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Palmyra - für immer verloren?

Anne Allmeling6. Oktober 2015

Nach und nach vernichtet die Terrororganisation IS einzigartige Kulturdenkmäler in der syrischen Wüstenstadt Palmyra. Experten überlegen, ob die zerstörten Tempel und Triumphbögen wieder aufgebaut werden können.

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Syrien, Palmyra: Tempel (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/J. Eid

Imposante Säulen, ausladende Straßen, riesige Ruinen - die antike Oasenstadt Palmyra in Syrien gehört zu den berühmtesten Zeugnissen römischer Baukunst. Jahrzehnte lang war sie Anziehungspunkt für Touristen und Forscher gleichermaßen. Doch was heute von der ehemaligen Handelsmetropole noch erhalten ist, weiß kaum jemand genau. Seit Mai dieses Jahres kontrolliert die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) die alte Wüstenstadt. Die Extremisten zerstören nach und nach Tempel, Triumphbögen und Grabtürme.

Ein Verlust, der Wissenschaftler in aller Welt umtreibt. "Palmyra ist ein einzigartiger Ort, weil er symbolisch für Weltoffenheit und kulturelle Vielfalt steht und Teil einer Handelsroute war, die China über Persien mit dem östlichen Mittelmeerraum verbunden hat", sagt der Leiter des Vorderasiatischen Museums in Berlin, Markus Hilgert. "Palmyra ist auch deswegen für uns so bedeutsam, weil es so erstaunlich gut erhalten ist. Deswegen ist der Verlust dieser sehr schönen und weithin sichtbaren Bauwerke besonders schmerzhaft."

Ruinen gründlich dokumentiert

Anfang der Woche sprengten die Extremisten den fast 2000 Jahre alten Triumphbogen. Er stand am Eingang der Kolonnaden, der Prachtstraße Palmyras, und wurde um 200 n. Chr. unter der Herrschaft der Römer gebaut. In den vergangenen Monaten hatte der IS bereits die bedeutenden Tempel Baal und Baal Schamin sowie mehrere Grabtürme in Schutt und Asche gelegt. Das Ausmaß der Zerstörung in Palmyra zeigen Satellitenbilder, die von der Organisation American Schools of Oriental Research (ASOR) veröffentlicht wurden. "Ich bin für die Zukunft Palmyras sehr pessimistisch", sagte Syriens oberster Archäologe Mamun Abdulkarim in einem Interview.

Auch Markus Hilgert befürchtet, dass der IS die bedeutende archäologische Stätte komplett vernichten wird. Trotzdem will er Palmyra nicht verloren geben. Denn Ruinen sind vergleichsweise gut erforscht. Weil es zahlreiche Fotos und genaue Daten gibt, hält Hilgert einen Wiederaufbau oder eine Rekonstruktion zumindest eines Teils der zerstörten Bauwerke für möglich. "Eines Tages wird man deutlicher sehen können, wie schlimm die Zerstörung ist und was man mit den Fragmenten, die jetzt vor Ort vorhanden sind, noch anfangen kann", so Hilgert.

Prof. Dr. Markus Hilgert (Foto: Olaf M. Teßmer)
Markus Hilgert: Zerstörte Ruinen nachbauenBild: Olaf M. Teßmer

Varianten der Rekonstruktion

Für einen Nachbau gibt es verschiedene Möglichkeiten. So könnten Originalteile, die in Sicherheit gebracht wurden, dafür verwendet werden. Aber auch ein vollständiger Wiederaufbau wie bei der Rekonstruktion des Berliner Schlosses ist denkbar. "Man wird sicher in der Lage sein, in Palmyra entsprechende Maßnahmen zu ergreifen", sagt Hilgert. "Allerdings setzt das voraus, dass sich die politische Lage beruhigt und dass man sich einen Überblick darüber verschaffen kann, wie groß das Ausmaß der Zerstörung tatsächlich ist."

Syrien, Tempel Baal Sshamin in Palmyra nach der Sprengung (Foto: picture alliance/Kyodo)
IS-Milizen haben dieses Bild veröffentlicht, um die Zerstörung des Tempels Baal Schamin zu zeigenBild: picture alliance/Kyodo

Wissenschaftler diskutieren zurzeit, ob aus vorhandenen 2-D-Aufnahmen über ein sogenanntes fotogrammetrisches Verfahren 3-D-Modelle erzeugt werden können. Auch über den Einsatz von 3-D-Druckern wird nachgedacht. "Wir sind in einer Phase, in der die Technologie grundsätzlich schon vorhanden ist", erklärt Hilgert. "Aber sie muss noch angepasst werden an die Bedürfnisse der Wissenschaft oder der rekonstruktiven Archäologie." Der Altorientalist ist zuversichtlich, dass eine solche Technologie künftig nicht allein in Europa und den USA, sondern auch in den Ländern des Nahen Ostens genutzt werden kann, in denen zur Zeit besonders viele Kulturgüter zerstört werden.

Das Ausmaß der Zerstörung ist noch nicht absehbar. Doch Hilgert tritt dafür ein, schon jetzt zu überlegen, welche präventiven und rekonstruktiven Maßnahmen ergriffen werden können, denn: "Wir sind nicht hilflos, wir haben die Mittel, wir können forschen und Infrastrukturen schaffen." Er plädiert: "Wir haben vor allen Dingen eine moralische Verpflichtung, das zu tun - denn unser Wissen haben wir auch im Austausch mit unseren syrischen Kolleginnen und Kollegen erworben. Deswegen ist es so wichtig, dass wir unser Know-How und Wissen zurückgeben und uns dafür einsetzen, dass diese Schätze nicht für immer verloren sind."