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Panetta entschuldigt sich für Schock-Fotos

Bernd Riegert18. April 2012

Ein neuer Skandal um das Verhalten von US-Truppen in Afghanistan überschattet die NATO-Tagung in Brüssel. US-Verteidigungsminister Panetta versuchte, den Schaden zu begrenzen.

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US-Verteidigungsminister Leon Panetta (Foto:AP/dapd)
US-Verteidigungsminister Leon PanettaBild: dapd

US-Verteidigungsminister Leon Panetta entschuldigte sich im Namen seines Ministeriums und der amerikanischen Regierung für das Verhalten einzelner US-Soldaten im Jahr 2010. Die Zeitung Los Angeles Times hatte Fotos veröffentlicht, auf denen US-Soldaten in Afghanistan mit getöteten Aufständischen posieren. "Das Verhalten, das auf diesen Bildern gezeigt wird, verstößt gegen alle Regeln und - noch wichtiger - gegen all unsere Werte. Das sind nicht wir und das repräsentiert auf keinen Fall die große Mehrheit der Männer und Frauen in Uniform, die in Afghanistan Dienst tun", sagte Panetta nach dem Treffen der NATO-Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel. Leon Panetta hofft, dass die Veröffentlichung der Fotos nicht zu Rache in Afghanistan führt. "Ich weiß, das Krieg hässlich und gewalttätig ist. Manchmal fällen junge Leute im Übereifer sehr dumme Entscheidungen. Das soll nichts rechtfertigen, überhaupt nicht, aber ich möchte auch nicht, dass dieser Vorfall weitere Verletzungen für unsere Völker oder die Beziehungen zum afghanischen Volk bringt."

"Schwierige Woche"

Nach Angaben Panettas wurde er von den NATO-Ministern auf den jüngsten Skandal nicht angesprochen, dennoch - so NATO-Diplomaten - komme die Veröffentlichung der zwei Jahre alten Fotos natürlich zu einer denkbar ungünstigen Zeit, in der die Allianz ihr weiteres Vorgehen bei der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an afghanische Kräfte festlegt. Der Verteidigungsminister sagte zu, dass die Verantwortlichen ermittelt und strafrechtlich verfolgt werden.

NATO-Soldaten rennen während eines Angriffs der Taliban am 15. April 2012 durch Kabuls Straßen (Foto: AP)
NATO-Soldaten beim Straßenkampf in Kabul am 15. April 2012Bild: dapd

Mit Blick auf die Fotos und die jüngsten Angriffe von Taliban und Aufständischen am Wochenende sprach US-Außenministerin Hillary Clinton von einer äußerst "schwierigen" Woche in Afghanistan. "Aber das Gesamtbild ist doch klar: Der Übergang findet planmäßig statt. Die Afghanen stehen mehr und mehr für ihre Sicherheit und ihre Zukunft selbst ein", sagte Hillary Clinton. "Die NATO steht geschlossen zum Zeitplan von Lissabon und einem weiteren Engagement in Afghanistan."

Rückzug bis 2014 festgelegt

Die Jahreszahl 2014 für den Abzug aus Afghanistan hatte die NATO bereits beim letzten Gipfeltreffen im November 2010 in Lissabon festgelegt. Schon damals hatte sich eine gewisse Einsatzmüdigkeit eingeschlichen, fast zehn Jahre, nachdem der Einsatz gegen die Taliban und die von ihnen beherbergte Terrorgruppe Al Kaida begonnen hatte. Außerdem drücken die enormen Kosten dieses längsten und größten Auslandseinsatzes einer zeitweise aus 50 Staaten bestehenden Koalition. In den letzten Jahren musste die Internationale Schutztruppe ISAF, die von der NATO geführt wird, massiv verstärkt werden, um die Aufständischen in Afghanistan niederzuschlagen. Als US-Präsident Barack Obama sein Amt von George W. Bush 2009 übernahm, waren rund 60.000 US-Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Inzwischen sind es 90.000 Frauen und Männer. Hinzu kommen noch einmal 40.000 Soldaten aus den übrigen Truppensteller-Nationen. Deutschland ist mit rund 5000 Soldaten nach Großbritannien und den USA der drittgrößte Truppensteller.

