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Paukenschlag aus Washington

Klaus Dahmann26. August 2005

Mit radikalen Änderungsvorschlägen zum UN-Reform-Entwurf wollen die USA in der Weltpolitik Akzente verschieben. Klaus Dahmann kommentiert.

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Klaus Dahmann
Klaus Dahmann

Laut der Zeitung "Washington Post" hat der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Bolton, 500 Änderungsvorschläge zum Reform-Entwurf von Generalsekretär Kofi Annan vorgelegt. Darin wollen die USA den Kampf gegen den Terrorismus und das Thema Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen stärker betonen. Andererseits sollen zentrale Punkte, die Annan im Reform-Entwurf erwähnt hatte, nicht mehr explizit vorkommen: die Millenniums-Entwicklungs-Ziele, Maßnahmen gegen den Klimawandel und der Internationale Strafgerichtshof.

Der Paukenschlag aus Washington ist geglückt. Mit einem Federstrich wollen die USA all das hinwegfegen, was die Vereinten Nationen in den vergangenen Jahren erreicht haben und worauf sie zurecht stolz sind: Millenniums-Ziele, Kyoto-Protokoll, Internationaler Strafgerichtshof. Insgesamt sage und schreibe 500 Änderungswünsche, verbunden mit dem ungeduldigen Hinweis: "Die Zeit drängt!"

Das tut sie in der Tat, denn in wenigen Wochen soll das Papier, um das es geht, Grundlage des UN-Reform-Gipfels sein. Und allen ist klar, dass ohne den größten Beitragszahler USA zwar schön klingende Beschlüsse verabschiedet werden können, aber eben auch nicht mehr.

In den vergangenen Monaten hat sich die Regierung in Washington zurückgehalten: Im Juni legte sie ein kurz gehaltenes Positionspapier vor, aus dem eigentlich nur ersichtlich war, was sie an Annans Reform-Entwurf sympathisch findet. Dass dort weder die Millenniums-Ziele noch das Kyoto-Protokoll oder der Internationale
Strafgerichtshof erwähnt wurden, hat niemanden überrascht.

Denn es ist hinlänglich bekannt, dass die USA allen drei Themen kritisch gegenüber stehen: Washington erhöht zwar in den letzten Jahren seine Ausgaben für Entwicklungshilfe, will sich aber nicht auf konkrete Zusagen festlegen, wie sie die Millenniums-Ziele vorschreiben. In mehreren Bundesstaaten der USA gibt es Fortschritte bei der Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes, aber man will sich keine Quoten diktieren lassen, wie sie im Kyoto-Protokoll vereinbart sind.

Ebensowenig ist die Bush-Regierung bereit, das Statut des
Internationalen Strafgerichtshofs zu ratifizieren, weil das Gericht ihrer Meinung nach von Amerika-Feinden missbraucht werden könnte. Allerdings hat Washington grünes Licht gegeben, dass der Fall Darfur an Den Haag übertragen wird.

Wenn die USA nun wollen, dass all das aus dem Annan-Papier gestrichen wird, ist das nicht mehr als eine taktische Forderung: Es geht darum, die Akzente zu verschieben - weg von der Frage, wie der Sicherheitsrat erweitert werden soll - hin zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus und zur Nichtverbreitung von Atomwaffen. Denn diese beiden Punkte sind in den bisherigen Diskussionen um das Annan-Papier in den Hintergrund gerückt.

Den Diplomaten in New York stehen nun heiße Wochen bis zum UN-Gipfel bevor, in denen sie sich Absatz für Absatz durch den Text des Reform-Entwurfs arbeiten müssen. Dass dabei die Millenniums-Ziele, das Kyoto-Protokoll und der Internationale Strafgerichtshof aus dem Abschluss-Papier verschwinden, ist eher unwahrscheinlich. Denn das würde einen großen Rückschritt bedeuten, eine Verneinung dessen, wo die Vereinten Nationen in den vergangenen Jahren ihre größten Erfolge erzielt haben.

Der Kompromiss könnte sein, dass der Anti-Terror-Kampf und das Verbot der Verbreitung von Atomwaffen stärker betont werden, aber ansonsten alles bleibt, wie es ist. Und damit hätte die Regierung in Washington vermutlich das erreicht, was sie will.