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Posten und Personen

Alexander Kudascheff6. Februar 2007

Die jüngste Erweiterung der Europäischen Union hat ihre Spuren im EU-Parlament hinterlassen. Einige Parlamentarier mussten ihre Stühle in wichtigen Gremien räumen - ein Ansehensverlust, der weh tut.

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Autorenfoto, Alexander Kudascheff Fernschreiber

Es grummelt im europäischen Parlament. Leise, hinter verschlossenen Türen, aber doch vernehmbar. Und es geht - eigentlich eher ungewöhnlich im EP, das sich sonst sehr bemüht, konsensorientiert und harmonisch aufzutreten - um Macht, um Machtkämpfe. Jetzt allerdings um geschlagene Schlachten und um Wunden, die geleckt werden. Im Mittelpunkt die EVP. Die europäische Volkspartei. Sie hat bis jetzt zwei eindeutig wichtige Vorsitzende in Ausschüssen gestellt: Elmar Brok im Auswärtigen Ausschuss, sicher der bekannteste, einflussreichste deutsche Parlamentarier auf europäischen Parkett und Karl Heinz Florenz im Umweltausschuss. Beide Parlamentarier sind ihre Posten los. Und das schmerzt ganz besonders Elmar Brok.

Neuer Mann aus Polen

Neuer Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss ist übrigens der konservative polnische Parlamentarier Jacek-Saryusz-Wolski, der zwar nicht zur Partei der Kazcynszki-Brüder gehört, aber in Kreisen des Parlaments als auffällig nationalistisch gilt, als kontaktarm, als unangenehm im menschlichen Umgang, als rüde. In einer geheimen Wahl hätte Wolski wohl keine Chance gehabt. Um des fraktionsinternen Friedens willen, aber haben ihn viele gewählt, die ihn selbst in der eigenen Fraktion ablehnen. Wolski ist darüber hinaus der Prototyp eines osteuropäischen Abgeordneten, der in erster Linie das eigene nationale Wohl im Auge hat, der wenig bis gar nicht kompromissfähig ist (und es auch nicht sein will), sondern stur der eigenen Überzeugung folgt, und seinen Ressentiments freien Lauf lässt.

Natürlich ist Wolski gegen die europäische Verfassung - und damit auch gegen die deutschen Ambitionen in den nächsten sechs Monaten einen Fahrplan zur Wiederbelebung des Verfassungsvertrags im neuen Gewand. Er steht damit in einer Reihe mit dem ebenfalls konservativen tschechischen Abgeordneten Zahnadil, den der tschechische Präsident Klaus zu seinem "sherpa "in der Verfassungsdiskussion bestimmt hat, bloß - Zahnadil ist ein überzeugter Gegner des Verfassungsprojekts. Vielleicht höflicher als Wolski, aber ebenso entschieden.

Zwist in der EVP

Brok ist also abgewählt - zähneknirschend, denn er musste erleben, dass gerade polnische Parlamentarier gegen ihn - einen überzeugten Verfechter der deutsch-polnischen Aussöhnung - Stellung bezogen. Aber: Brok hat anscheinend oder vielleicht auch nur angeblich - den eigenen Job im Blick - versucht, seinen zu retten, indem er den Griff von Angelika Niebler (auch EVP) nach dem Vorsitz im Industrie-Forschungs-und Energieausschuss zu verhindern versuchte. Ohne Erfolg, aber die Stimmung in der EVP drückt es natürlich, wenn sich zwei eigene Leute so versuchen auszutricksen.

So zeigt sich am Anfang des "deutschen" Halbjahres zumindest im Parlament: die Deutschen stellen mit Hans Gert Pöttering den Parlamentspräsidenten, wichtiger Posten, aber doch eher repräsentativ. Mit Martin Schulz den Chef der halb großkoalitonären, halb oppositionellen Sozialisten. Sie haben mit Angelika Stiebler im Industrie- und mit Reimar Böge im Haushaltsausschuss extrem wichtige Positionen besetzen können, aber in der Öffentlichkeit sind beide Aufgaben nicht so prominent wie im Parlament selbst. Und sie haben innere Spannungen, die wahrscheinlich wichtiger sind als das Postengerangel. Denn die osteuropäischen Abgeordneten sind oft eher Transatlantiker als Europäer. Sie stehen schneller auf der Seite Washingtons und sind skeptisch gegenüber der Achse Berlin-Paris. Und sie haben die barsche Bemerkung Jaques Chiracs im Vorfeld des Irakkriegs nicht vergessen, die so genannten neuen Europäer sollten erst mal den Mund halten. Das hat sie bockbeinig werden lassen. Im Jubiläumsjahr der römischen Verträge keine wirklich guten Aussichten, der EU neuen Schwung zu geben und der weit verbreiteten Europamuffeligkeit entschieden entgegenzutreten.