1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Osamas Bett gegen Bushs Lieblingslokal

20. Oktober 2004

Die Feuilletons sind mit Sicherheit wieder erbost, denn die Nominierungen für den britischen Turner Preis werden heute bekanntgegeben. Diesmal sind allerlei Videos dabei - unter anderem von Osama bin Ladens Bett.

https://p.dw.com/p/5jKR
Turner-Preis-verdächtig: Bin Ladens Haus als Computer-AnimationBild: presse

Der Turner Preis ist der renommierteste britische Kunstpreis – und traditionell werden die Werke der Kandidaten in der Londoner Tate Britain ausgestellt. Ebenso traditionell ist, dass diese Werke dann Kulturkritikern und Klatschpresse sauer aufstoßen. Das wird auch 2004 wieder so sein: Ab 20. Oktober 2004 können Tate-Gäste einen Blick in "Das Haus von Osama bin Laden" werfen.

Langlands & Bell: Bilder aus Afghanistan

Turner Preis. Ben Langlands und Nikki Bell
'Frozen Sky' von Ben Langlands und Nikki BellBild: AP

Das "Haus von Osama" verdanken die Kunstliebhaber Ben Langlands und Nikki Bell. Die beiden Künstler mit einem ausgesprochenen Interesse an Gebäuden waren in Afghanistan – und da eben in dem Haus, in dem Osama bin Laden in den 1990er Jahren gewohnt haben soll.

Sie filmten die "letzte offizielle Adresse" des Terror-Führers und bauten das Haus am Computer nach. Jetzt können Besucher mit dem Joystick virtuell hindurchspazieren. Außerdem zeigen "Langlands & Bell" Bilder von Bin Ladens Bett, einer schmalen Pritsche.

Jeremy Deller: Allerlei aus Texas

Turner Preis: Jeremy Deller
Ein Besucher vor Jeremy Dellers Werk 'Memory Bucket'Bild: AP

Auch Jeremy Deller hat gefilmt. Und zwar während seiner Reise durch Texas im Jahr 2003. Für "Memory Bucket" hat Deller nicht nur schöne Landschaft aufgenommen, sondern auch sein Treffen mit einem Überlebenden der Tragödie von Waco - damals (genauer: 1993) wurde eine Ranch der Davidianer-Sekte von der Polizei gestürmt und angezündet.

Außerdem hat der 38-jährige Künstler das Lieblingslokal von George Bush besucht und anderswo dabei zugesehen, wie bei Sonnenuntergang drei Millionen Fledermäuse aus einer Höhle flatterten.

Kutlug Ataman: Portraits mit Tiefgang

Turner Preis: Kutlug Aataman
Eine Besucherin geht an Kutlug Atamans Videoinstallation 'Twelve'Bild: AP

Der dritte Preiskandidat ist Kutlug Ataman: Er steht für verschiedene Beiträge aus den Jahren 2003 und 2004 auf der Nominiertenliste. Zum Beispiel für seinen Film "The Four Seasons of Veronica Read". Das Werk zeigt die fast schon erotische Beziehung einer Blumenliebhaberin zur Amaryllis.

Der Videokünstler Ataman (43) lebt in London, Barcelona und seiner Geburtsstadt Istanbul. Intime Portraits von Menschen sind seine Spezialität. Für sein neuestes Werk "Twelve" hat er im Südosten der Türkei sechs Menschen interviewt – zu ihren Erfahrungen mit der Wiedergeburt. Dabei verwirrt er aber die Zuschauer mit Zeitsprüngen, um zu zeigen, dass Sprache ihre Grenzen hat.

Yinka Shonibare: Batik als Stoff für Klischees

Turner Preis: Yinka Shonibare
'The Swing (after Fragonard)' von Yinka ShonibareBild: AP

Yinka Shonibare hat es eher auf kulturelle Stereotypen abgesehen. Der aus Nigeria stammende Künstler verwendet typisch afrikanische Stoffe und macht sich einen Spaß daraus, mit seinen Werken Klischees zu unterlaufen.

So hat der 42-Jährige für seine Installation "The Swing" ein Gemälde des französischen Künstlers Fragonard als Basis genommen, das Kleid der Frau darin aber mit Batikstoff gestaltet. Der gilt als typische afrikanisch – stammt aber in Wirklichkeit aus Indonesien.

Darüber hinaus wird Shonibare in London seinen ersten Film präsentieren. "Der Maskenball" handelt von einem Anschlag auf den schwedischen König Gustaf III im Jahr 1792.

Dotiert mit 40.000 Pfund

Wer von den vier Nominierten den Turner Preis tatsächlich erhält, wird am 6. Dezember 2004 bekannt gegeben. Der Gewinner bekommt diesmal 25.000, die drei anderen je 5.000 Pfund (etwa 38.000 bzw. 7500 Euro). In der Jury sitzen unter anderem Catherine David, die Leiterin des Rotterdamer Zentrums für Zeitgenössische Kunst Witte de With, sowie Adrian Searle, Chef-Kunstkritiker für den "Guardian", und Nicholas Serota, Direktor der Londoner Tate Gallery. Das Preisgeld zahlt übrigens ein britischer Gin-Hersteller. (reh)