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Politik

Schwere Tage in der AfD

Kay-Alexander Scholz
9. März 2017

Die "Alternative für Deutschland" hat in Umfragen schon bessere Zeiten erlebt. Wie geht die Partei damit um? Wem wird die Schuld gegeben? Kay-Alexander Scholz hat sich an der Basis in Bayern und Thüringen umgehört.

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Kombibild: Björn Höcke und Frauke Petry
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nitefeld picture-alliance/dpa/J. Meyer

Zwischen 20 und 25 Prozent Stimmenverlust für die AfD innerhalb weniger Wochen: Der Höhenflug der deutschen Rechtspopulisten ist gestoppt - sagen die Demoskopen. Das weckt Erinnerungen. Ein interner Machtkampf sorgte schon einmal für herbe Umfrage-Verluste. Im Frühsommer 2015 rutschte die AfD so unter die Fünfprozenthürde. Erst im Zuge der Flüchtlingskrise ging es wieder aufwärts. Vor allem mit den Themen Migration und Integration geht die Partei seitdem auf Stimmenfang.

"Ich mache mir keine Sorgen", sagt Franziska Schreiber. "Denn inzwischen ist die Stammwählerschaft viel größer geworden." Außerdem sei die Partei, da schon in zehn Landtagen vertreten, breiter aufgestellt. Die Mitzwanzigerin war Mitbegründerin der "Jungen Alternative", die erst auf Bestreben von Frauke Petry als Nachwuchsorganisation anerkannt wurde. Nun arbeitet sie auch für Petry, die als Gallionsfigur des nicht ganz so extremen Lagers gilt.

Beim Aschermittwoch der AfD im bayerischen Osterhofen sitzt sie direkt am Nachbartisch der Bundesvorsitzenden, die hier ihr Debüt begeht. Schreiber zeigt sich genervt, aber nicht von den Umfragen, sondern vom Partei-Flügel rund um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke. Die AfD müsse schnell alternative Lösungen in der Steuer- und Euro-Politik erarbeiten. Und sich nicht, wie Höcke es mache, in grundsätzlichen intellektuellen Diskussionen verlieren.

Petry, Bystron und Strache beim Politischen Aschermittwoch der AfD prosten einander zu (Foto: Dpa)
Wasser beim Aschermittwoch? Frauke Petry ist schwanger. Die Biertrinker sind der bayerische AfD-Chef Petr Bystron (links) und der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aus ÖsterreichBild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Zweifel an Umfragewerten weit verbreitet

Das ist die Tonlage, die auch im Vorstand des bayerischen Landesverbands der AfD zu hören ist. Der Streit zwischen Petry und ihrem Gegenspieler Höcke, hinter dem sich viele National-Konservative in der Partei versammeln, belaste die Partei bis an die Basis. Ganz schlimm sei es in der Woche nach dem Beschluss des Bundesvorstandes für einen Parteiausschluss von Höcke gewesen, ist zu hören.

Die Umfragewerte will man aber auch hier nicht überbewerten. Umfragen seien eine Sache, die Erfahrungen vor Ort eine andere, sagt zum Beispiel Katrin Ebner-Steiner, Direktkandidatin aus Deggendorf für den Bundestag. Die AfD-Kreisvorsitzende erlebe viel verdeckte Zustimmung von Bürgern, die vor einem öffentlichen Bekenntnis zurückschrecken würden. "Erstaunlich ist die hohe Anzahl von Klein-Spenden. Das Geld für eine neue Lautsprecheranlage ist ruck, zuck zusammen gekommen", erzählt die 38-jährige vierfache Mutter.

Doch von eitel Sonnenschein könne trotzdem nicht die Rede sein, sagen die AfDler. Angriffe gegen Infostände oder mit Farbbeuteln gegen Wohnhäuser gehörten zum Alltag. Ganz zu schweigen von den Problemen, einen Versammlungsort in Bayern zu finden, da viele Wirte Angst vor Negativ-PR hätten oder gar bedroht worden seien.

Nimmt Martin Schulz der AfD Stimmen weg?

