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Politik

Pfiffe und Hau-ab-Rufe zum Wahlkampf-Abschluss

22. September 2017

Noch einmal alles geben - auf den letzten Metern ist es im Wahlkampf wie beim Marathon. Der Wahlsonntag ist das Ziel und immer noch gibt es unentschiedene Wähler. Und es gibt die AfD. Sabine Kinkartz berichtet.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nimmt an der endgültigen Wahlrallye in München teil
Bild: Reuters/M.Rehle

Angela Merkels Stimme wird immer heiserer. Auch beim zentralen Wahlkampfabschluss von CDU und CSU in München hatte es die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende schwer, sich gegen Trillerpfeifen, Buhrufe und wütendes Brüllen durchsetzen. Wie schon bei anderen Wahlkampfveranstaltungen in den vergangenen Wochen waren insbesondere rechte Gruppen, aber auch linke Kritiker angetreten, um lautstark gegen Merkel zu protestieren.

Die Kanzlerin hielt dagegen, versuchte, sich während ihrer halbstündigen Rede nicht irritieren zu lassen. "Mit Pfeifen und mit Brüllen wird man die Zukunft Deutschlands mit Sicherheit nicht gestalten", war ihre einzige Reaktion.

Deutschland Wahlkampf CSU/CDU auf dem Marienplatz in München
Bild: picture alliance/dpa/S. Hoppe

"Das ist eine Veranstaltung der aufrechten Demokraten und nicht der linken und rechten Schreihälse", reagierte der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. "Es sind 8000 Menschen hier auf dem Marienplatz und einhundert Störer", ergänzte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann. "In einer Demokratie zählt die Mehrheit und nicht die Lautstärke."

Martin Schulz gibt nicht auf

Glaubt man aktuellen Meinungsumfragen, dann haben CDU und CSU gute Chancen, aus der Bundestagswahl am Sonntag als stärkste Kraft hervorzugehen. Mit großem Abstand wird die SPD wahrscheinlich auf dem zweiten Platz landen. Auch die Sozialdemokraten hatten am frühen Freitagabend in Berlin zu einer Abschlusskundgebung eingeladen.

Wahlkampf der SPD Bayern mit Kanzlerkandidat Schulz
Die Hoffnung bleibt: Martin Schulz in BerlinBild: picture-alliance/dpa/K.Nietfeld

Während in München alles in blau und weiß dekoriert war, dominierte auf dem Berliner Gendarmenmarkt die Farbe Rot. Inmitten von Luftballons, Fahnen, und großen Plakaten mit dem Wahlslogan "Zeit für mehr Gerechtigkeit" warb SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz vor mehreren Tausend Menschen noch einmal mit aller Kraft um die Gunst der Wähler. "Dieser Wahlsonntag ist kein Wahlsonntag wie jeder andere, es geht darum, zu verhindern, dass dieses Land eine Regierung der sozialen Kälte bekommt, eine Regierung, der die Menschen egal sind", rief Schulz.

Die AfD bekämpfen

Der 61-jährige weiß, wie weit er in den aktuellen Meinungsumfragen zurück liegt. Trotzdem bekräftigte Martin Schulz noch einmal seinen Anspruch auf die Regierungsübernahme. Deutschland brauche einen Bundeskanzler, der den Mut habe, die Zukunft zu gestalten. "Und dafür bitte ich um Vertrauen", so Schulz in Anwesenheit der gesamten SPD-Parteispitze, darunter alle Bundesminister, zwei Ministerpräsidentinnen und die Regierenden Bürgermeister von Hamburg und Berlin. Angela Merkel habe zuletzt nur noch müde die Vergangenheit verwaltet. "Die nächsten vier Jahre dürfen keine vier Jahre des Stillstands und der Lethargie werden", appellierte er an die Wähler.

Der SPD-Kanzlerkandidat keilte in seiner Rede aber auch scharf gegen Rechts. "Wenn die AfD in den Bundestag kommt, dann zieht dort zum ersten Mal seit 1945 wieder die Sprache der Totengräber der Demokratie ein", so Schulz. Die SPD werde die Demokratie verteidigen. "Ihr seid unsere Feinde!"

Grüne Pasta-Party

Auch der Spitzenkandidat von Bündnis90/Die Grünen, Cem Özdemir, warnt vor der AfD. "Leute, die nicht zu unserer großartigen Verfassung stehen, Leute, die Menschen danach beurteilen, wo sie herkommen und nicht, wo sie hinwollen, Leute, die offen rechtsradikal sind, könnten im Deutschen Bundestag sitzen", so Özdemir in Berlin. Deswegen sei es wichtig, möglichst viele Bürger zur Stimmabgabe zu mobilisieren.

Selbstgemachte grüne Nudeln, Soßen aus aussortierten Gemüsen, Bier und Musik – mit einer "Pasta-Party" im Berliner E-Werk stimmten sich die Grünen auf ihren Wahlkampfendspurt ein.

Die deutsche Grüne Partei hält ihre endgültige Wahlversammlung in Berlin, Katrin Goering-Eckardt und Cem Oezdemir
Noch etwas essen und dann in den Endspurt: Die Grünen Göring-Eckardt und ÖzdemirBild: Reuters/A.Schmidt

Bis Samstagabend 18 Uhr wollen die beiden Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt noch um Stimmen werben. Für die letzten 42 Stunden haben sie sich 16 Veranstaltungen in allen 16 Bundesländern vorgenommen. Umwelt und Gerechtigkeit sind ihre Top-Themen. "Wir wollen dritte Kraft werden", bekräftigte Ko-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt den politischen Gestaltungsanspruch der Grünen.

Die Linken und der Reichtum

Glaubt man den aktuellen Meinungsumfragen, dann hat neben der AfD allerdings vor allem die Linkspartei die besten Aussichten auf Platz drei im Rennen um die meisten Stimmen bei der Bundestagswahl. Während die Alternative für Deutschland zum Ende des Wahlkampfes auf eine zentrale Kundgebung verzichtete, trat die Linke am Freitagnachmittag mit ihrer gesamten Parteispitze vor dem Roten Rathaus in Berlin auf. "Jeder, der sich wünscht, dass ein Rechtsruck in diesem Land verhindert wird, der sollte am Sonntag zur Wahl gehen und der Linken ihre Stimme geben", warb Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht.

Sahra Wagenknecht Spitzenkandidatin der deutschen Linkspartei Die Linke spricht während der letzten Kampagnen-Rallye in Berlin
Kämpfen bis zum Schluss: Die Linke WagenknechtBild: Reuters/Hannibal Hanschke

Nur wenn die Linke weiter Oppositionsführerin bleibe, werde sich eine von der Union angeführte Regierung "soziale Sauereien wie die Rente mit 70 nicht trauen". Wagenknecht, aber auch Ko-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch plädierten dafür, Reiche stärker zu besteuern und die Vermögenssteuer wieder einzuführen. Beim Thema Abrüstung und der Forderung, deutsche Soldaten nicht mehr ins Ausland zu schicken, gab es den meisten Applaus.

Noch ist nichts entschieden

Auch am Samstag, dem letzten Tag vor der Bundestagswahl, sind die Spitzenkandidaten noch einmal unterwegs. Angela Merkel wird ihren Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern besuchen und Martin Schulz will in Aachen, also in der Nähe seiner Heimatstadt Würselen auftreten. Alle Wahlkämpfer eint, was die Grüne Göring-Eckardt ihren Anhängern am Freitag in Berlin zurief: "Es ist noch nichts entschieden und das ist das Wichtigste, was wir uns heute alle noch einmal sagen müssen."