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Militärisch nicht zu gewinnen

Thomas Bärthlein22. September 2008

Der Anschlag in Islamabad dürfte die pakistanische Regierung darin bestärken, die laufenden Militäroperationen gegen die Taliban fortzusetzen. Aber eigentlich müsste der Kampf zuerst politisch geführt werden.

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Bild: DW

Der schwere Selbstmordanschlag auf das Marriott-Hotel in Islamabad am Samstag (20.09.2008) ist so etwas wie die Spitze eines Eisberges. Wie prekär die Sicherheitslage in Pakistan geworden ist, zeigt sich noch deutlicher in den Stammesgebieten entlang der afghanischen Grenze, die zu großen Teilen längst von den Taliban kontrolliert werden.

Es gehört schon zu den gut eingeübten Ritualen im "Krieg gegen den Terrorismus", nach solchen massiven Anschlägen Härte und Entschlossenheit zu geloben. Aber was heißt das denn? Militärisch sind die Taliban und Al-Qaida in Nordwest-Pakistan genauso wenig zu besiegen, wie das den Koalitionstruppen in den vergangenen sieben Jahren in Afghanistan gelungen ist. Sicherheit vor Terrorismus schaffen die Militäroperationen erst recht nicht; im Gegenteil, in aller Regel häufen sich die Bombenanschläge als Reaktion nach Offensiven der Streitkräfte.

Militärhilfe ist ein einziges Desaster

Dieses Muster passt auch auf die aktuellen Ereignisse. Die USA haben in den vergangenen Wochen den Druck massiv erhöht in der Region. Offenbar hat Präsident George W. Bush die Truppen ermächtigt, ohne zu fragen von Afghanistan aus auf pakistanisches Territorium vorzustoßen.

Doch nach allem, was über die US-Operationen durchsickert, sind sie ein einziges Desaster. Aus Mangel an zuverlässigen nachrichtendienstlichen Erkenntnissen attackieren die USA und ebenso die pakistanische Armee häufig unpräzise und treffen unbeteiligte Zivilisten. Nach seriösen Schätzungen sind Hunderttausende vor den Kämpfen auf der Flucht. Wenn das kein Nährboden für neuen Terrorismus ist, was dann?

Taliban sind Landsleute

Das politische Umfeld in Pakistan ist zudem völlig ungeeignet für ein rein militärisches Vorgehen. Der Anti-Amerikanismus ist tief verwurzelt im Land und wächst eher noch. Viele, wahrscheinlich die Mehrheit der Pakistaner glauben, dass die USA im Namen des Anti-Terror-Kampfes in Wirklichkeit Krieg gegen die muslimische Welt führen. Viele pakistanische Soldaten sehen in den Taliban nicht ihre Feinde, sondern zu allererst Landsleute. Dass die Armee unter Ex-Präsident Musharraf den Anti-Terror-Kampf missbraucht hat, um sich zu bereichern, dass Hunderte Pakistaner ohne Gerichtsverfahren spurlos verschwanden und dass die Armee und die Geheimdienste in einem Doppelspiel auch immer wieder die Extremisten stützten - all das hat die Menschen zynisch gemacht, was die Terrorismusbekämpfung angeht.

Eigentlich wäre eine politische Alternativ-Strategie wahrscheinlich nicht so schwierig. Es ginge nicht um Nachgeben gegenüber den Taliban, sondern zunächst einmal darum, die Radikalen politisch zu isolieren. In Pakistan haben sie politisch keinen großen Zulauf, das haben alle Wahlen bisher gezeigt. Sie breiten sich nur dort aus, wo der Rechtsstaat kollabiert. Aber um ein breites Bündnis der demokratischen und gemäßigten Kräfte gegen die Extremisten zu bilden, müsste klar sein, dass die Terrorbekämpfung nicht ausländischen Regie-Anweisungen folgt, und dass sie mit rechtsstaatlichen Mitteln geführt wird.

Vertane Chance

Die Tragödie ist, dass die Chance dazu bestanden hat in diesem Jahr, als es nach den Parlamentswahlen eine Große Koalition in Pakistan gab. Aber der jetzige Präsident Asif Ali Zardari hat sie vergeben, als er sich weigerte, die unabhängige Justiz wieder einzusetzen und Nawaz Sharif damit aus der Koalition trieb.

Zardari ist kaum im Amt, da sehen viele Pakistaner ihn schon als bloße Marionette Washingtons, ähnlich wie seinen Vorgänger Musharraf - oder wie seinen afghanischen Amtskollegen Hamid Karzai, der als Ehrengast zur Vereidigung kam. Für den Kampf gegen Terror und Extremismus lässt das Schlimmes befürchten.