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Osteuropas Börsen schwanken

Martin Schrader8. April 2005

Anleger, die ihr Glück in Osteuropa suchen, brauchen gute Nerven. Hohen Kursgewinnen folgen dort heftige Rückschläge, wie der Monat März gezeigt hat. Der jüngste Schock dürfte jedoch überwunden sein.

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Moskaus Börsianer hoffen auf neue KursgewinneBild: AP

"Für uns als Anleger ist das schön", sagt Frank Geilfuß, Aktienmarkt-Experte vom Berliner Bankhaus Löbbecke, "weil wir wieder mit gutem Gewissen empfehlen können, auf lange Sicht Zertifikate oder Fonds zu kaufen - vor sechs bis acht Wochen wäre das ein wenig teurer gewesen." An nahezu allen Finanzplätzen Osteuropas, von Prag über Budapest und Warschau bis nach Moskau, waren die maßgeblichen Börsen-Indizes im März rapide abgesackt.

Verluste von mehr als einem Zehntel trafen Investoren, die dort zuvor an hohe Gewinnzuwächse gewöhnt waren, hart. In Budapest sackte der Bux-Index innerhalb von drei Wochen von 18.673 Zählern auf 16.608. Der Prager PX50 rutschte in der gleichen Zeit von 1262 auf 1117 Zähler. Und der Warschauer WIG20 sank am 21. März auf 26.411 Punkte von 28.227 am Monatsanfang.

Gesenkte Erwartungen

"Wir haben dort Gewinnmitnahmen gesehen, weil weltweit die Wachstumserwartungen revidiert wurden", begründet Geilfuß die Rückgänge. Volkswirte gehen nach seinen Worten mittlerweile davon aus, dass die Weltwirtschaft nicht so stark wachsen werde wie Ende 2004 erwartet. "Sie haben ja die Zahlen für Deutschland gesehen, wo es inzwischen nicht mehr um 2 Prozent geht, sondern man sich streitet, ob es 0,8 oder 1,2 Prozent Wachstum sein werden."

Diese gesenkten Erwartungen träfen auch die osteuropäischen Länder: "Wenn in Westeuropa und den USA geringeres Wachstum erwartet wird, dann strahlt das auf Osteuropa aus, weil die davon leben, dass sie ihre Rohstoffe oder Billig-Produkte in diesen Märkten absetzen." Geilfuß hält die Kursverluste an den osteuropäischen Börsen jedoch für übertrieben. Zumal die Binnenmärkte und die Kaufkraft in diesen Ländern so gefestigt seien, dass es dort zu keinen dramatischeren Verlusten kommen sollte.

Potential

Zu den Favoriten des Berliner Aktien-Strategen gehören in Osteuropa die Börsen in Polen, Tschechien und Ungarn. "Für mich sind da die Hausaufgaben eher gemacht worden als in den südosteuropäischen Ländern." Damit spielt er auf politische Rahmenbedingungen an, also zum Beispiel verlässliche Steuergesetze und Fortschritte bei der Privatisierung von Unternehmen, aber auch einheitliche Rechnungslegung, damit börsennotierte Unternehmen überprüfbar und vergleichbar werden. In Südosteuropa traut Geilfuß allein dem türkischen Aktienmarkt Potential zu - "wenn man die mit dazu zählen will", wie er sagt. "Die Istanbuler Börse profitiert am ehesten von der Perspektive einer Euro-Mitgliedschaft in ferner Zukunft."

Bei EU-Nachzüglern wie Kroatien, Bulgarien und Rumänien lässt sich nach Ansicht des Börsen-Experten keine einheitliche Einschätzung geben. Hier müsse man genau auf das jeweilige innenpolitische Umfeld der Unternehmen achten. Wenn Investoren befürchten müssen, dass es dort zu Steuer-Attacken kommen könnte, wie im Fall Yukos in Russland (siehe Link am Ende des Artikels), zeige sich, warum Investoren oft mit einem scheuen Reh verglichen würden: "Sie fürchten um ihr Kapital und gehen nicht hinein in dieses Land."

Finger weg

Geilfuß gibt Privatanlegern deshalb zwei Warnungen mit auf den Weg. Das Beispiel Ukraine zeige derzeit, dass nicht hinter jedem Kursgewinn an einer osteuropäischen Börse eine gute Wirtschaftsentwicklung stehen müsse. Denn dort basierten die Kursgewinne nur auf Hoffnungen, die mit der Regierungsübernahme durch Viktor Juschtschenko verknüpft seien - zu wenig für eine solide Investition. Vor allem aber seien diese Märkte für private Anleger nach wie vor zu unübersichtlich, die "Gefahr in die Negativen hineinzukommen, ist viel zu groß". Er würde darum eher zu einem Osteuropa-Fonds oder zu Index-Zertifikaten raten. "Als Beimischung in einem vernünftigen Depot", zieht Geilfuß sein Fazit, "sollte man immer mit drei bis fünf Prozent in Osteuropa dabei sein."