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Palästinenser öffnen "die Tore zur Hölle"

2. Dezember 2001

Terror an allen Fronten. Mit einer beispiellosen Serie von Selbstmordanschlägen in Haifa und Jerusalem haben palästinensische Extremisten am Wochenende innerhalb von zwölf Stunden mindestens 25 Israelis getötet.

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Jerusalem nach den AnschlägenBild: AP

Die palästinensische Extremisten machten blutigen Ernst: Nach der Liquidierung des militanten Hamas-Führers Machmud Abu Hanud durch die israelische Armee am 23. November drohten sie Israel grausame Vergeltung an. Am Wochenende öffneten ihre Selbstmordattentäter mit den Anschlägen im Zentrum Jerusalems und in Haifa "die Tore zur Hölle" – so wie es Hamas-Sprecher Abdel Asis Rantisi angedroht hatte.

Das Inferno von Jerusalem und die gewaltige Explosion in dem städtischen Linienbus in Haifa – unter den Augen des neuen US- Vermittlers Anthony Zinni – sind der bisherige Höhepunkt einer hemmungslosen Gewalt, für die sich Israel und die Palästinensern bereits seit mehr als 15 Monaten stets gegenseitig verantwortlich machen. Und eine weitere Eskalation ist absehbar.

Terroranschläge verbreiten Furcht und Wut

Mit den Terroranschlägen der vergangenen zehn Tage, bei denen nach israelischen Angaben insgesamt mindestens 33 Israelis getötet wurden, haben die Extremisten, die sich bei ihren Aktionen inzwischen auf breite Unterstützung durch die Palästinenser stützen können, ihr Ziel erreicht. Die Attentate lösten Furcht, Panik, aber auch Wut unter den Israelis aus.

Diese richtet sich inzwischen auch offen gegen die Regierung des rechten Ministerpräsidenten Ariel Scharon, der seinem Volk vor seiner Wahl im Februar vor allem "Sicherheit" versprochen hatte. Als US-Unterhändler Zinni am Sonntag zusammen mit Staatspräsident Mosche Katzav die Verwüstungen am Ort des Anschlags in Jerusalem besichtigte, forderte die aufgebrachte Menge erstmals lautstark den Rücktritt des Ex-Generals.

"Gewalt gebiert Gewalt"

Anschlag in Jerusalem
Bild: AP

Scharon hatte noch vor wenigen Tagen selbstbewusst gemeint: "Ich bin einer der Wenigen, die Frieden mit den Palästinensern schließen können!" Doch daran glauben in Israel inzwischen immer weniger Menschen, denn die israelische Führung wiederholt inzwischen fast täglich, dass ihr auf der "anderen Seite" derzeit der Partner für den Frieden fehlt. Stunden nach dem Anschlag von Jerusalem riefen deshalb israelische Minister offen zum Sturz Arafats auf, dem bei der Bekämpfung der Extremisten in den Reihen der Palästinenser zusehends die Zügel entgleiten.

Palästinensische Politiker betonten in den vergangenen Tagen immer wieder, dass Israel durch seine zahlreichen Militäraktionen, insbesondere aber durch die Liquidierung Abu Hanuds, die Kettenreaktion der Gewalt ausgelöst habe. "Gewalt gebiert Gewalt", sagte Minister Sajeb Erekat in einer ersten Reaktion auf die Anschläge.

Führende Palästinenser glauben, dass die Israelis den Zeitpunkt der Liquidierung ganz bewusst so gelegt hätten, dass die blutigen Reaktionen der Extremisten während des Aufenthalts von US-Unterhändler Zinni kommen mussten. Ein von Arafat vor Wochen mit der Führung der Hamas geschlossenes Stillhalte-Abkommen habe gehalten, bis die Israelis den gesuchten Erz-Terroristen mit zahlreichen Raketentreffern auf sein Auto in Stücke zerrissen.

Arafat ruft Ausnahmezustand aus

Arafat ist durch seine völlige Passivität gegenüber den Extremisten selbst in eine gefährliche Lage geraten, aus der er sich jetzt durch die Ausrufung des Ausnahmezustands in den autonomen Gebieten offenbar in letzter Sekunde befreien will.

Inzwischen aber scheint dem 72-Jährigen die Macht zu fehlen, um sich gegenüber den Extremisten durchzusetzen. Nach der weltweiten Verurteilung des palästinensischem Terrors vom Wochenende wurde er zum Handeln gezwungen, wenn er nicht eine mögliche Entmachtung durch die Extremisten oder durch Israel riskieren wollte.

Doch der Ausgang dieses Machtkampfs erscheint alles andere als gewiss. Der linksliberale Oppositionsführer Jossi Sarid warnte davor, den Palästinenserführer, wie gefordert, ins Exil zu schicken: "Glauben sie etwa, Sie sind ihn dann los?", meinte er im israelischen Rundfunk: "In diesem Fall wird er noch mehr Macht haben und könnte diese Macht für böse Zwecke nutzen, selbst wenn er im Exil wäre."