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Peinliches Front-Theater

14. Dezember 2010

Mit seinem Überraschungsbesuch samt Gattin und Talkmaster in Afghanistan hat Karl Theodor zu Guttenberg viele kritische Kommentare in den deutschen Zeitungen heraufbeschworen.

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Titelseiten deutscher Tageszeitungen mit Fotos der zu Guttenbergs (Foto: DW)
Bild: DW

Die Märkische Oderzeitung warnt den Minister:

"Dass der Verteidigungsminister und seine Frau fotogen sind, ist ihnen nicht vorzuwerfen. Dass er flinker im Kopf und gewandter mit der Zunge ist als Deutschlands Durchschnittspolitiker, darf ihm ebenso wenig zum Nachteil gereichen. Nicht umsonst gilt Karl-Theodor zu Guttenberg … schon als nächster Kanzler aus den Reihen der Union. Er muss nur allmählich aufpassen, dass er bei der Selbstinszenierung nicht überdreht. Es sind schon manche als politisches Talent gestartet und als geplatzter Luftballon gelandet."

Die Nordsee-Zeitung aus Bremerhaven reagiert mit beißender Ironie:

"Den Bundeswehrangehörigen bleibt auch nichts erspart. Erst die Taliban, Drogenbosse, die korrupte Karsai-Regierung und dann auch noch ein ganzer Tross Soldatenversteher, der sie heimsucht. Nur eine Frage der Zeit, wann sich die Super-Nanny oder ein frauensuchender Bauer an der Gulaschkanone in Kundus einfinden. Dass sich durch die peinliche Promi-Showtime der Rückhalt in der Heimat für den Kampfeinsatz verstärkt, darf tunlichst bezweifelt werden. Dieses Frühstück mit Stephanie überspannt den Bogen. Viel Show, wenig Substanz."

Die Frankfurter Rundschau analysiert die Gründe für Guttenbergs Inszenierung:

"Ihm geht es nicht darum, uns zu überzeugen. Ihm geht es darum, Emotionen zu wecken für ein Produkt, das der Kopf ihm nicht abkauft: den in der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnten Krieg. Dass der fahrende Frontschauspieler Gattin Stephanie mitnimmt, rundet das Bild nur ab. Wer Krieg zur Fernsehshow trivialisiert, kann auf eine reizende Assistentin nicht verzichten."

Und selbst CSU-freundliche Zeitungen wie der Münchener Merkur gehen auf Distanz:

"Darf der das? Er darf. Verteidigungsminister zu Guttenberg darf seine Frau mit auf Dienstreise nehmen. Er darf Journalisten mitreisen lassen, auch prominente aus dem Fernsehen. Nichts Unrechtes tut er also, wenn er nun mit Gattin Stephanie und mit dem Moderator Johannes B. Kerner in Afghanistan landet. Eine andere Frage aber ist, ob er klug handelt. Zwei gewichtige Argumente muss er abwägen: die große Geste der Solidarität mit den Soldaten; und die Gefahr, die unter Lebensgefahr arbeitende Truppe als Kulisse zu missbrauchen. Für den Minister persönlich kommt ein dritter, nachrangiger Aspekt hinzu. Er sollte aufpassen, den Punkt nicht zu überschreiten, wo der goldene Guttenberg-Rummel den Menschen auf die Nerven geht."

Klar hinter den Verteidigungsminster stellen sich einige der kleineren Blätter, so die Cellesche Zeitung:

"Für einige Zeit wird der Einsatz am Hindukusch noch zum Alltag von 5000 deutschen Soldaten gehören. Auch darauf will der Minister hinweisen. Und er will zeigen, dass ungeachtet aller Kritik zumindest einige deutsche Politiker noch hinter ihnen stehen. Vielleicht ist es ja das, was viele Guttenberg-Kritiker am meisten ärgert."

Und auch die Berliner Morgenpost kann in Guttenbergs Reise nichts Verwerfliches entdecken:

"Es gibt ausreichend Gründe, über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan zu streiten. Ob der amtierende Verteidigungsminister zu einem seiner durchaus zahlreichen Besuche bei der Truppe seine Ehefrau mitnimmt, meinetwegen auch noch einen Talkshow-Moderator, gehört eher nicht zu diesem ernst zu nehmenden Debatten-Repertoire. Die Soldaten vor Ort werden beides mit großer Sicherheit unbeschadet überleben. Die meisten werden das dazugehörige Tamtam als ganz willkommene Ablenkung annehmen. Es gibt ja nicht zu viel davon im Staub von Kundus. Die Damen und Herren Roth, Gysi, Gabriel dürfen also gerne wieder auf den Teppich zurückkehren, vielleicht auch in jene Talkshows, in denen sie selbst zur Stammbesetzung gehören - nicht der Verteidigungsminister, auch nicht seine Ehefrau."

Zusammengestellt von: Nicola Reyk
Redaktion: Esther Broders