1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Persönlich haftbar?

Thomas Kohlmann17. März 2003

Alfred de Zayas ist Professor für Völkerrecht, Mitglied der Republikanischen Partei und ein Freund klarer Worte. Er sieht George W. Bush vor dem Internationalen Strafgerichtshof, wenn er den Irak ohne UN-Mandat angreift.

https://p.dw.com/p/3NoN
Im Zentrum der KritikBild: AP

"Allein der Truppenaufmarsch am Golf ist schon völkerrechtswidrig!" Alfred de Zayas ist seine Empörung über den Kriegskurs der Bush-Regierung deutlich anzumerken. "Schließlich verbietet schon die UN-Charta die Androhung und Anwendung von Gewalt in zwischenstaatlichen Konflikten." Der amerikanische Völkerrechtler, der 22 Jahre für die Vereinten Nationen (UN) tätig war, geht aber noch weiter: "Dieser US-Regierung unter George Bush Widerstand zu leisten, das ist Pflicht für jeden Demokraten." Damit vertritt er in den USA vermutlich eine Meinung, die nicht jeder teilt.

"Ein großer Fehler"

Alfred de Zayas
Alfred De Zayas

Immer wieder wird das Völkerrecht in diesen Tagen, die über Krieg oder Frieden im Mittleren Osten entscheiden, zitiert. Dürfen die USA und ihre Verbündeten auch ohne ausdrückliche Zustimmung des UN-Sicherheitsrates einen Militärschlag führen, um das Regime von Präsident Saddam Hussein zu entwaffnen oder sogar zu stürzen?

Zumindest De Zayas Antwort ist eindeutig: "Auf keinen Fall. Ein Staat darf nur Krieg führen, wenn er selbst angegriffen worden ist oder ein Angriff unmittelbar droht." Der vor 55 Jahren in Chicago geborene, in Harvard promovierte Jurist tritt dafür ein, dass der neue Internationale Strafgerichtshof in Den Haag im Auftrag der UN-Generalversammlung ein Gutachten erstellen soll, in dem geklärt wird, ob das Vorgehen der USA gegen das Völkerrecht verstößt.

Dabei ist de Zayas erst durch die Politik Bushs zu dessen Gegner geworden: "Seit 30 Jahren bin ich Mitglied der Republikanischen Partei – ja, ich habe ihn 2000 sogar gewählt. Heute weiß ich, dass das ein großer Fehler war."

Juristische Konsequenzen für Bush & Co.

Falls der US-Präsident seiner gewaltigen Militärmacht am Golf ohne den Segen der UN den Befehl zum Angriff auf den Irak geben sollte, sieht der Völkerrechtler ernsthafte Konsequenzen auch auf die aktuelle US-Führung zukommen: "Bush, Rumsfeld und Cheney müssen damit rechnen, dass sie persönlich für Verbrechen gegen den Frieden haften müssen - nach Artikel 5 des Statuts des neuen Internationalen Strafrechttribunals." Ebenfalls eine Meinung, die nicht alle Völkerrechtler teilen werden. Doch de Zayas meint, auch wenn dieser sehr junge Internationale Strafgerichtshof von den USA nicht anerkannt wird, sei es durchaus denkbar, dass Bush oder Rumsfeld nach ihrer Amtszeit, wenn sie also keine Immunität mehr genießen, außerhalb der USA verhaftet werden: "Sagen wir einmal Herr Bush macht dann in Acapulco Urlaub. Dann kann er dort verhaftet und nach Den Haag ausgeliefert werden."

Gleiches gelte für den britischen Premierminister Tony Blair. Dieser gehe ein noch größeres Risiko ein, weil sein Land das Gericht in Den Haag anerkannt hat.

Dass ein solches Szenario unrealistisch ist, lässt de Zayas nicht gelten. Auch der ehemalige chilenische Diktator Augusto Pinochet habe gedacht, in London unantastbar zu sein. Dann sei er aber von den Briten monatelang unter Hausarrest gestellt worden, und nur sein hohes Alter und seine Gebrechlichkeit hätten verhindert, dass er seinen Lebensabend im Gefängnis verbringen musste.

Annan als menschliches Schutzschild

Enttäuscht ist de Zayas über die Passivität seines früheren Chefs, UN-Generalsekretär Kofi Annan: "Ich wünschte mir, Kofi Annan würde nach Bagdad fliegen und dort als menschlicher Schutzschild bleiben – mit der Botschaft an George W. Bush und seine Streitmacht: 'Wenn ihr den Irak völkerrechtswidrig angreift, dann greift ihr damit auch den Generalsekretär der Vereinten Nationen an und nehmt dessen Tod in Kauf.'"

Dass ein US-Alleingang ohne UN-Mandat das Ende der Vereinten Nationen bedeuten würde, glaubt de Zayas nicht: "Die UN hat schon eine Reihe anderer Krisen überwunden. Auch die Interventionen des Warschauer Pakts in Ungarn 1956 und in der Tschechoslowakei 1968 waren eine Verletzung des Völkerrechts und eine Missachtung der Vereinten Nationen. Genau so, als US-Präsident Ronald Reagan in Grenada oder Panama einmarschierte und den damaligen Präsidenten Manuel Noriega verhaften ließ." Er fügt trocken hinzu: "Das Kapitel Bush mit all seinem Wahnsinn ist sowieso in knapp zwei Jahren – bei den nächsten US-Präsidentschaftswahlen - zu Ende, da bin ich mir sicher."