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Patentrezept zum Verlieren

Udo Bauer6. September 2004

Läuft George Bush seinem Herausforderer John Kerry davon? Es sieht fast danach aus. Es sei denn, die Demokraten lassen sich jetzt schnell etwas einfallen. Manchmal kann einem der Kandidat wirklich Leid tun.

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Udo Bauer

John F. Kerry wurde in den letzten Wochen Opfer einer schmutzigen Kampagne voller Lügen und Halbwahrheiten: Da war einmal der Parteitag der Republikaner vergangene Woche, auf dem Leute wie Dick Cheney die Botschaft des Senators verdrehten und sich dann über ihn lustig machten. Und da war die diffamierende Fernsehwerbung der „Swift Boat Veterans for Truth", einer Anti-Kerry-Gruppe aus Vietnamveteranen.

Beides, der Parteitag und die TV-Werbung, hatte Kerry so zugesetzt, dass er jetzt – knapp zwei Monate vor der Wahl - elf Prozentpunkte (Umfragen von "Time" und "Newsweek") in der Wählergunst hinter dem Präsidenten liegt. Historisch gesehen, hat jeder Amtsinhaber einen solchen Vorsprung ins Ziel retten können. Das Hauptproblem des Kandidaten ist der Kandidat selbst, so analysierten politische Kommentatoren immer wieder. Da haben sie nicht Unrecht!

Viel zu passiv

Kerry hatte in den vergangenen Wochen immer viel zu spät auf die Tatsachenverdreherei seiner politischen Gegner reagiert. Dass das ein Fehler ist, müsste man eigentlich wissen, seit Michael Dukakis 1988 die Präsidentschaftwahl gegen Bush senior haushoch verloren hatte. Dukakis hatte seinerzeit gemeint, er könne die Schmutzkampagne der Republikaner einfach aussitzen. Tatsächlich aber hatte er innerhalb weniger Wochen einen Vorsprung von 15 Prozentpunkten verspielt. Der Wähler mag zwar keine Schmutzkampagnen, so die Lehre daraus, aber auch keinen Präsidenten, der nicht versteht, sich seiner Haut zu wehren und zurück zu schlagen. Geschichte wird von Siegern gemacht, nicht von Opfern. Und nach einer gewissen Zeit fragt keiner mehr, wie der Sieg errungen wurde.

Erfahrene Clinton Berater

Am vergangenen Wochenende fühlte sich sogar Ex-Präsident Clinton trotz bevorstehender Herzoperation gemüssigt, John Kerry am Telefon diese und ein paar andere simple Weisheiten beizubringen. Resultat: Die Kampagne von John Kerry wird jetzt dominiert von den Wahlhelfern und erfahrenen Beratern von Clinton wie Paul Begala, James Carville (beide Moderatoren der CNN-Show "Crossfire") und Joe Lockhart, dem früheren Sprecher des Weißen Hauses. Die sollen jetzt dafür sorgen, dass der bräsige Ostküsten-Patrizier sich etwas von dem Glanz Bill Clintons zulegt. Außerdem soll Kerry jetzt aggressiver den Präsidenten angehen.

Warum er das nicht längst getan hat, ist vielen Demokraten ein Rätsel. Der Präsident kämpft schließlich mit offenem Visier und hat ein langes Kerbholz mit politischen Misserfolgen - vom Irak bis zur Wirtschafts- und Sozialpolitik. Bisher hat es Bush immer wieder geschickt verstanden, davon abzulenken: Das Irakabenteuer stellt er immer noch dar als Etappe im Kampf gegen den Terrorismus und das von ihm verursachte Rekord-Haushaltsdefizit erwähnt er nie. Stattdessen promoted er lautstark die Vereinfachung des Steuersystems. Dass man in Amerika so etwas dem Wähler erzählen muss, ist zwar traurig, aber leider wahr.

Gesucht wird: Eine Message

Und noch etwas: John Kerry fehlt die einfache, griffige Botschaft. Ein politisches Bekenntnis, das ihn deutlich von Präsident Bush unterscheidet. Da hat Kerry leider schon viele Fehler gemacht. Er hat zu spät erkannt, dass das Thema, das am allermeisten die Wähler beschaeftigt und mobilisiert, der Irakkrieg ist. Die meisten Amerikaner glauben mittlerweile, dass der Krieg ein Fehler war – sogar Erzkonservative wie Pat Buchanan. Circa 80 Prozent der demokratischen Basis und viele unentschlossene Wähler sind Gegner dieses Krieges.

Statt daraus Kapital zu schlagen, sich an die Spitze der Bewegung zu stellen und einen Rückzugsplan zu erarbeiten, sagt Kerry, er hätte auch nach dem heutigen Wissensstand Bush zum Kriegsgang ermächtigt, aber ansonsten hätte er alles anders gemacht. Diese Sowohl-Als-Auch-Position ist typisch für John Kerry, denn sie unterscheidet sich nur insofern von der des Präsidenten, als dass man bei Bush weiß, woran man ist. Dieses von Kerry kultivierte Hin und Her (im US-Wahlkampfjargon "Flipflop" genannt) verunsichert nicht nur die Wähler, es ist das Patentrezept dafür, die Wahl zu verlieren.