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Zweites Referendum in Irland

22. September 2009

Irland stimmt zum zweiten Mal über den EU-Reformvertrag ab. Diesmal stehen die Chancen besser als im vergangenen Jahr, aber Überraschungen sind möglich. Die Wahlkämpfer werben auch bei den Meisterschaften im Pflügen.

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Aufnahmen von den Nationalen Pflügemeisterschaften in Kilkenny, Irland, eine der größten landwirtschaftlichen Veranstaltungen in Europa. (Foto: DW/Susanne Henn)
Pflügemeisterschaften - eine irische TraditionBild: DW/Susanne Henn

Die letzte Meinungsumfrage brachte für den schwer unter Druck stehenden Ministerpräsidenten von Irland, Brian Cowen, etwas Erleichterung: Mehr als 50 Prozent der befragten Iren geben an, dass sie beim Lissabon-Referendum mit Ja stimmen wollen. Verglichen mit einer Umfrage vom Juli 2009 ist die Zahl der Ja-Sager um sechs Prozentpunkte gestiegen. Ob dies bis zur Abstimmung am 02. Oktober so bleibt, ist unklar, denn auch bei der ersten Abstimmung im Juni 2008 kippte die Stimmung erst kurz vorher wieder in Richtung Nein.

Irlands Premier Brian Cowen bläst die Backen auf(Foto: AP)
Unter Druck: Brian CowenBild: picture-alliance / dpa



Werben in der Ackerfurche

Brian Cowen, dessen Koalitionsregierung aus Liberalen und Grünen für ein Ja wirbt, will sich in dieser Woche noch einmal in den Wahlkampf werfen. Bei den Weltmeisterschaften im Pflügen in Athy will Cowen möglichst viele Wähler treffen. Zu dem Volksfest wurden 180.000 Menschen erwartet. Alle großen Parteien haben zwischen Imbissbuden und Landwirtschaftsmaschinen ihre Info-Stände aufbauen. Das halbe Kabinett, Polit-Prominenz und natürlich auch die Vertreter der Nein-Kampagne werden erwartet. Das Lager der Nein-Sager liegt laut Umfrage bei 26 Prozent. Aber fast ein Viertel der irischen Wähler gibt an, noch keine Entscheidung getroffen zu haben.

Cowen: Irland braucht Europa

Arbeiter demonstrieren (Foto: Julien Behal/PA Wire URN:6964985)
Proteste gegen die Wirtschaftskrise in IrlandBild: picture alliance / empics

Premierminister Brian Cowen, der bei den Iren eher unbeliebt ist, wird nicht müde, zu predigen, dass eine wirtschaftliche Erholung Irlands nur in der Europäischen Union und mit dem Lissabon-Vertrag gelingen wird. "Wir haben die Chance, einen positiven Schritt für die Zukunft unseres Landes zu tun," sagte Brian Cowen bei der Vorstellung einer neuen Plakatserie für das Referendum in Dublin. Er habe der EU Garantien für irische Sonderrechte abgetrotzt. Niemand könne sagen, er lasse noch einmal über den selben Vertrag abstimmen wie im letzten Jahr, behauptet Cowen.

In der Tat hat der bullige Premier erreicht, dass Irland einen eigenen EU-Kommissar behalten wird, seine Steuer- und Sozialpolitik alleine gestalten darf, sein Abtreibungsverbot aufrecht erhalten und seine Neutralität wahren kann. Das ist in einer EU-Gipfel-Erklärung festgehalten. Die Aufgabe dieser Rechte hat der Lissabon-Vertrag aber eigentlich nie vorgesehen.

Nein-Kampagne kleiner als 2008

Die Nein-Kampagne, die hauptsächlich von der Sozialistischen Partei, ehemaligen Europa-Abgeordneten und der republikanischen Partei Sinn Fein, gesteuert wird, behauptet das Gegenteil. Die Politiker, die für ein Nein zu Lissabon werben, befürchten, dass Irland eine unbedeutende Provinz in einem europäischen Superstaat wird.

Ein Mann hebt mahnend den Finger (Foto: AP)
Decan Ganley warnt vor EuropaBild: AP

Der Unternehmer Decan Ganley zieht überraschend wie schon 2008 gegen den Lissabon-Vertrag zu Felde. Zunächst zierte er sich, weil seine Libertas-Bewegung bei den Europawahlen im Juni 2009 schlecht abgeschnitten hatte, doch jetzt will es der Politaktivist Ganley, ein Ire mit amerikanischen Wurzeln, noch einmal wissen. Er werde eine kleine Kampagne organisieren, kündigte Ganley vor einer Woche an. 2008 hatte er mit seiner Aktion durchschlagenden Erfolg.

Premierminister wackelt

Außenminister Micheal Martin befürchtet, dass das Referendum zum Lissabon-Vertrag als eine Volksabstimmung über die ungeliebte Regierung missverstanden werden könnte. Er sagte in einem Interview, auch wenn das Referendum negativ ausgehen würde, würde Premier Cowen auf keinen Fall zurücktreten. Politische Analysten in Dublin gehen aber vom Gegenteil aus. Die Iren sind sauer, über den freien Fall der Wirtschaft und das drastische Sparprogramm der Regierung. Sie suchen einen Sündenbock.

"Wer ist der Portugiese?"

Brian Cowen steht hinter einem Rednerpult, rechts neben ihm Jose Manuel Barroso hinter EU-Fahne. (Foto: dpa)
Wahlkämpfer: Premier Cowen und EU-Kommissionschef BarrosoBild: picture-alliance/ dpa

Auch EU-Kommissionspräsident José Barroso machte Wahlkampf für den Lissabon-Vertrag. Er diskutierte mit Studenten und mischte sich auf dem Marktplatz von Limmerick unters Volk. Die Iren empfingen den Mann aus Brüssel freundlich, aber nicht jeder wußte, wer Barroso ist. Eine Dame meinte, er sei wohl aus Portugal und so eine Art Präsident. José Barroso ließ sich nicht beirren und versprach 15 Millionen Euro an EU-Hilfen für entlassene Angestellte einer Computerfirma in Limerick. Barroso erinnerte daran, dass Irlands Banken insgesamt 120 Milliarden Euro an Krediten von der Europäischen Zentralbank erhalten, um die Finanzkrise zu überstehen. Die Nein-Kampagne verbreite nur Lügen, wetterte Barroso ungewohnt heftig, etwa über die Mindestlöhne, die durch den Lissabon-Vertrag nicht sinken würden.

Auch andere Prominente wie der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa werben in Irland für ein Ja zum Lissabon-Vertrag. 200 ausgewanderte Iren, die es in der Fremde zu etwas gebracht haben, wurden extra zu Werbezwecken eingeflogen. Die Bosse der führenden Unternehmen in Irland haben sich nach Angaben einer Studie einer Pro-Lissabon-Organisation zu 94 Prozent für ein Ja beim Referendum ausgesprochen. Ob das die Wähler beeindruckt, wird man sehen. Mit dem Ergebnis rechnet die fünfköpfige unabhängige Wahlkommission erst am Mittag des 03. Oktober.

Neue Klage in Tschechien

In Tschechien wollen konservative Senatoren am 29. September 2009 erneut eine Klage gegen die Ratifizierung des neuen EU-Vertrages einreichen. In Deutschland fehlt nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten, um diese abzuschließen. In Polen will Präsident Lech Kaczynski den Ausgang des Referendums in Irland abwarten, bevor er die Ratifizierungsurkunde ausfertigt.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Julia Kuckelkorn