US-Außenministerin Hillary Clinton (Foto: AP)
US-Außenministerin Hillary Clinton: NATO steht zu weiterem Engagement in AfghanistanBild: dapd

Ende der Kampfhandlungen 2013

Die NATO-Außen- und Verteidigungsminister legten in Brüssel noch einmal fest, dass der größte Teil der ISAF-Truppe Afghanistan bis Ende 2014 verlassen soll. Bis Mitte 2013 sollen alle Provinzen in die Verantwortung afghanischer Polizei- und Armeetruppen übergeben werden. Zurzeit sind 40 Prozent des afghanischen Territoriums unter afghanischer Kontrolle. Bis zum Frühjahr 2013 sollen es 75 Prozent sein. US-Verteidigungsminister Leon Panetta rechnet auf diesem Weg mit weiteren Rückschlägen: "Dies ist ein Krieg. Es wird Verluste und Todesopfer geben. Es wird weitere Anschläge wie in den letzten Tagen geben. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass dies unsere Strategie untergräbt."

Einige Nationen wie Kanada haben Afghanistan bereits 2011 verlassen. Die Niederlande haben ihre Kampftruppen bereits abgezogen und unterhalten noch eine Ausbildungsmission. Die 5000 deutschen Bundeswehrsoldaten bereiten sich auf ihren Abzug vor, allerdings trägt die Bundeswehr im Norden Afghanistans Veranwortung für eine der Hauptrouten für den Rückzug. Dort werden Bundeswehreinheiten wohl bis zum Ende stationiert bleiben müssen, glauben NATO-Diplomaten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle warnt davor, den Einsatz am Hindukusch übereilt zu beenden: "Zu früh rauszugehen, wäre falsch, weil dann die Terroristen in der Lage wären alles zu übernehmen. Das ist auch eine Gefährdung unserer Sicherheit. Und wenn man zu langsam abzieht, ist es natürlich auch nicht richtig. Es bleibt bei der Abzugsperspektive. Es bleibt bei dem Abzugsplan und der Übergabe der Verantwortung. Zu früh rauszugehen, wäre falsch, zu spät rauszugehen, wäre auch falsch."

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen (Foto:AP/dapd)
NATO-Generalsekretär Rasmussen: Keine Zweifel am AbzugsplanBild: dapd

Offene Fragen

Die USA als mit Abstand größter Truppensteller haben noch keinen konkreten Plan für ihren Abzug vorgelegt, dies soll eventuell auf dem Gipfeltreffen der NATO im Mai in Chicago erfolgen. Schließlich steht US-Präsident Barack Obama im Wahlkampf. Unklar ist auch noch, wie schnell Frankreich seine Truppen aus Afghanistan zurückholen wird. Erst zwei Wochen vor dem Gipfeltreffen wird feststehen, wer Frankreichs Präsident sein wird. Amtsinhaber Nicolas Sarkozy, der um seine Wiederwahl kämpft, will die Truppen Ende 2013 zurückholen. Das gleiche Datum hat auch Australien angekündigt.

Ende 2014 sollen rund 350.000 afghanische Soldaten und Polizisten von der ISAF ausgebildet sein und alle Kampfeinsätze selbstständig durchführen. Die NATO bleibt als Berater und Ausbilder auch nach 2014 engagiert, versprach NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Brüssel. Die Stärke der afghanischen Truppen soll nach 2014 auf 232.000 Mann sinken. Für die Finanzierung dieser Kräfte sind rund 3 Milliarden Euro jährlich fällig, die von den  ISAF-Nationen kommen sollen. Noch gibt es nur wenige konkrete Finanzierungszusagen. Ob die Finanzierung der Truppe beim NATO-Gipfel in Chicago festgezurrt werden kann, ist unklar. Der Gipfel wird keine "Geberkonferenz" werden, sagte dazu NATO-Generalsekretär Rasmussen. Unklar ist auch, ob die NATO Landrouten durch Pakistan nutzen darf, um den Rückzug logistisch zu organisieren. Die Verhandlungen laufen, so NATO-Diplomaten. Mit der afghanischen Regierung muss noch ausgehandelt werden, welche Flughäfen und Kasernen nach 2014 von US-Truppen genutzt werden dürfen.