1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Irak treibt zunehmend auf Spaltung zu

7. Juli 2014

Die politische Krise im Irak eskaliert weiter: Das Parlament verschob die Entscheidung über einen Parlamentspräsidenten auf Mitte August. Und ein Sunnitenführer droht mit der Abspaltung der Sunnitenprovinzen.

https://p.dw.com/p/1CXTw
Der sunnitische Geistliche Mohammed Taha al-Hamdun (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Einen Monat nach dem Vormarsch der ISIS-Terrormiliz steht der Irak vor der Spaltung. Eine Parlamentssitzung, bei der an diesem Dienstag ein neuer Parlamentspräsident gewählt werden sollte, wurde auf den 12. August verschoben. Die zerstrittene Volksvertretung konnte sich erneut nicht auf einen Konsenskandidaten einigen.

Damit stehen die drei politischen Spitzenämter des Landes, die gemäß dem geltenden Proporz zwischen Schiiten, Sunniten und der kurdischen Minderheit aufgeteilt werden, auch mehr als zwei Monate nach der Parlamentswahl weiter zur Disposition. Denn erst wenn ein Parlamentspräsident benannt ist, kann es zur Wahl eines Staatspräsidenten und eines Ministerpräsidenten kommen. Die erste Sitzung vor einer Woche hatten kurdische und sunnitische Abgeordnete aus Protest verlassen. Mit der neuerlichen Verschiebung wird auch das gefährliche Machtvakuum um Wochen verlängert.

Sunniten fordern Autonomie

Verschärft wird die politische Krise durch einen Vorstoß der Sunniten. Sie stellen den schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki vor die Wahl: Entweder er billigt eine autonome Regionalregierung in den mehrheitlich von sunnitischen Muslimen bewohnten Provinzen oder man wird dort einen unabhängigen Staat ausrufen. Der Sprecher der sunnitischen Protestbewegung, Scheich Mohammed Taha al-Hamdun (siehe Artikelbild), sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Es gibt nur eine Lösung: drei Autonomieregierungen unter einer Flagge - eine der Kurden, eine der Schiiten und eine der Sunniten." Bagdad würde demnach die gemeinsame Hauptstadt bleiben. Sollte al-Maliki auf diese Forderung nicht eingehen, "wird es eben drei Staaten geben". Die Autonomieregion Kurdistan im Nordirak hat mit den Vorbereitungen für ein Unabhängigkeitsreferendum bereits begonnen.

Zugleich räumte der islamische Geistliche ein, dass es massive Konflikte zwischen Kämpfern der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat im Irak und in Syrien" (ISIS) und den irakischen Stämmen gebe. Diese Auseinandersetzungen seien jedoch auf die Zukunft vertagt worden. Denn der größte Feind heiße al-Maliki. "Wenn der gefallen ist, gibt es keinen Platz für ISIS mehr im Irak."

Mohammed Taha al-Hamdun ist Sprecher der Bewegung, die Ende 2012 begann, Massenproteste gegen die von Schiiten dominierte Regierung zu organisieren. Wegen seiner Aktivität wurde der Scheich zeitweise inhaftiert. Aus Furcht vor einem Attentat floh er später mit anderen Sunnitenführern nach Kurdistan.

Al-Maliki bleibt hartnäckig

Trotz des wachsenden Drucks aus dem In- und Ausland beansprucht al-Maliki nach dem Wahlsieg seiner Partei im April eine dritte Amtszeit. Nicht nur die Sunniten lehnen ihn jedoch ab, sondern auch viele Schiiten haben Zweifel, ob al-Maliki der richtige Kandidat ist, eine Einheitsregierung unter Beteiligung der Sunniten und Kurden zu führen. Die ISIS-Miliz hat dieses Machtvakuum ausgenutzt und binnen weniger Wochen weite Teile im Norden und Westen erobert.

Dem Ministerpräsidenten droht ein weiterer Konflikt mit den Kurden. Nach Angaben der Nachrichtenseite Rudaw wirft das für die Peschmerga-Armee zuständige Ministerium in Erbil der irakischen Luftwaffe vor, Militärstützpunkte und Zivilisten in der Stadt Tus Churmatu angegriffen zu haben. Dabei sei am Sonntag ein zwölfjähriges Mädchen getötet worden. Dies sei schon der zweite Vorfall dieser Art innerhalb eines Monats gewesen. Beim nächsten irakischen Übergriff auf Kurden werde die Peschmerga nicht zögern zurückzuschlagen, erklärte demnach das Ministerium der kurdischen Streitkräfte. Tus Churmatu, 160 Kilometer nördlich von Bagdad, liegt in einem Gebiet, das zwischen Kurden und Zentralregierung umstritten ist.

kle/rb (dpa, rtr, afp)