende bislang aus. Fokus Ost-Südost blickt auf einige GUS-Staaten.

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Proteste vor den Parlamentswahlen im März 2005 in MoldovaBild: AP

Entspannt sitzen die Menschen auf Bänken im Park der moldauischen Hauptstadt Chisinau. Auf der Bühne vor dem Präsidentenpalast springen Tänzer im Kreis, schlagen Räder, fassen sich an den Händen, drehen sich, immer schneller. Angel Agache und Michail Skakun beobachten das bunte Treiben aus der Distanz. Angel Agache, 29 Jahre alt, ist promovierter Ökonom. Dort, wo die Bühne steht, protestierten im vergangenen Frühjahr Studenten gegen Benachteiligungen bei der anstehenden Parlamentswahl. Sie sollten nicht am Studienort wählen, sondern in ihren Heimatort fahren, um dort ihre Stimme abzugeben.

Einfluss der Kommunisten

Für viele war das eine kostspielige und aufwändige Hürde. Am ersten Tag kamen mehr als Tausend Studenten zu den Protesten, bald danach nur noch einige Hundert, zum Schluss stand nur noch ein kleines Grüppchen vor dem ausladenden grauen Regierungsgebäude. Den Studenten war von den Dozenten gesagt worden, sie dürften keinesfalls die Vorlesungen versäumen. Die Studenten gehorchten, die Proteste verliefen im Sand.

Angel Agache war einer von ihnen: "Man muss nicht unbedingt eine orangefarbene oder eine Rosenrevolution machen, um einen Machtwechsel herbeizuführen. Das hätte nur zu Unruhen in Chisinau und in ganz Moldova geführt. Am Wahltag hatten wir die Erlaubnis, Kundgebungen und Proteste gegen die Regierung durchzuführen. An diesem Tag wäre die Mehrheit der Leute also auf den zentralen Platz in Chisinau gekommen und hätte an den Protesten teilgenommen. Aber die Kommunisten hatten vorsichtshalber in jedem Bezirk einige Hundert Leute rekrutiert. Die wären an diesem Tag nach Chisinau zu der Kundgebung gekommen und die hätten uns unterwandert. Die Kommunisten haben Geld und die Verwaltung hinter sich, sogar die Meinungsforschungsinstitute. Mit denen wollten wir es nicht aufnehmen."

Voronin war klüger als mancher Amtskollege

Zudem war der moldauische Präsident Vladimir Voronin klüger als seine Amtskollegen in der Ukraine und in Georgien. Das Schicksal der dortigen Machthaber vor Augen, sorgte er für weitgehend ordnungsgemäße Wahlen. Der Anlass für Massenproteste fiel damit weg. Staatspräsident Woronin ist zugleich Vorsitzender der regierenden Kommunistischen Partei. Rechtzeitig vor der Wahl hatte er auf einmal Reformen befürwortet, Russland den Rücken gekehrt und für eine Annäherung Moldovas an Westeuropa plädiert. Die Kommunisten wurden mit 46,1 Prozent wieder gewählt - ganz ohne Wahlfälschungen.

Unternehmer gründen Jugendforum

Die Oppositionsbewegungen brauchen Geld. Kleine und mittlere Unternehmer, deren Geschäfte unter dem korrupten System leiden, sind ihre natürlichen Verbündeten. Michail Skakun ist Kleinunternehmer. Der 46jährige handelt mit Saatgut: "Wenn ich reich wäre, würde ich den jungen Leuten noch mehr Geld geben. Leider laufen meine Geschäfte nicht besonders. Wir Unternehmer müssen diese Jugendorganisation unterstützen, denn wir wollen, dass uns neue Leute regieren." Präsident Woronin sei kein Reformer, beteuert Skakun. Doch selbst die Oppositionellen, die vor der Wahl gegen die regierenden Kommunisten waren, haben den Präsidenten nach der Wahl im Amt bestätigt.

Angel Agache und Michail Skakun haben nach der Parlamentswahl im Frühjahr das Jugendforum Neues Moldova gegründet. Aus dem Forum soll nun auch eine Partei werden. Junge, unverbrauchte Eliten sollen Schwung in die Parteienlandschaft bringen und so den Wechsel herbeiführen. Angel Agache wurde zum Präsidenten gewählt, Skakun zum stellvertretenden Vorsitzenden der Jugendorganisation. In Moldova setzt man auf Funktionen und hergebrachte Strukturen.

"Revolution nicht der geeignete Weg"

Oleg Tulea ist 25 Jahre alt und leitet die Jugendorganisation der oppositionellen Demokratischen Partei Moldovas. Seit den Wahlen im Frühjahr sitzt er im Parlament. Vor der Wahl hätten sie kurz darüber diskutiert, so etwas wie die ukrainische Bewegung Pora zu gründen, erzählt der Nachwuchspolitiker. Dann hätten sie aber davon abgesehen: "Nehmen wir zum Beispiel die Ukraine. Natürlich kann ein Einzelner, Juschtschenko, nicht das ganze System verändern. Wenn du systematische Veränderungen in einem Land willst, dann musst du systematisch vorgehen. Ich glaube, eine Revolution ist dafür nicht der geeignete Weg."

Thomas Franke
DW-RADIO, 5.10.2005, Fokus Ost-Südost