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Osten weiter schwächer als Westen

Rachel Gessat26. September 2012

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich stellte in Berlin den Bericht zum Stand der Deutschen Einheit vor. Vor allem der demografische Wandel macht dem Osten Deutschlands schwer zu schaffen.

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Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich bei der Vorstellung des Berichts zum Stand der Deutschen Einheit (Foto: dapd)
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich Bericht zum Stand der Deutschen EinheitBild: dapd

Die positiven Ergebnisse des jährlich erstellten Berichtes verkündete Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zuerst: "Die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern ist erfreulicherweise weiter deutlich gesunken und erreichte im Sommer 2012 den niedrigsten Stand seit der deutschen Wiedervereinigung."

Im August 2012 lag die Zahl der arbeitslosen Menschen in Ostdeutschland bei rund 869.000, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 10,3 Prozent. Allerdings lag die Quote im gleichen Zeitraum in Westdeutschland bei nur sechs Prozent.

So seien die strukturellen Defizite in den neuen Bundesländern auch nach mehr als zwei Jahrzehnten noch immer nicht beseitigt, räumte der Minister bei der Vorstellung des Berichts ein. Während in vielen Bereichen, wie etwa der Bildung oder der Gesundheit, keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen West und Ost feststellbar seien, blieben im wirtschaftlichen Bereich Ungleichheiten bestehen.

Wirtschaftskraft des Ostens weiter gering

Im Vergleich der wirtschaftlichen Leistung fiel der Osten im vergangenen Jahr sogar wieder leicht zurück. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner lag 2011 im Osten bei 71 Prozent des westdeutschen Niveaus. 2010 waren es noch etwa 73 Prozent gewesen.

Menschen stehen Schlange vor einer Jobagentur (Foto: dpa)
Die Arbeitslosigkeit ist im Osten immer noch deutlich höher als im WestenBild: dpa

"Die Lücke wird nicht größer", widersprach Hans-Peter Friedrich eine dementsprechende Deutung der Zahlen. Die Zahlen seien "Momentaufnahmen" und deuteten keine Schwächung der ostdeutschen Wirtschaft an.

Die strukturellen Probleme jedoch blieben: "Betrachtet man die Produktivität, so erreicht die ostdeutsche Wirtschaft im Durchschnitt rund 79 Prozent des Niveaus der westdeutschen Wirtschaft", heißt es in dem Bericht, der auch gleich die Gründe dafür angibt: Die Betriebe seien im Osten zumeist kleiner als im Westen. Große Betriebe hätten in den neuen Bundesländern nur Produktionszweigstellen, während der Vertrieb, die Entwicklung und die Forschung im Westen verblieben.

Förderung soll weiter gehen

Trotz des massiven Einbruchs, den gerade die ostdeutsche Solarbranche im vergangenen Jahr hinnehmen musste, setzt man in der Bundesregierung weiter auf die Förderung von ostdeutschen Industrien aus dem Sektor der Erneuerbaren Energien und verweist darauf, dass rund 40 Prozent der Windenergie in Ostdeutschland produziert werden.

Solarzellen (Foto: agenda/Huppertz)
Der ostdeutsche Solarhersteller Q-Cells musste Insolvenz anmeldenBild: Q-Cells

Die Innovationskraft und die Exportfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft zu stärken, darin sehe die Bundesregierung ihre Hauptaufgabe und dazu habe sie auch verschiedene Förderungsprogramme auf den Weg gebracht, sagte der Innenminister.

Demografischer Wandel als zentrale Herausforderung

Ein weiteres Schwerpunktthema des diesjährigen Berichts ist neben der Wirtschaftskraft auch die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur in den neuen Bundesländern. Hier könne der Westen vom Osten lernen, sagte der Bundesinnenminister. "Der demografische Wandel setzte im Osten viel früher und viel tiefgreifender ein als in jeder anderen europäischen Region."

Denn die Menschen, die vor mehr als zwanzig Jahren nach der Wiedervereinigung in den Westen gezogen seien, fehlten jetzt auch als Eltern im Osten. "Nach Berechnungen der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder wird die Zahl der 15- bis unter 25-Jährigen gegenüber 2008 in den neuen Ländern bis 2015 um fast 40 Prozent schrumpfen."

Deswegen wolle er in Brüssel dafür werben, dass die EU-Fördermittel für die neuen Bundesländer auch nach 2013 zumindest zu zwei Dritteln erhalten blieben, so Friedrich.

Die Bundesregierung habe darüber hinaus eine Demografiestrategie entwickelt: "Jedes Alter zählt". Ziel soll sein, "jedem Einzelnen entsprechend seiner Lebenssituation und seines Alters die Chance zu geben, seine Fähigkeiten zu entwickeln, die Wachstumsdynamik, Innovationskraft und den Wohlstand zu erhalten und den Zusammenhalt in unserem Land zu bewahren."

Senioren sitzen auf einer Parkbank (Foto: Fotolia)
In Zukunft werden noch mehr Senioren noch weniger Kindern gegenüberstehenBild: Fotolia/dresden

Die Bevölkerung in Ostdeutschland wird schrumpfen

Für die Zukunft rechnet man - trotz der heutigen hohen Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern - mit einem deutlichen Fachkräftemangel in manchen Branchen. Gegensteuern will man durch Förderprogramme bei der Ausbildung von Jugendlichen, die verstärkte Anwerbung von Frauen und älteren Arbeitnehmern.

Als "große Herausforderung" bezeichnet der Bericht die Aufgabe, für eine deutlich schrumpfende und älter werdende Bevölkerung auch in den ländlichen Gebieten "eine angemessene Grundversorgung mit öffentlichen Angeboten der Daseinsvorsorge sowie deren Erreichbarkeit" sicherzustellen.

Zum ersten Mal wurde der Bericht zum Stand der Deutschen Einheit ausschließlich im Bundesinnenministerium erstellt und nicht aus Berichten der unterschiedlichen Ministerien zusammengestellt. Neu war in diesem Jahr auch die Konzentration auf die Punkte Wirtschaftskraft und demografischer Wandel. Andere Themen wie Infrastruktur, Umweltschutz oder Kriminalität wurden diesmal nicht berücksichtigt.