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Pestausbruch in Indien

21. Februar 2002

Die Pest gehört ins Mittelalter - nicht ganz richtig: Der "Schwarze Tod" liegt noch immer auf Lauer und fordert seine Opfer.

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Der Erreger der Pest: das Bakterium Yersinia pestis

Die gefürchtete Pest tritt in zwei Arten auf, der Beulen- und der Lungenpest. Erstere wird durch Rattenflöhe auf den Menschen übertragen, letztere durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch. Die Zeit zwischen Ansteckung und Ausbruch liegt bei bis zu sechs Tagen. Im Fall einer Tröpfcheninfektion sind es nur wenige Stunden, sie endet fast immer innerhalb weniger Tage tödlich.

Der Siegeszug des "Schwarzen Todes"

Das Pestbakterium (Yersinia pestis) kommt natürlicherweise in Nagetieren der zentralasiatischen Steppen vor. Von hieraus breitete sich die Seuche aus.

Bei der größten Pestepidemie in Europa zwischen 1347 und 1351 starb ein Drittel der Bevölkerung Europas, rund 25 Millionen Menschen. Alle zehn Jahre kam es zu einem erneuten Höhepunkt der Krankheit. Ganze Landstriche wurden entvölkert.

Durch bessere Hygiene und Ausrottungsversuchen der Ratten gelang es ab etwa 1740, die Pest in Europa einzudämmen.

Die Pest im 20. Jahrhundert

Durch den Einsatz von Antibiotika und durch bessere hygienische Bedingungen verlor die Pest ihren Schrecken. Die letzten Epidemien traten 1910 in der Mandschurei und 1936 auf Malta auf. Danach konnte die Krankheit immer örtlich begrenzt werden.

Im Zweiten Weltkrieg haben die Japaner mit Pestbakterien infizierte Flöhe über chinesischen Städten abgeworfen und so mehrere Pestepidemien in der chinesischen Bevölkerung ausgelöst. Auch in der ehemaligen Sowjetunion wurde an der Entwicklung von Pest als Biowaffe intensiv geforscht.

Pest ist noch immer eine reale Gefahr. Auch wenn die Krankheit durch Medikamente und Hygiene heute stark eingedämmt ist, sei der Pesterreger nicht völlig auszurotten, sagte Alexander Rakin vom zentralen deutschen Pestlabor, dem Max von Pettenkofer-Institut in München.

Angst in Indien

Bei mehreren Todesfällen sind in Indien nach Medien-Angaben neue Pestfälle zweifelsfrei nachgewiesen worden. Alle drei von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Tests hätten den Pest-Erreger nachgewiesen.

Das erste mutmaßliche Opfer der Krankheit war am 2. Februar im nördlichen Bundesstaat Himachal Pradesh gestorben. Die Dorfbewohner meinen, der Mann habe sich bei der Jagd im Dschungel durch den Biss eines Rattenflohs infiziert. Eine Woche später starb seine Frau. Zwei Frauen aus dem benachbarten Bundesstaat Uttaranchal, die die Familie besucht hatten, starben kurze Zeit danach.

Die Angst unter der indischen Bevölkerung steigt. In Rohru flohen Menschen aus einem Krankenhaus, in dem Patienten mit der Lungenkrankheit behandelt wurden. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts starben in Indien bis zu 13 Millionen Menschen an der Pest. Nachdem ein Ausbruch von 1966 besiegt war, galt die Pest in Indien als ausgerottet. Zehn Jahre danach tauchte die Pest im Westen Indiens erneut auf und forderte 100 Menschenleben.

Soziale Ursachen

Fachleute sagen aber auch, was getan werden muss, um das Risiko zu begrenzen: Die Zahl der Ratten muss so gering gehalten werden wie möglich. Das aber geschieht nicht. Die Müllberge in den Städten, die langsam verrotten, wirken wie Futterspeicher für die Nager.

Viele Müllcontainer in der 15-Millionen-Stadt Delhi laufen über und sind durchgerostet. Wenn die Müllabfuhr kommt, müssen sich die Männer durch bestialisch stinkende Abfälle arbeiten, weil es an Vorrichtungen fehlt, die Container automatisch zu verladen.

Kind auf einer Mülldeponie in Indien
Bild: AP

Die Behörden in Delhi gestehen selbst ein, dass täglich 1000 Tonnen Müll liegen bleiben. Aber auch in den anderen Städten liegt Abfall in vielen Gossen.

Von Abfällen ernähren sich auch die streunenden Hunde, von denen es in Indien Schätzungen zufolge 25 Millionen geben soll. Millionen von Hundebissen werden jedes Jahr gemeldet - und häufig übertragen sie Tollwut. 20.000 bis 30.000 Menschen sterben daran jährlich, obwohl das mit den entsprechenden Medikamenten leicht zu verhindern wäre.

Müll ist aber nur eines der Gesundheitsrisikos. Ein anderes ist Wasser. Die Atommacht Indien schafft es nicht, die Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser zu versorgen. Nach Schätzungen von Experten der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2000 leben 80 Prozent der eine Milliarde Inder in unhygienischen Zuständen.

In den Elendssiedlungen der Städte, aber auch in den armen
Vierteln in den Dörfern fehlen Toiletten. Die Menschen müssen im Freien ihre Notdurft verrichten, Fäkalien vermischen sich mit dem Grundwasser oder dringen in rissige Wasserleitungen ein. (kas)