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Palästinenser hängen am Tropf des Auslands

Peter Philipp21. Februar 2006

Nach dem Wahlsieg der Hamas wollen USA und EU ihre Finanzhilfe an die Palästinenser stoppen. Das kann die Autonomie-Behörde in arge Bedrängnis bringen: Außer Hilfsgeldern nimmt sie so gut wie nichts ein.

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Das palästinensische Parlament könnte Geldsorgen bekommenBild: AP

Wenn die israelische Regierung am Sonntag (19.2.2006) beschlossen hat, Zahlungen in Höhe von rund 50 Millionen Dollar im Monat an die palästinensische Autonomieverwaltung einzustellen, dann handelt es sich hierbei um Gelder, die den Palästinensern rechtlich zustehen. Denn es sind dies Zölle und Steuern, die Israel stellvertretend für die palästinensische Verwaltung erhoben hat - etwa beim Import von Gütern auf dem Weg über israelische Häfen - und die Israel den Palästinensern auf Grund des Oslo-Abkommens weiterreichen muss.

Keine Steuereinnahmen, nur Hilfsgelder

Diese 50 Millionen - der Grundstock der Gehälter für die Bediensteten der Autonomieverwaltung - sind so ziemlich die einzigen "normalen" Einnahmen des "Noch-nicht-Staates" Palästina: Die palästinensische Wirtschaft liegt nach den Jahren der Intifada am Boden, Steuern werden kaum erhoben oder können nicht bezahlt werden und alle anderen Gelder werden gespendet. Die Palästinenser gehören damit seit Jahren bereits zu den größten Hilfsempfängern der Welt. Auf jeden Fall, wenn man die Hilfsgelder in Relation setzt zur Bevölkerung.

So erhielten die Palästinensergebiete seit 1993 - dem Jahr des Oslo-Abkommens allein aus EU-Mitteln 2,3 Milliarden Euro, aus den USA im selben Zeitraum rund 1,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen noch direkte Leistungen einzelner EU-Staaten in unbekannter Höhe. Die Weltbank geht in letzter Zeit von einer jährlichen Gesamthilfe in Höhe von etwa einer Milliarde Dollar aus. Mehr als zwei Drittel davon - knapp 600 Millionen Dollar - kamen etwa im Jahr 2003 von der EU sowie von einzelnen europäischen Staaten. Die USA trugen mit etwa 220 Millionen Dollar zur Hilfe für die Palästinenser bei und die arabischen Staaten zahlten auch noch einmal über 120 Millionen Dollar. Rund 120 Millionen Dollar werden von der Weltbank über einen Treuhandfonds zur Unterstützung des Haushaltes der Autonomiebehörde verwaltet. Kein Volk der Welt erhält, pro Kopf gerechnet, so viel internationale Hilfe wie die Palästinenser.

Gefühltes Anrecht

Solche Hilfe hat Tradition: Seit der Staatsgründung Israels hängen die Palästinenser am Tropf der "UNRWA": Die UN-Flüchtlings-Hilfsorganisation unterstützt bis heute palästinensische Flüchtlinge und längst hat sich auch hieraus das Gefühl mancher Palästinenser entwickelt, die Welt schulde ihnen solche Unterstützung. Das Ausland wiederum zahlt gerne, weil - und solange - es der Meinung ist, dass der Wiederaufbau in Palästina und die Vorbereitung eigener staatlicher Strukturen dort dem Frieden in der Region dient. Eine Überzeugung, die durch das Ergebnis der palästinensischen Wahlen jedoch etwas ins Wanken geraten ist.

Zweifel an Sinn und Wirksamkeit der Hilfe war bereits einmal vor Jahren aufgekommen: Da warf Israel der EU vor, sie unterstütze terroristische Aktivitäten mit ihren Zahlungen und sie finanziere sogar antijüdische Schulbücher. Die EU überprüfte und konnte die Vorwürfe nicht bestätigen. Auch größere Auswüchse von Korruption und das angebliche Verschwinden von Hilfsgeldern auf geheimen Konten im Ausland konnte nicht bestätigt werden. Es wurden jedoch zahlreiche Reformen des palästinensischen Finanzwesens gefordert und von der Autonomieverwaltung aus in Angriff genommen. Brüssel zeigte sich zufrieden und zahlte weiter.

Iran würde einspringen

Sollte die EU nun dem Beispiel Israels und der USA folgen und die Zahlungen wegen des Hamas-Sieges einfrieren, dann droht nicht nur eine drastische Verschlechterung der Lage in den Palästinensergebieten, sondern auch ein stärkeres Engagement des Iran: Dessen "Oberster Führer", Ayatollah Khamenei, bezeichnete den Hamas-Sieg als "süßes Geschenk" und er dürfte wohl bereit sein, den Palästinensern durch Sanktionen ausfallende Finanzhilfe zu ersetzen.