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Parteien auf mühsamer Brautschau

Sabine Kinkartz7. Oktober 2013

CDU und CSU geben sich – noch – wählerisch. Nach einem ersten Sondierungsgespräch mit der SPD will die Union in dieser Woche mit den Grünen sprechen. Die Regierungsbildung kann dauern.

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Wäscheklammern in den Farben der Partein schwarz (CDU), rot (SPD) und grün (Grüne) auf einem Tisch (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Läuft in Berlin alles auf eine große Koalition zwischen CDU/CSU und SPD hinaus, oder könnte sich die Union am Ende doch für die Grünen entscheiden? Zwei Wochen nach der Bundestagswahl halten sich die Beteiligten offiziell zwar alle Optionen offen. Für Verwirrung sorgt in Berlin jedoch eine Terminankündigung aus München. CSU-Chef Horst Seehofer erklärte am Montagvormittag, dass sich CDU-Chefin Angela Merkel, er selbst und SPD-Chef Sigmar Gabriel "irgendwann am Freitag" treffen wollten.

Pikant ist die Ankündigung schon deshalb, weil am Donnerstag ein Sondierungsgespräch zwischen der Union und den Grünen geplant ist. Mit einem Dreiertreffen der Parteichefs einer potenziellen großen Koalition nur einen Tag danach könnte die Ernsthaftigkeit der Gespräche des Wahlsiegers Union mit den Grünen in Zweifel gezogen werden, noch bevor sie überhaupt stattgefunden haben. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Seehofer ohnehin am Freitag in Berlin sein wird, weil der Bundesrat tagt.

Große Koalition: Rot-schwarze Signale

Union und SPD nähern sich an

Kein Wunder, dass sich CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nach der Sitzung seines Parteipräsidiums beeilte, die Ankündigung aus München herunterzuspielen. Von einem konkreten Gesprächstermin am Freitag wisse er nichts. Es sei aber völlig normal, dass es parallel zu Sondierungsgesprächen informelle Kontakte gebe, sei es telefonisch oder in einem persönlichen Gespräch. "Aber die Sondierungen sind die entscheidenden Gespräche", so Gröhe mit Nachdruck.

Seine Partei nehme das Gespräch mit den Grünen genauso ernst wie das mit der Sozialdemokratie. "Wir gehen ergebnisoffen in ein Gespräch mit dem Willen, auch dort auszuloten, ob es Sinn macht, ein gemeinsames Programm für die nächsten Jahre zu entwickeln." Das sei so auch im Parteipräsidium mehrheitlich beschlossen worden.

Dennoch sind nach dem ersten Sondierungsgespräch zwischen Union und SPD am vergangenen Freitag erste Zeichen einer Annäherung nicht mehr zu übersehen. So besteht die SPD nicht mehr grundsätzlich darauf, dass die Steuern erhöht werden müssten. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass die politischen Ziele finanziert werden könnten. "Wir haben einen riesigen Investitionsbedarf in diesem Land und wir brauchen eine auskömmliche Finanzierung unseres Gemeinwesens", betonte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nach einer Sitzung des Parteivorstands. Einigkeit mit der Union bestehe bisher nur dahin gehend, dass sich Deutschland nicht weiter verschulden dürfe.

Noch viele Streitpunkte

Nahles warnte allerdings davor, das Ergebnis der ersten Sondierung überzubewerten. "Für uns stand bei dem Sondierungsgespräch im Mittelpunkt, ob man sich überhaupt auf gemeinsame Herausforderungen in den nächsten Jahren verständigen kann." Immerhin gebe es "große politische Brocken", die zu bewältigen seien, angefangen von der weiteren Entwicklung in Europa, über die Neuordnung des Arbeitsmarktes und des Rentensystems sowie die Bewältigung des demografischen Wandels bis zu einer Reform der Pflege. "Bei allen diesen Fragen gibt es Positionen, die näher beieinander sind, aber es gibt auch erhebliche Streitpunkte und Unterschiede", so Nahles. Die müssten beim nächsten Sondierungstermin am 14. Oktober angegangen werden und dabei müsse herausgefunden werden, ob es "Lösungskorridore" gebe. Sollte dies der Fall sein, dann will die SPD am 20. Oktober bei einem Parteikonvent über die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen mit der Union entscheiden.

