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Parlament im Netz aufgemischt

Peter Stützle 20. Januar 2006

Die Internetseite des Bundestages ist zehn Jahre alt. Lange Zeit brauchte man detektivisches Gespür, um sich im virtuellen Wust der Seite zurechtzufinden. Inzwischen zeigt sie sich frischer und zieht auch junge User an.

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Wie viele Fraktionen hat der Deutsche Bundestag? Mit CDU/CSU, SPD, FPD, PDS/Linke und Bündnis90/Die Grünen finden sich fünf im Amtlichen Handbuch. Aber es gibt noch eine sechste: Die "Fraktion Mitmischen". Die gibt es allerdings nur als virtuelle Fraktion auf der Website "mitmischen.de", dem Jugendportal des Deutschen Bundestages. Ihre ältere Schwester, "bundestag.de" ist jetzt gerade Zehn geworden.

Schluss mit Aussitzen und Abwarten

Was sind schon zehn Jahre, fragen Sie? Mal langsam! In diesen zehn Jahren gab es in Deutschland zum Beispiel drei Bundestagswahlen mit zwei Regierungswechseln. 1996 saß die Bundesregierung noch nicht in Berlin, sondern in Bonn, mit Helmut Kohl an der Spitze, der so manches Problem schlicht "aussaß", wie man die Erledigung durch Abwarten damals nannte. Doch zunehmend setzte sich die Erkenntnis durch, dass Aussitzen und Abwarten nicht die richtige Strategie ist in einer Zeit des immer rasanteren Wandels.

Augenfälliger Ausdruck dieses Wandels war der sich damals abzeichnende Siegeszug des Internets. Und so war 1996 das Jahr, in dem der Bundestag die "Enquete-Kommission Neue Medien" einsetzte, die sich mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen von Internet & Co. befasste. Und es war das Jahr, in dem das deutsche Parlament selbst ins Netz ging. www.bundestag.de, das sollte von Anfang an Informationsplattform für die Öffentlichkeit und Arbeitshilfe für die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter gleichermaßen sein. Was in gewöhnlichen Unternehmen in einem abgeschlossenen Intranet aufbereitet wird, das ist beim Bundestag ganz überwiegend öffentlich zugänglich.

Die Seite der "Binnennutzer"

Öffentlich war vieles auch vorher schon. Aber während man sich früher die Bundestagsdrucksache über die beabsichtigte Änderung des Naturschutzgesetzes umständlich per Post zuschicken lassen musste, konnte man sie sich nun aus dem Netz herunterladen. Allerdings brauchte man dafür immer noch einiges detektivische Gespür, um sie erst mal zu finden. Denn trotz allen öffentlichen Anspruchs: Bundestag.de war doch sehr auf die so genannten "Binnennutzer" ausgerichtet. Man brauchte Übung, um zu wissen, wo man was findet, und die Texte waren oft im Behörden- oder Politologen-Deutsch verfasst.

Seit einem Jahr allerdings ist die Website des Bundestags gründlich renoviert, Nutzerfreundlichkeit steht jetzt im Vordergrund. Auch für uns Journalisten ist das hilfreich. Und für alle möglichen Firmen, Verbände und Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO’s). Gibt es beispielsweise eine öffentliche Anhörung zu einem Gesetzesvorhaben, so sind die Stellungnahmen der Sachverständigen oft schon am selben Tag im Netz - man muss nicht mehr lange auf die Protokolle warten. Nach Plenarsitzungen liegen die Redeprotokolle in der Regel sogar schon nach zwei Stunden abrufbar vor.

Dass das Angebot gefragt ist, zeigen die Zugriffszahlen. Waren es im Jahr 1997 noch 780.000 Nutzer, so sind es inzwischen bereits 10 Millionen im Jahr. Das zeigt schon, dass das Interesse weit über die professionellen Nutzer hinausgeht. Die Online-Konferenzen mit Bundestags-Ausschüssen etwa werden sehr stark von Jugendlichen genutzt. Und um junge Leute noch besser zu erreichen, wurde vor kurzem das Jugendportal www.mitmischen.de eingerichtet.

Die Mitmischer

Hier gibt es unter anderem regelmäßige Chats mit den Abgeordneten aus der "Fraktion Mitmischen". Das sind derzeit 51 Abgeordnete aller Fraktionen, die sich als Mitglied der "Community" verstehen. Überwiegend handelt sich dabei natürlich um junge Parlamentarier. Aber auch alte Hasen sind darunter, wie der 65-jährige Ex-Vorsitzende der FDP-Fraktion Hermann Otto Solms und die 62-jährige ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin von der SPD. Die einzelnen "Amtlichen Fraktionen" sind übrigens keineswegs ihrer Stärke entsprechend in der "Fraktion Mitmischen" vertreten.

Anders als im wirklichen Bundestag stellt hier die SPD mit 17 Mitgliedern die stärkste Truppe. Die kleine FDP-Fraktion ist mit 12 Abgeordneten fast gleichauf mit der Kanzlerinnen-Fraktion CDU/CSU, die 13 "Mitmischer" stellt. Abgeschlagen hinter den Grünen mit sieben Parlamentariern, mischt die Linkspartei mit gerade mal zwei Leuten nur am Rande mit. Da werden die Fraktionschefs Gysi und Lafontaine mal ein deutliches Wort sprechen müssen, damit die Linken der virtuellen Bedeutungslosigkeit anheim fallen.