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Patt nach Nord-Zypern Wahl

Rainer Sollich15. Dezember 2003

Die Parlamentswahl im türkischen Nord-Zypern am Sonntag (14.12.) hat ein Patt zwischen bisheriger Regierung und Opposition ergeben. Auftrieb oder Dämpfer für Hoffnung auf Wiedervereinigung?

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Die Wahl ist gelaufen - wie aber soll es jetzt weitergehen?Bild: AP

Mit 48,3 Prozent erhielten die Oppositionsparteien zwar die meisten Stimmen. Ins Parlament entsenden sie jedoch die gleiche Anzahl von Abgeordneten wie die bisher regierenden Parteien, die gegen eine Wiedervereinigung mit Süd-Zypern sind. Beide Lager errangen 25 der 50 Sitze, wie das vorläufige amtliche Endergebnis am Montagmorgen (15.12.) ergab.

Eines haben die Wahlen überraschend deutlich gemacht: Der Gegensatz zwischen Türken und Griechen ist nicht der einzige auf Zypern. Die türkische Gemeinschaft ist selbst tief gespalten. Denn die Abstimmung war zugleich Referendum über eine nationale Schicksalsfrage: die Wiedervereinigung der Insel nach dem Modell des Friedensplans von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, verbunden mit der Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft auch des türkischen Teils.

Es fällt schwer, dieses Ergebnis einzuordnen. Einerseits haben die Europa- und Wiedervereinigungsorientierte Kräfte auf Nord-Zypern ihr bisher bestes Wahlresultat eingefahren. Andererseits jedoch hatten bei Demonstrationen zu Jahresbeginn noch zwei Drittel der Bevölkerung für weitere Verhandlungen und gegen die Blockadepolitik von Präsident Rauf Denktasch demonstriert.

So gesehen hätten die Stimmenzuwächse für die Oppositionskräfte in der nur von Ankara anerkannten 'Türkischen Republik Nord-Zypern' auch deutlicher ausfallen können. Mit dem jetzigen Ergebnis können sie jedenfalls nicht voll zufrieden sein. Ebenso wenig die EU, die bei dieser Abstimmung recht unverhohlen Denktaschs Gegner unterstützt hatte.

Denktasch wird weiterhin mitreden

Wer immer nun auf Nord-Zypern mit der Regierungsbildung beauftragt wird: Präsident Denktasch ist keineswegs so geschwächt, dass eine Zypern-Lösung einfach an ihm vorbei verhandelt werden könnte. Er dürfte vor allem die zahlreichen zugewanderten Türken aus Anatolien hinter sich haben - Menschen, die von der nordzypriotischen Führung einst gezielt nach Zypern gelockt wurden, um das türkische Lager zu stärken.

Nun befürchten sie, bei einer Wiedervereinigung ihre Häuser an die ursprünglichen griechischen Besitzer zurückgeben zu müssen oder gar in ihre alte Heimat zurückgeschickt zu werden. Das Denktasch-Lager hat genau diese Befürchtungen erfolgreich im Wahlkampf instrumentalisiert und sich so Stimmen für einen Fortbestand der Teilung erkämpft. Die Opposition hingegen hat es versäumt, die verständlichen Ängste dieser Menschen zu zerstreuen.

Türken als Besatzungsmacht in der EU?

Dabei würden gerade die Bürger im isolierten und wirtschaftlich rückständigen Nord-Zypern von einem EU-Beitritt profitieren. Doch angesichts des Wahlausgangs dürfte es mehr als schwer werden, wie erhofft noch vor Ende Mai zu einer Lösung zu kommen. Ende Mai aber tritt die griechisch dominierte südliche Republik Zypern der EU bei. Weil diese Inselhälfte völkerrechtlich trotz der Teilung noch immer als Vertreterin des ganzen Landes gilt, würde somit die Türkei mit ihren über 30.000 Soldaten auf Nord-Zypern schlagartig zur Besatzungsmacht in einem Mitgliedsland der Europäischen Union.

Keine gute Voraussetzung für die EU-Beitrittswünsche der Türkei. Brüssel hat oft genug deutlich gemacht, dass die ungelöste Zypern-Frage ein ernstzunehmendes Hindernis ist. Andererseits jedoch dürfte Ankara auch weiterhin versucht sein, Zypern umgekehrt als Trumpfkarte für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren.

Die Rechnung ist denkbar einfach und lautet in Worte gefasst: Wenn Ihr Europäer uns Türken einen verlässlichen Weg in die EU aufzeigt, dann sorgen wir unsererseits für eine Lösung des Zypern-Problems. Die Macht dazu hat Ankara noch immer. Auch deshalb, weil drei Jahrzehnte internationale Isolation dazu geführt haben, dass Nord-Zypern politisch, wirtschaftlich und militärisch von Ankara abhängig ist.