Kompromisse gesucht

Fraglich ist, wie weit die Union der SPD entgegenkommen wird. In einer möglichen Koalition müsse sich klar zeigen, dass CDU/CSU die Bundestagswahl mit 41,5 Prozent der Stimmen gewonnen hätten, so CDU-Generalsekretär Gröhe. Doch auch im Konrad-Adenauer-Haus, der Parteizentrale der CDU, ist man sich im Klaren darüber, dass es ohne Kompromisse nicht gehen wird.

Das erste Sondierungsgespräch habe gezeigt, dass es große Übereinstimmung in der Beschreibung der Herausforderungen gebe, vor denen die Politik in den nächsten Jahren stehe, sagte Gröhe. Beispielhaft seien die Stabilität des Euro, die weitere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland sowie nötige Investitionen in die Zukunftsbereiche Bildung und Infrastruktur.

Bundeskanzlerin Merkel (M, CDU) und CSU-Chef Seehofer mit der Unionsdelegation unterwegs zu Sondierungsgesprächen mit der SPD (Foto: dpa )
Geballte Stärke: die Unionsdelegation auf dem Weg zum SonderierungsgesprächBild: picture-alliance/dpa

Steuererhöhungen lehnt die Union weiterhin kategorisch ab. Wenn die Wirtschaft gut laufe und die Arbeitslosigkeit niedrig sei, dann sei das auch gar nicht nötig, weil in diesem Fall die Steuereinnahmen hoch seien, so lautet die Begründung. "Höhere Steuersätze führen sehr schnell nicht zu höheren Steuereinnahmen, sondern zu mehr Arbeitslosigkeit und damit auch zu mehr Schulden, wenn sie nicht mehr Leistungen kürzen wollen", argumentiert der CDU-Generalsekretär.

Kämpferische Grüne

Bei den Grünen stößt diese Argumentation auf wenig Verständnis. "Wenn sie mehr Geld für Klimaschutz wollen, mehr Geld für Bildung, wenn sie die Länder aus ihrer Notlage herausbringen sollen, dann geht es nicht ohne Veränderungen im Steuersystem und ohne mehr Einnahmen für den Staat", argumentiert der grüne Fraktionschef Jürgen Trittin.

Skeptisch zeigte sich nach einer Vorstandssitzung der Grünen auch Parteichefin Claudia Roth. Ihre Fantasie habe durchaus Grenzen, wenn sie über vernünftige Anknüpfungsmöglichkeiten mit CDU und CSU nachdenke, sagte Roth. Ihre Partei werde das Sondierungsgespräch dennoch ernst nehmen. "Wir haben nicht vor, da nur einen Eisbecher zu essen und nach einer Stunde rauszugehen und zu sagen, das war es."

Grundlage werde aber auf jeden Fall das komplette grüne Programm sein, das die Partei auf keinen Fall revidieren werde, auch wenn die Grünen damit eine Wahlniederlage hätten hinnehmen müssen. "Es klingt sehr oberlehrerhaft, wenn manche glauben, uns sagen zu müssen, was die Grünen tun sollen und welche Inhalte sie vertreten müssen." Die angestrebte, auch personelle Neuausrichtung der Partei bedeute nicht, "dass sich die grüne Partei jetzt kompatibel für CDU und CSU" mache. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel müsse stattdessen Antworten darauf geben, wie in ihren Augen Klimaschutz aussehe und wie eine offene Gesellschaft aussehe, die "sich endlich der Multikulturalität" annehme.