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Fußballfieber im Bundestag

Gina Krymalowski26. Juni 2014

Fußball spielen vor dem Reichstag - das kommt für die Abgeordneten in der Haushaltswoche nicht in Frage. Fußball schauen aber steht heute auch für sie auf der Tagesordnung.

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Fußballspieler vor dem Reichstag
Bild: picture alliance/360-Berlin

Bundeskanzlerin Angela Merkel, umringt von Fußballern der Nationalelf im Trikot oder nur mit einem Handtuch bekleidet - dieses Bild aus Brasilien ging um die Welt und machte Furore im Netz. Nicht zum ersten Mal outete sich die deutsche Regierungschefin als Fußballfan. Doch nicht nur Merkel, auch die meisten Abgeordneten verfolgen mit Spannung die WM. Über den Kurznachrichtendienst Twitter unterstützen sie die deutsche Mannschaft. Sie posten Selfies, also selbst geknippste Fotos von sich mit Deutschland-Krawatte oder im Nationaldress. Wichtigstes Thema ist daher heute im Bundestag, neben der Haushaltsdebatte: das Spiel gegen die USA. Auch die Politiker in Berlin sind im Fußballfieber.

"Public Viewing" in Abgeordnetenbüros

Aber wo sollen sie das Match anschauen? Im Bundestag oder auf der Fanmeile? "Ich werde wahrscheinlich hier im Bundestag das Spiel gucken. Es gibt auch schon die ersten Diskussionen, in welchem Büro und in welcher Gesellschaft man das Spiel dann schaut", sagt Marcus Weinberg, Landesvorsitzender der CDU Hamburg. Vor Jahren hat er auch schon mal Public Viewing ausprobiert, aber das war nichts für ihn. Er möchte sich wirklich auf das Spiel konzentrieren können.

Bundeskanzlerin Angela Merkel feuert die deutsche Mannschaft beim WM-Auftaktspiel in Brasilien an.
Angela Merkel feuert die deutsche Mannschaft anBild: imago/ActionPictures

Der 47-Jährige ist Kapitän des FC Bundestag. In dieser Mannschaft spielen Abgeordnete aller Fraktionen, bislang aber nur Männer. "Was uns im FC Bundestag noch fehlt, ist eine Frau, da bin ich noch auf der Suche." Der kameradschaftliche Umgang beim Fußball im FC Bundestag sorgt nach Weinbergs Erfahrung auch für einen entspannteren Umgang mit dem politischen Gegner. Für den CDU-Abgeordneten Weinberg ist bei dieser WM jedes Spiel der Nationalmannschaft ein Muss.

Leerer Plenarsaal

Nicht nur Weinberg, auch viele andere Abgeordnete, quer durch die Parteien, sind Fußballfans. Wenn Deutschland spielt, leeren sich die Sitzreihen im Parlament. Anwesend ist dann nur, wer Präsenzpflicht hat. Dies hat bei früheren Meisterschaften schon zu Skandalen geführt, wenn wichtige Entscheidungen wie der Anstieg der Mehrwertsteuer und die Novellierung des Meldegesetzes beschlossen wurden, während die Nationalmannschaft spielte und der Plenarsaal verwaist war. "Wir müssen schon darauf achten, dass wir nicht dann sehr ernsthafte Debatten im Bundestag führen oder über wichtige Probleme entscheiden, wenn relevante Spiele stattfinden", betont auch Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Dass die politische Arbeit aber dennoch vorgeht, ist für ihn selbstverständlich. Bartsch selbst hat sich das erste Spiel der deutschen Mannschaft in Brasilien anschauen können, auf Einladung von Bundeskanzlerin Merkel. Für den überzeugten Fußballfan war das eine ganz besondere Erfahrung. Bei der Reise ging es jedoch nicht nur um Fußball: "Wir haben am Rande auch mit den Protestbewegungen geredet und uns Projekte angeschaut. Aber das Erlebnis im Stadion ist schon besonders, die Atmosphäre ist einmalig."

In Berlin geht der Linken-Politiker gerne auch mal zum Public Viewing, am liebsten zu den "Elf Freunden" im ehemaligen Postbahnhof, der zur Fanmeile umgewandelt wurde. Hier können Tausende Fußballfans in Stadionatmosphäre die Spiele genießen.

Der CDU-Abgeordnete Marcus Weinberg spielt im Trikot des FC Bundestag Foto: Frank Ossenbrink
Marcus Weinberg ist Kapitän beim FC BundestagBild: Frank Ossenbrink

Fußball regiert Berlin

Doch nicht nur die Herren im Bundestag sind fußballverrückt. Gerade in Deutschland sind auch viele Frauen überzeugte Fans und würden sich kein Spiel entgehen lassen. Wie auch Katja Dörner von den Grünen. Die 38-Jährige ist aber nicht nur während der WM Fußballfan: Ihr Lieblingsort zum mitjubeln ist, egal bei welchem Spiel, ihre Fußballkneipe in Bonn. Während dieser WM ist ihr eines aufgefallen: "Normalerweise wollen wir Abgeordnete immer zu den wichtigsten Zeiten unsere Reden halten. Momentan hofft jedoch jeder, dass der eigene Tagesordnungspunkt nicht genau dann beraten wird, wenn die favorisierte Mannschaft spielt."

Was heute Abend zum Anpfiff im Plenum beraten wird, weiß sie nicht genau. Sicher ist sie nur: Sie muss nicht dabei sein. Sie schaut das Spiel gleich nebenan: bei einem Fest in der parlamentarischen Gesellschaft direkt neben dem Reichstag, das heute ganz im Zeichen der WM steht.