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Paris will französischen Islam

Janina Semenova (mit Agenturen)29. Juli 2016

Der französische Premierminister will den ausländischen Einfluss auf Moscheen begrenzen. Frankreich brauche eine neue Beziehung zum Islam. Die Forderung kommt nach zahlreichen islamistischen Anschlägen der letzten Zeit.

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Frankreichs Premierminister Manuel Valls in Paris. Foto: Getty Images/AFP/F. Guillot
Bild: Getty Images/AFP/F. Guillot

Nach den letzten Anschlägen in Frankreich will der französische Premierminister Manuel Valls eine neue Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den islamischen Institutionen im Land. In einem Interview mit der Zeitung "Le Monde" sprach sich Valls dafür aus, dass der Bau von Moscheen in Frankreich für eine gewisse Zeit nicht mehr aus dem Ausland finanziert werden solle.

"Wir brauchen eine grundlegende Neuordnung und müssen ein neues Verhältnis mit dem Islam Frankreichs erfinden", sagte Valls und betonte, dass Salafismus in Frankreich keinen Platz habe.

Zuletzt hatte der Angriff zweier mutmaßlicher Terroristen auf eine katholische Kirche in der Normandie das Land erschüttert. Ein Priester wurde dabei getötet. Seit Anfang 2015 gab es in Frankreich immer wieder islamistische Anschläge. Das führte zu vielen Diskussionen über die Rolle des Islams in Frankreich.

"Laizismus hat den Staat blind gemacht"

"Der französische Staat ist sozusagen jetzt erst aufgewacht", sagt Ronja Kempin, die für die Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) die Lage in Frankreich analysiert. Es entspreche eigentlich nicht dem französischen Staatsverständnis, in religiöse Angelegenheiten einzugreifen. Das liege daran, so Kempin, dass Frankreich ein laizistischer Staat sei und es somit eine strikte Trennung von Kirche und Staat gebe.

"Der Laizismus hat den Staat quasi blind gemacht", sagt die Frankreich-Expertin und bezieht sich damit auf Themen wie die Prävention von Radikalisierung. Frankreich habe erst jetzt angefangen, kritisch nachzufragen.

Mittlerweile hat die Regierung im Anti-Terror-Kampf den "Aktionsplan gegen Radikalisierung und Terrorismus" entwickelt, der im Mai vorgestellt wurde. Damit stellt Frankreich in den nächsten zwei Jahren 40 Millionen Euro bereit, um unter anderem landesweit Zentren für die Wiedereingliederung radikalisierte Islamisten zu eröffnen.

Schwierig werde es aber auch dadurch, dass die Regierung den Anteil der Gläubigen im eigenen Land gar nicht genau kenne, so Kempin. Als laizistischer Staat erfasse Frankreich die Religionszugehörigkeit in keiner Statistik. Niemand wisse also genau, wie viele Leute wo in welchem Umfang aktiv seien.

Muslime beten in einer Moschee in der französischen Stadt Frejus. Foto: Getty Images/AFP/B. Horvat
Rund fünf Millionen Muslime sollen in Frankreich lebenBild: Getty Images/AFP/B. Horvat

Finanzierung aus Spenden

In Frankreich soll es über 2000 Moscheen geben. Die islamischen Gotteshäuser, aber auch christliche Kirchen finanzieren sich größtenteils über Spenden. Eine Kirchensteuer, wie es sie in Deutschland gibt, existiert in Frankreich nicht. Auch in anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise Belgien, ist die Finanzierung von Moscheen intransparent.

Wie viele Moscheen wirklich aus dem Ausland finanziert werden, ist ebenfalls unklar. In einer Studie, die von der Stiftung für Wissenschaft und Politik 2010 in Berlin herausgegeben wurde, ist von rund 200 Moscheen zum damaligen Zeitpunkte die Rede, deren Bau mithilfe ausländischer Spender vorangehe.

Außerdem heißt es dort, dass die Finanzierung von Moscheen das Budget der muslimischen Organisationen aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden übersteige und sie deshalb von ausländischen Geldern unter anderem aus Algerien, Marokko und Ägypten abhängig seien. In der SWP-Studie heißt es auch, dass sich der französische Staat nicht in die private Ausbildung von Religionslehrern einmischen wolle.

Doch nun forderte Premierminister Manuel Valls, dass Imame künftig in Frankreich ausgebildet werden sollten. Auch der Rektor der Großen Moschee von Paris, Dalil Boubakeur, sprach sich für mehr Aufmerksamkeit bei der Ausbildung muslimischer Geistlicher aus. Nach dem Anschlag auf eine Kirche in der Normandie hatte auch Boubakeur "gewisse Reformen in unseren Institutionen" gefordert.

Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Jonathan Laurence machte in einem Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die europäische Politik mitverantwortlich für die Verbreitung von extremen religiösen Ideologien unter eingewanderten Muslimen. Laut Laurence hätten die Europäer Saudi-Arabien wegen dessen Ölreichtums in den 1970er- und 80er-Jahren erlaubt, in ihren Ländern Moscheen zu bauen und Imame zu finanzieren. Seiner Auffassung nach finanziert Saudi-Arabien in Frankreich immer noch 14 Imame jährlich.