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Ostseepipeline: Erneut heftige Kritik aus Polen

4. Mai 2006

Der polnische Verteidigungsminister hat das deutsch-russische Ostseepipeline-Abkommen mit dem Hitler-Stalin-Pakt verglichen. Berlin unterstütze Moskau beim Ausspielen seiner Macht als Energielieferant, so der Vorwurf.

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Die Arbeiten für das erste Teilstück der zukünftigen Ostsee-Gaspipeline von Russland nach Deutschland haben bereits begonnenBild: dpa

Die Entscheidung über den Bau der Erdgaspipeline durch die Ostsee in Umgehung Polens und der baltischen Staaten sei in seiner politischen Bedeutung mit dem Molotow-Ribbentropp-Pakt vergleichbar. Das erklärte vor wenigen Tagen der polnische Verteidigungsminister Radek Sikorski. Mit der Unterzeichnung dieses Abkommens unterstütze die deutsche Bundesregierung, so der Verteidigungsminister, den Kreml beim Ausspielen seiner Macht als Energielieferant. "Polen ist besonders empfindlich gegenüber Korridoren und Vereinbarungen über seinen Kopf hinweg", sagte Sikorski in Brüssel. "Das ist die Tradition von Locarno. Das ist die Molotow-Ribbentrop-Tradition. Das war das 20. Jahrhundert. Wir wollen keine Wiederholung davon", unterstrich er.

"Lackmus-Test für Beziehungen zu Deutschland"

Das Abkommen über das deutsch-russische Projekt wird seit dessen Unterzeichnung von der polnischen Regierung heftig kritisiert. Während seines letzten Besuchs in Berlin hatte der polnische Präsident Lech Kaczynski gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich gemacht, der Streit über die Pipeline und die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage werde künftig als Lackmus-Test für bessere Beziehungen zu Deutschland betrachtet.

Warschau hatte bereits mehrfach Deutschland aufgefordert, das Abkommen zu kündigen. Allerdings ist Berlin nur bereit, mit Polen über das Abkommen, nicht aber über die Entscheidung selbst, zu sprechen. Damit ist die polnische Seite unzufrieden. "Erst Entscheidungen zu treffen und dann Konsultationen anzubieten, ist nicht unsere Vorstellung von europäischer Solidarität", sagte Sikorski.

Polen sei darüber äußerst erstaunt, dass die deutsche Bundesregierung nicht im Interesse der deutschen Verbrauchter und des polnischen Staates handele. Sikorskis Angaben zufolge wird der Bau der Pipeline durch die Ostsee Deutschland sechs Milliarden Euro kosten. Der Bau einer Pipeline auf dem Festland, unter anderen auch durch Polen, wäre deutlich kostengünstiger, betonte der polnische Minister.

Schaden für europäische Außen- und Sicherheitspolitik?

Die Haltung Polens unterstützt EU-Energiekommissar Andris Piebalgs: "Wir hätten nie in eine solche Lage kommen dürfen, wie wir sie jetzt mit dieser Pipeline haben, dass nämlich ein Partnerland über ein Projekt entscheidet, das für andere nicht akzeptabel ist, und das, ohne dass überhaupt darüber diskutiert wurde."

Nach Ansicht des polnischen Verteidigungsministers untergrabe Berlin mit seiner Haltung die Basis für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Darüber hinaus sei die deutsche Bundesregierung auf diese Weise dem Kreml behilflich, seine geopolitischen Ziele zu erreichen. Eines der Ziele sei, Polen und Belarus von der Erdgasversorgung "abzuschneiden".

Tatjana Petrenko
DW-WORLD.DE/Russisch, 2.5.2006, Fokus Ost-Südost