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Gulags im Internet

Alexander Freund 27. Juni 2007

Erstmals verwendet eine Menschenrechtsorganisation Satellitentechnologie und das Internet, um Menschenrechtsverbrechen zu dokumentieren: die Arbeitslager Nordkoreas.

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Antennen zum Empfang von Satelliten-Signalen
Im Satellitenzeitalter bleibt nur wenig verborgenBild: Lockheed-Martin

Für das ungeübte Auge sind auf den Satellitenbildern nur Gebäude, Felder und schwarze Flecken zu sehen. Doch der Fachmann erkennt sofort, dass es sich um das Arbeitslager "Nummer 22" handelt - eines der größten In Nordkorea. Auf einer Fläche von 50 Quadratkilometern rund um den Ort Haengyong, nahe der Grenze zu China, sollen dort mehr als 50.000 politische Häftlinge eingesperrt sein. Die UNO schätzt ihre Zahl sogar auf etwa 200.000.

Aus der Küche dem Terror auf der Spur

Von seiner Küche aus in einem Vorort von Silver Spring im US-Bundesstaat Maryland untersucht Matthew McKinzie das abgeschottete Nordkorea. Der Wissenschaftler vom "Natural Recourses Defence Council" ist einer der wenigen außerhalb des Militärs und der Geheimdienste, der Satellitenbilder detailgenau analysieren kann. Dem Spezialisten für Bodenschätze reichen ein Laptop und ein paar externe Festplatten, um sich anhand der Aufnahmen ein genaues Bild von dem kommunistischen Staat machen zu können. Mühelos identifiziert er eine Startbahn und die daneben abgestellten MIG-Kampfflugzeuge samt Luftschutzbunkern.

Nordkorea: Kim II Sung
Allgegenwärtig: Nordkoreas früherer Machthaber Kim Il SungBild: AP

Hochauflösende Satellitenbilder standen bislang nur einigen Regierungen und Geheimdiensten zur Verfügung. Jetzt sind sie jedem über das Internet zugänglich. Diese Entwicklung eröffnet der Zivilgesellschaft eine völlig neue Welt. Und bringt nicht nur Nordkorea, sondern auch den demokratischen Süden in Erklärungsnöte, denn bislang schweigt Seoul die Arbeitslager tot, um nicht ihre Sonnenscheinpolitik der Aussöhnung mit Nordkorea zu gefährden.

Was die Bilder nicht zeigen, ist das Leid der Gefangenen in den Lagern. Davon aber weiß Kim Yong zu berichten, der jahrelang in Lager 12 interniert war. Schlimmer noch als die alltägliche Gewalt, der ewige Hunger und die harte Arbeit sei die Sippenhaft gewesen, erzählt Kim, denn bei politischen Häftlingen werde oftmals gleich die ganze Familie mitsamt Kindern, Eltern und Großeltern interniert.

Studie des Grauens

Zusammengefasst wurden die Zeugenaussagen und Satellitenaufnahmen von der privaten US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation "Komitee für Menschenrechte in Nordkorea" (HRNK). Autor David Hawk hat dazu 30 überlebende politische Gefangene und fahnenflüchtige Aufseher befragt und grauenhafte Berichte über Arbeit bis zum Tod, Folter und Hunger im Internet der Öffentlichkeit zugängig gemacht.

Ihre Zeugenberichte zusammen mit den inzwischen frei zugänglichen Satellitenbildern ergeben ein Bild von den "versteckten Gulags", denn viele Lager sind entweder unterirdisch oder wie normale Dörfer angelegt, damit Satelliten sie nur schwer erkennen können. Erst durch die Augenzeugenberichte seien die Lager zweifelsfrei zu identifizieren, erklärt der Satellitenbild-Experte Matthew McKinzie.

Virtueller Pranger

Unabhängig überprüfbare Berichte wird es aber erst geben, wenn das Regime die Vereinten Nationen oder Menschenrechtler ins Land lässt, um die Vorwürfe untersuchen zu lassen. Solange setzt das US-Komitee für Menschenrechte in Nordkorea auf die Kraft der neuen Verbreitungsform übers Internet. Schließlich sei dies das erste Mal gewesen, dass eine Menschenrechtsorganisation die Satellitentechnologie verwendet habe, um Menschenrechtsverbrechen zu dokumentieren, betont HRNK-Direktorin Debra Liang-Fenton.