Auch in Thüringen beim Aschermittwoch der Höcke-AfD glaubt man nicht an sinkende Popularitätswerte. Brexit und Trump hätten gezeigt, dass die Meinungsforscher manchmal auch daneben lägen. Außerdem beeinflussten auch die Medien das Stimmungsbild: "Die AfD wurde hochgeschrieben", sagt der Spitzenkandidat der Thüringer AfD für den Bundestag, Stephan Brandner, 50 Jahre, Jurist. "Um sie jetzt, nur wenige Monate vor der Wahl, wieder herunter schreiben zu können."

Martin Schulz redet beim Politischer Aschermittwoch der SPD in Vilshofen (Foto: Dpa)
Die AfD reagiert betont gelassen auf die Konkurrenz durch den SPD-Kanzlerkandidaten Martin SchulzBild: picture alliance/dpa/A. Warmuth

"Es gibt bei mir im Kreisverband erstaunlich viele Eintritte in die Partei", berichtet der Landtagsabgeordnete Jörg Henke. Das könne ein Martin-Schulz-Effekt sein, vermutet der 55-jährige gelernte Maurer. Schulz sorge wohl ganz allgemein für gestiegenes Interesse an Politik. Er werde sich aber schon bald wieder selbst entzaubern, glaubt Henke. Andere am Tisch des Landgasthofes in einem Dorf unweit von Weimar pflichten ihm bei.

Petry und Höcke: Inhaltlich gar nicht so weit auseinander

Was allerdings auch die Basis in Thüringen nervös macht, ist der Streit zwischen Petry und Höcke. "Es ist ein Machtkampf", meint der 33-jährige Ingenieur Denny Jankowski aus Jena. Beide sollten sich jetzt endlich einmal zusammensetzen. "Ein Parteiausschlussverfahren ist da nicht der richtige Weg." Inhaltlich würden die beiden sowieso nicht weit auseinander liegen.

Dass Höcke mit seiner Schandmal-Rede zu weit gegangen ist und die Umfragewerte deshalb sinken, das ist an diesem, mit volkstümlicher Blasmusik untermalten Abend nicht zu hören. Im Gegenteil: Als Höcke bekannt gibt, die diesbezüglichen strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn seien eingestellt worden, gibt es fröhlichen Applaus. Höcke beginnt daraufhin seine Rede mit der sarkastischen Bemerkung, er habe diese vorher von 120 Anwälten prüfen lassen.

So ganz kalt scheint Höcke den Schulz-Effekt nicht zu lassen. Dieser zeige immerhin ein "politisches Näschen", indem er die Frage nach sozialer Gerechtigkeit thematisiere, sagt er. Die "Kleine-Mann-Rhetorik" von Schulz bedeutet Konkurrenz für die AfD, das weiß auch Höcke.

Spaltung in "Pragmatiker" und "Grundsätzliche"

Björn Höcke beim Aschermittwoch der AfD-Thrüingen am Rednerpult (Foto: DW/K.-A. Scholz)
Vermied neue Provokationen: Björn Höcke beim Aschermittwoch der AfD-ThüringenBild: DW/K.-A. Scholz

Was bei Höcke anders klingt als zuvor bei Petry, ist der Anspruch. Klar, auch im Petry-Lager versteht man sich als Alternative zu den "Altparteien" und kritisiert "politisches Versagen". Auf lange Sicht aber scheint hier eine Koalition mit einer wieder konservativeren Nach-Merkel-CDU vorstellbar. In Thüringen dagegen klingt die Kritik grundsätzlicher. Mit der CDU und ihrer "perfiden Multikulti-Politik" wolle man so gar nichts zu tun haben, betont Höcke. Spitzenkandidat Brandner wiederholt das etwas volksnäher: Mit dem "Swingerclub" in Berlin, wo jede Partei mit jeder könne, wolle man nichts zu tun haben.

Wie einst bei den Grünen scheint auch bei der AfD ein Lagerkampf zwischen Realos und Fundis - oder besser: zwischen Pragmatikern und Grundsätzlichen - auszubrechen. Für eine neue Partei ist dies an sich nicht ungewöhnlich. Es könnte auch produktiven Wettstreit bedeuten. Doch die gegenwärtige Atmosphäre in der AfD ist, so der Eindruck, vor allem eins, nämlich giftiger geworden. Es sei erschreckend, wie beide Lager bei Facebook aufeinander los gingen, berichtet passend dazu ein AfDler aus Bayern, der lieber nicht namentlich genannt werden möchte.