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Glaube

Passen Liebe und Ehe zusammen?

27. Oktober 2017

Jede dritte Ehe in Deutschland wird geschieden. Jesus hat die Scheidung eindeutig verurteilt. Lucie Panzer denkt darüber nach, wie man mit dieser klaren Aussage umgehen kann.

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Liebeskummer Herz aus Eis
Bild: picture-alliance/dpa/L. P. Sakki

„Was Gott zusammengefügt hat…“

„Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden“ (Mk 10,9) Jesus hat das gesagt, es steht so in der Bibel und noch immer wird das in Gottesdiensten vorgelesen. Morgen auch wieder, obwohl in Deutschland inzwischen jede dritte Ehe geschieden wird, auch unter Christen. Sogar bei Pfarrerinnen und Pfarrern nehmen die Ehescheidungen zu.

Jesus hat in dieser Frage klare Kante gezeigt, wie man heute sagt. Ihm ging es damals vor allem um den Schutz der Frauen, die unversorgt waren, wenn ihr Mann sie einfach weggeschickt hat, weil sie ihm auf die Nerven ging oder weil er eine andere, schönere, jüngere gefunden hat. „Ihr sollt euch nicht scheiden lassen, hat er gesagt. Ehescheidung ist hartherzig.“

Und auch wenn ich weiß, dass die Verhältnisse heute andere sind, frage ich mich doch:

Bin ich zu hartherzig? Ich bin geschieden. Zu ungeduldig? Zu wenig tolerant? Zu anspruchsvoll? Denke ich womöglich nur an mich? Jesus, der gesagt hat: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst?“, der will nicht, dass ich meinem Nächsten weh tue. . Dass ich ihn allein lasse, aus welchem Grund auch immer. Dass ich die Kinder traurig mache. Dass irgendwer das Gefühl kriegt: Nun bin ich nur noch der Rest, mich braucht keiner mehr.

Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden. Das ist der Weg, den Jesus richtig findet.

Da sagen viele: Hat er nicht auch gesagt: „Das Gesetz ist für den Menschen da und nicht der Mensch für das Gesetz?“ Und hat er nicht auch gesagt: „Ich bin gekommen, die Sünder zu suchen und nicht die Gerechten“? Die, die scheitern und nicht die, die alles richtig machen und gut hinkriegen?

Sie merken: Ich versuche mit Jesu klarem Wort zurecht zu kommen, genau wie viele andere.

Scheiden tut weh

Es hat keinen Sinn, glaube ich, sich sein Wort schön zu reden. Doch. Er hat das so gemeint, wie er es gesagt hat. Genauso, wie die Sache mit dem Nächsten, den ich lieben soll wie mich selbst.

Und ich muss sagen: Ich weiß. Ich weiß, wie weh es tut, wenn man nicht halten kann, was man sich vorgenommen und versprochen hat. Und ich finde auch, dass das nicht sein sollte. Aber es ist nicht so einfach. Ich bin nicht so geradlinig und stark, wie ich es vielleicht gern wäre. Ich mache Fehler. Und ich schaffe das nicht immer, meinen Nächsten zu lieben wie mich selbst.

Manches schaffe ich nicht. Jesus hat gesagt, wir sollen nicht Schätze in Scheunen sammeln. Und wir tun es doch, jeder auf seine Weise. Wir sollen alles den Armen geben, was wir haben – das hat er auch gesagt. Und viele geben: Zeit und Geld für die, die Hilfe brauchen. Aber: alles?

Ich fürchte, so ähnlich ist das auch mit dem Scheidungsverbot. Jesus hat das so gesagt. Und eigentlich hat er Recht, denn Scheiden tut weh. Aber ich habe es nicht geschafft. Und viele andere schaffen es auch nicht. Meine Liebe war nicht ewig. Die Liebe, die nimmer aufhört – das ist Gottes Liebe. Meine war endlich.

Ohne Hass auseinandergehen

Deshalb mache ich Fehler. Deshalb schaffe ich nicht alles, was ich mir vorgenommen habe. Und ich hoffe darauf, dass Gott mich trotzdem liebt. Dass er aus dem Rest, der von meinem Leben geblieben ist etwas Neues schaffen kann. So, wie aus einem Baumstumpf ein neuer Trieb herauswachsen kann. So, wie man aus Resten ein schönes Patchwork zusammensetzen kann, wenn man sich Mühe gibt.

Gottes Liebe – die kann einem dazu Geduld geben und neue Kraft und neuen Mut. Auch die Kraft und die Weisheit, eine Trennung durchzustehen. Besonnen und so schonend wie möglich. Manchmal ist das das letzte, was man noch tun kann: Ohne Hass auseinander gehen. Wenn die Liebe abhanden gekommen ist – vielleicht geht wenigstens das noch: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst – gerade auch, wenn der Nächste mein Mann gewesen ist oder meine Frau.

die evangelische Pfarrerin Lucie Panzer Stuttgart
Bild: GEP

Ein Text von Dr. Lucie Panzer, Rundfunkpfarrerin