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Ein Tabu wird überwunden

13. September 2011

Partnervermittlungen gibt es viele in Deutschland. Denn viele Singles sehnen sich nach Traumfrau oder Traummann, die Suche ist nicht immer einfach. Der Verein "Schatzkiste" vermittelt geistig behinderte Menschen.

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Grußkarte mit Herzmotiv und roter Schleife (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/N Media

"Gut gebaut, lange Haare, tätowiert" - so muss Riekes Traummann aussehen. Außerdem soll er Musik mögen, genauer Rockmusik. Die 29-Jährige aus Sankt Augustin hat sehr konkrete Vorstellungen von ihrem zukünftigen Partner.

Rieke und Gabriele Siebert (Foto: Schatzkiste/DW)
Rieke und die Leiterin der "Schatzkiste", Gabriele SiebertBild: Bonner Schatzkiste

Mit Daniel, ihrem Exfreund, hatte es irgendwie nicht geklappt. Sie trennte sich von ihm, war dann unglücklich verliebt, und sucht jetzt seit zwei Jahren einen neuen Mann an ihrer Seite.

Die rundliche Frau mit den kurzen dunkelbraunen Haaren spielt Schlagzeug und mag "Die toten Hosen". Sie hat sich ihr Sternzeichen, einen Löwen, auf den linken Oberarm tätowieren lassen und wirkt sehr selbstbewusst. Der Neue dürfe durchaus im Rollstuhl sitzen, um ihn würde sie sich kümmern, gerne auch kochen. Denn das macht Rieke derzeit auch beruflich in einer Behinderten-Werkstatt. Sie freut sich, wenn es anderen schmeckt.

Sehnsucht nach Zweisamkeit

Martin (Foto: Schatzkiste/DW)
Martin in der "Schatzkiste"Bild: Bonner Schatzkiste

Wie Rieke hat sich auch der 33-jährige Martin aus Troisdorf für fünf Euro in die Partner-Kartei der Bonner "Schatzkiste" aufnehmen lassen. Eine neue Partnerin hat er auf diese Weise zwar noch nicht kennengelernt, dafür war er aber schon zu einer Singleparty der "Schatzkiste" eingeladen.

Er habe mit einer netten Frau getanzt und sie hätten sich schon sehr schnell küssend in den Armen gelegen. Doch außer den heißen Küssen sei dann nichts mehr gewesen, erinnert sich Martin traurig. Auf sein erstes richtiges Date über die Partnervermittlung wartet Martin noch, man dürfe die Hoffnung eben nicht aufgeben.

Er erwartet von seiner Zukünftigen, dass sie "einen guten Charakter hat, lustig ist und viel mit mir unternehmen will". Martin kann sich gut ein Zusammenleben mit einer Freundin vorstellen, ja sogar eine Heirat.

Aufnahme in die Kartei und Warten

Computertastatur mit Herz-Symbol (Foto: picture alliance)
Alle Liebesdaten werden erfasstBild: picture-alliance / chromorange

Auf der Singleparty hatte auch die 42-jährige Marion aus Niederpleis jemanden kennengelernt. Die beiden haben zusammen getanzt und dann die Telefonnummern ausgetauscht. Das war's dann allerdings schon auch bei Marion.

Ihr Traumprinz soll mit ihr Kaffee trinken gehen, Bus fahren und Musik hören. Auf einen ersten Partnervorschlag wartet auch Marion noch. Anders als Martin kann sie sich ein Zusammenleben mit einem Freund aber nicht vorstellen. Erfahren hatte sie von der "Schatzkiste" auf ihrer Arbeitsstelle in einer Behindertenwerkstatt in Troisdorf bei Köln. Dort lag ein Flyer mit Informationen aus. Marion hat sich dann bei Gabriele Siebert von der "Schatzkiste" gemeldet und einen Termin ausgemacht.

Ihre Daten wie Alter und auch Art der Behinderung wurden erfasst, Vorlieben und Wünsche festgehalten. Auch die Frage nach der sexuellen Erfahrung wurde gestellt und ob körperliche Liebe in der Beziehung wichtig ist oder gar nicht gewollt ist. Zum Schluss wurde Marion fotografiert.

Zu jedem Topf gibt es einen Deckel

Der Bonner Verein "Schatzkiste" hat insgesamt 130 Männer und Frauen in seiner Kartei. Sie sind zwischen 18 und 68 Jahre alt. Das erste Treffen findet immer im Büro der "Schatzkiste" statt. Alle weiteren liegen in der Hand der Suchenden. Wenn es gefunkt hat, sollen sie selbst den Kontakt halten. Wie viele Partnerschaften oder Freundschaften die "Schatzkiste" in ihrer knapp zwei jährigen Geschichte vermittelt hat, weiß Leiterin Gabriele Siebert nicht so genau.

Martin und Gabriele Siebert (Foto: Schatzkiste/DW)
Martin und Gabriele SiebertBild: Bonner Schatzkiste

Denn nach dem ersten Treffen melden sich die beiden Beteiligten oft nicht mehr beim Verein. Siebert kümmert sich zusammen mit einer Kollegin immer mittwochs für zwei Stunden um die Neuaufnahmen. Beim gemeinsamen Ausfüllen des Fragebogens ist sie mit den unterschiedlichsten Erwartungen der Partnersuchenden konfrontiert. Allen gemeinsam sei der Wunsch, nicht mehr allein sein zu wollen.

Im Vordergrund stünden gemeinsame Aktivitäten wie einkaufen gehen und Eis essen. Zusammen zu ziehen, zu heiraten und Kinder zu haben sei vielen gar nicht wichtig. Eine Paarbeziehung sei auch oft schlicht ein Statussymbol.

Bis der erste Partnervorschlag kommt, kann recht lange dauern, denn in der Kartei finden sich viel mehr Männer als Frauen, die auf die große Liebe warten - das Verhältnis beträgt drei zu eins. Frauen seien grundsätzlich ängstlicher und fürchteten sich oft vor einer ungewollten Schwangerschaft, erklärt Gabriele Siebert. Immer mal wieder habe sie Menschen am Telefon, die sich über die Wartezeit beschwerten. Dann gibt sie zur Antwort, dass man eben "viele Frösche küssen müsse, bevor der Prinz dabei sei".

Die erste "Schatzkiste" wurde als erste deutsche Partnervermittlung für geistig Behinderte 1998 in Hamburg gegründet. Mittlerweile gibt es sie in zahlreichen deutschen Städten. Die Nachfrage ist da, ein lange gängiges Tabu wird überwunden.

Autorin: Petra Nicklis
Redaktion: Hartmut Lüning