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Teures Zuhause im Krisengebiet

Judith Raupp14. Januar 2016

Wohnen in den sicheren Vierteln von Goma im Ostkongo ist teuer - das können sich oft nur ausländische Entwicklungshelfer leisten. Die Mehrheit der Bevölkerung aber lebt in einfachen Holzhütten und: in ständiger Angst.

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Neubaugebiet in Goma (Foto: Judith Raupp/DW)
Für die meisten Bewohner von Goma unbezahlbar: ein Haus am KivuseeBild: DW/J. Raupp

An jenen Abend im August erinnert sich der PR-Berater Jean Claude Wenga noch immer mit Schrecken. Er kam spät von der Arbeit nach Hause. Diebe versperrten den Weg und stießen ihm die Kalaschnikow in die Rippen. Zwar kam der 26 Jahre alte Kongolese mit dem Leben davon - aber er verlor alles, was er für seinen Job braucht. "Sie haben mir meinen Computer mit wichtigen Daten gestohlen und gedroht, mich zu erschießen". Es war schon der zweite Überfall innerhalb einiger Wochen. Da wollte Wenga nur noch weg aus Gomas Elendsviertel Katindo. Doch wohin sollte er gehen?

Die meisten Einwohner der Millionenstadt Goma im unruhigen Osten der Demokratischen Republik Kongo können sich Wohnungen in sicheren Stadtteilen nicht leisten. Die Bevölkerung im Ostkongo ist arm. Jahrzehnte der Gewalt haben die Region ins Chaos gestürzt. Die Wirtschaft liegt am Boden. Kaum jemand findet regelmäßig bezahlte Arbeit.

Die Stadt wächst und wächst

Eine Folge der Krise sind steigende Mieten in Goma. Immer mehr Menschen drängen in die Provinzhauptstadt. Innerhalb von 20 Jahren hat sich die Zahl der Einwohner auf etwa eine Million verdoppelt. Bauern fliehen aus den Dörfern vor Milizen und suchen Schutz in Goma. Außerdem sind tausende Entwicklungshelfer und die Mitarbeiter der weltgrößten Friedensmission der Vereinten Nationen (MONUSCO) in die Stadt gekommen.

Susanne Kahambu Mawaso (Foto: Judith Raupp/DW)
Macht Kasse: Vermieterin Susanne Kahambu MawasoBild: DW/J. Raupp

Vermieter wie Susanne Mawaso Kuhambu freut das. Die Geschäftsfrau verwaltet die Immobilien ihres Mannes. Oft und gerne vermietet sie an einheimische und ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, denn die verdienen gut. Für eine mittelmäßig ausgestattete Vier-Zimmer-Wohnung an einer lauten Straße zum Beispiel kann Kuhambu 2500 Dollar verlangen.

4500 Dollar Miete für drei Zimmer am See

Die Profiteure des angespannten Mietmarktes sind kongolesische Politiker, Offiziere oder Geschäftsleute. Sie haben das Geld, um Häuser zu bauen. Besonders viel verdient, wer eine Immobilie am Ufer des Kivusees vermietet. Ein Haus mit drei Zimmern kann dort mit 4500 Dollar zu Buche schlagen. Ungeziefer, undichte Fenster und Türen sowie ständige Reparaturen muss der Mieter in Kauf nehmen.

Viele akzeptieren das. Die Lage am See entschädigt sie für den maroden Zustand ihrer Bleibe. "Das fühlt sich an hier wie in einer Ferienwohnung. Wir haben sogar Hausangestellte, die für uns kochen und putzen", erzählt ein schwedischer Entwicklungshelfer, der seinen Namen lieber nicht nennen will. Es ist ihm und seiner Freundin peinlich, wie bequem sie im Vergleich zu den meisten Kongolesen leben.

Häuser am See Goma (Foto: Judith Raupp/DW)
Wohnen am Kivusee: beliebt bei Entwicklungshelfern mit gutem GehaltBild: DW/J. Raupp

Illegale Siedlungen werden abgerissen

PR-Berater Wenga findet die große Diskrepanz zwischen Reich und Arm auf dem Wohnungsmarkt ungerecht. Monatelang hat er unter Bekannten herumgefragt, bis er eine erschwingliche Holzhütte in einem einigermaßen sicheren Viertel fand. 65 Dollar Miete, etwa die Hälfte seines Lohns, bezahlt er dafür. Ob Streit oder Liebe, er hört jeden Muckser von nebenan. Die Latrine und das Waschbecken im Hof teilt er mit einem Dutzend Nachbarn. "Manchmal haben wir eine Woche lang keinen Strom und kein fließendes Wasser", schimpft er.

Dabei geht es ihm im Vergleich zu anderen gut. Der arbeitslose Mechaniker Ruhanda Gaza zum Beispiel ist obdachlos. Er hatte vor 20 Jahren in der sogenannten "neutralen Zone", an der Grenze zu Ruanda, eine Hütte gebaut. Niemand hatte ihm damals gesagt, dass das verboten ist. Doch jetzt setzt die Stadt das Gesetz in die Tat um. "Sie haben alle Häuser niedergerissen", erzählt er. Seine zwölf Kinder hat Gaza bei Freunden und Verwandten untergebracht. Er selbst muss jeden Abend einen Schlafplatz bei Bekannten suchen. In letzter Zeit aber hat er viel Pech: "Ich schlafe schon seit drei Wochen unter freiem Himmel."

Leben in ständiger Angst

Um Wohnungen für Arme kümmert sich in Goma kaum jemand. Städteplanung oder sozialer Wohnungsbau existieren nicht. So leben viele in ständiger Angst, ihr Zuhause zu verlieren.

Anicet Kasereka aus Goma (Foto: Judith Raupp/DW)
Weiß nicht, wie er die nächste Miete zahlen soll: Anicet Kasereka aus GomaBild: DW/J. Raupp

Sorgen hat auch der 45 Jahre alte Schreiner Anicet Kasereka. Er lebt mit acht Kindern in der Holzhütte seines Vaters. Seine Frau hat ihn verlassen, als er vor fünf Jahren seinen Job bei einer Hilfsorganisation verlor. Aber kürzlich ist der Fortschritt vor seine Hütte gezogen: Die Stadtverwaltung hat die Straße teeren lassen. Zuerst hatte sich Kasereka gefreut. Endlich mussten seine Kinder keinen Staub mehr schlucken. Doch dann kam der Schock: Die Stadt wünscht, dass entlang der geteerten Straßen nur noch Steinhäuser stehen. "Für ein Haus mit drei Schlafzimmern und einem Wohnzimmer, wo ich mit den Kindern leben kann, bräuchte ich mehrere Tausend Dollar. Ich habe das Geld nicht", klagt Kasereka. Er fürchtet, dass er vertrieben werden könnte. Dann stünde er mit den Kindern auf der Straße. Kasereka kann sich nicht einmal die 20 Dollar Miete für eine Holzhütte im Elendsviertel leisten.