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Per Los zum NSU-Prozess

29. April 2013

Eine Woche vor Beginn des Verfahrens um die Morde der NSU-Zelle entscheidet das Los, welche Medien den Prozess direkt im Saal mitverfolgen können. Ein Notar nimmt die Ziehung unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor.

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Drei Akkreditierungsausweise von Journalisten zum NSU-Prozess (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Hunderte Anfragen sollen es sein. In dem neuen Akkreditierungsverfahren für den NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München haben sich weit mehr Medien um einen Platz beworben als im ersten. Nach wie vor stehen jedoch nur 50 Presseplätze zur Verfügung.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit nimmt der Münchner Notar Dieter Mayer im Saal A 101 des Strafjustizzentrums an diesem Montag die Ziehung vor. Ein Protokollführer hält die Namen fest. Der frühere SPD-Spitzenpolitiker Hans-Jochen Vogel fungiert als Zeuge und überwacht den korrekten Ablauf. Der 87-jährige Vogel war bis 1972 auch Münchner Oberbürgermeister. Am Montagnachmittag will das Gericht die Ergebnisse der Ziehung der Öffentlichkeit mitteilen.

Zehn Sitze fürs Ausland

Die Plätze beim Losverfahren sind ausgeklügelt nach Mediengruppen aufgeteilt. Für ausländische Pressevertreter sind zehn Sitze reserviert, darunter vier für türkische Medien. Diese waren im ersten Vergabeverfahren leer ausgegangen, obwohl acht der zehn Mordopfer der Neonazi-Terroristen NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) türkischstämmiger Abstammung waren.

Die türkische Tageszeitung "Sabah" warf dem Oberlandesgericht deshalb Ungleichbehandlung vor und legte Verfassungsbeschwerde ein. Vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kam daraufhin die klare Anweisung, auch ausländischen - und vor allem türkischen - Journalisten Plätze zu garantieren. Daraufhin entschied sich der Senat unter dem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl, den Prozessbeginn auf den 6. Mai zu verschieben und die Medienplätze per Losverfahren zu vergeben.

NSU-Prozess – Presseplätze verlost

Die Hauptangeklagte in dem Verfahren ist Beate Zschäpe. Zudem sind vier mutmaßliche Helfer der Rechtsterroristen angeklagt.

Kritik ebbt nicht ab

Das neue Verfahren ist transparent - aus der Kritik ist das Gericht damit nach wie vor nicht. Nach der Empörung über das Fehlen türkischer Medien folgte jetzt der Unmut der deutschen Tagespresse: Für rund 370 Zeitungen gibt es beim Losverfahren acht Plätze. "Damit macht das Oberlandesgericht München das Verfahren endgültig zur Farce", schreibt beispielsweise die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". "Willkommen bei der Münchner Presselotterie!".

Die türkische Zeitung "Hürriyet" befand, vier Plätze für türkische Medien seien noch zu wenig. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland verlangt weiterhin reservierte Plätze auch für den türkischen Botschafter und muslimische  Religionsgemeinschaften.

Am zentralen Problem hat sich nämlich nichts geändert: Der Saal A101 ist zu klein für den großen Andrang in dem spektakulären Verfahren, das zu den wichtigsten in der deutschen Nachkriegsgeschichte zählt. Neben den 50 Presseplätzen gibt es nur gut 50 Sitze für die übrige Öffentlichkeit. Immer wieder wird eine Videoübertragung in einen zweiten Saal verlangt. Der Senat lehnt das wegen rechtlicher Bedenken ab. Ein Versuch von Nebenklägern, eine solche Übertragungsweise per Verfassungsbeschwerde zu erzwingen, scheiterte am vergangenen Donnerstag.

se/qu (dpa, afp, FAZ)