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Pfund oder nicht Pfund

Detlev Karg24. Mai 2003

Um den Euro wird Großbritannien auf Dauer wohl nicht herumkommen. Dennoch führen Tony Blair und sein Schatzkanzler Gordon Brown derzeit einen sehenswerten Eiertanz um den Beitritt zur Gemeinschaftswährung auf.

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Tony Blair: Unterhaus, Kabinett und Wähler warten auf seine Euro-ArgumenteBild: AP

Eifriges Lesen ist derzeit im britischen Kabinett angesagt. 2000 Seiten verteilt auf 18 Bände über die Einführung des Euro und deren mögliche Konsequenzen können sich die Regierungsmitglieder in diesen Tagen zu Gemüte führen - und noch längst heißt es nicht "good bye" für das Pfund. Wenn sich die britische Regierung am 9. Juni 2003 über einen Beitritt zur Eurozone äußert, ist ein Ja zur europäischen Gemeinschaftswährung unwahrscheinlich. Denn immer noch sind fast zwei von drei Briten gegen den Euro. Die britischen Medien halten es bereits für sicher, dass sich Premierminister Tony Blair dem öffentlichen Druck beugen wird. Das wäre ganz im Sinne von Schatzkanzler Gordon Brown. Der Finanzminister gilt als hartnäckigster Euro-Skeptiker in Blairs Kabinett.

Tony und Gordon im Clinch

Der Streit um den Euro in Großbritannien ist auch ein Machtkampf zwischen zwei Männern: Brown, der sich bereits als Nachfolger von Blair sieht, möchte sich gegen jeden französischen und deutschen Einfluss wappnen und den Euro weiter auf die Wartebank setzen. Blair hingegen hat den Beitritt zur Gemeinschaftswährung zur "Schicksalsfrage" erklärt. Allerdings: Auf einen Termin für eine Volksbefragung ließ er sich nicht festlegen. Sollte das Euro-Votum der Regierung am 9. Juni überraschend doch positiv ausfallen, wäre ein solches Referendum zwingend. Das hat Blair jetzt nochmals bekräftigt. Würden die Briten bei einer Abstimmung "no, thanks" zum Euro sagen, könnte Blair seinen Hut nehmen – Brown wäre der lachende Dritte.

Euroland - zu abgebrannt?

Die Gemütslage der Briten zwischen Tradition und Europhilie verdeutlichen zwei Pressestimmen: "Die deprimierende Wirtschaftsentwicklung in der Euro-Zone gibt einen deutlichen Hinweis darauf, dass ein britischer Beitritt zu diesem Zeitpunkt ein törichter Schritt sein könnte", meinte jüngst die Tageszeitung "The Times". Hingegen argumentiert die "Financial Times": "Am wichtigsten ist, dass die Regierung einen deutlichen Hinweis auf ihre künftigen Absichten gibt. Das könnte in Form der Andeutung eines zeitlichen Rahmens geschehen, in dem die restlichen Hindernisse ausgeräumt werden sollen. Davon könnte zumindest ein Zieldatum abgeleitet werden."

Sorge um britischen Einfluss in Europa

Grundlage für alle britischen Überlegungen sind fünf so genannte Euro-Prüfsteine, die Schatzkanzler Brown bereits 1997 aufstellte. An ihnen will die Regierung messen, ob die Voraussetzungen Großbritanniens für einen Beitritt erfüllt sind, und ein Abschied vom Pfund im Interesse der nationalen Wirtschaft ist. Zu den Prüfsteinen zählen unter anderem die Stellung des Londoner Finanzmarktes und die Auswirkungen eines möglichen Euro-Beitritts auf Wachstum und Arbeitsmarkt.

Während Tony Blair nach außen die Geschlossenheit des Kabinetts bekundet, wurde ein Kompromiss zwischen Befürwortern und Gegnern hart erkämpft, wie britische Medien unter Berufung auf Regierungskreise meldeten. Die Euro-Befürworter wollen danach ebenfalls kein sofortiges Ja zum Euro. Ihnen reiche es aus, einen Beitritt in einigen Jahren offenzulassen.

Klare Position nicht ohne Machtabsicherung

Brown und Blair demonstrieren einstweilen Geschlossenheit. "Wenn die Entscheidung einmal gefallen ist, werden der Premierminister und der Schatzkanzler exakt auf derselben Seite sein, und davon überzeugt, Unterstützung für ihre endgültige gemeinsame Position zu finden", hieß es jüngst in einer Stellungnahme. Insgeheim nämlich ist sich wohl auch Blair unsicher darüber, wie es weitergehen soll. Im März dieses Jahres kursierten Gerüchte, auch er halte die Zeit nicht für reif für einen Beitritt zur Euro-Zone. Blair hatte laut Rundfunksender BBC seinerzeit einen Bericht von Brown akzeptiert, wonach das Land nicht die von der Regierung festgelegten Kriterien zur Übernahme der europäischen Gemeinschaftswährung erfülle.

Blair in der Kritik

Druck in Sachen Währung - für die Briten eine heilige Kuh - muss Blair derzeit von allen Seiten verkraften. Der Schattenfinanzminister der Konservativen, Michael Howard, warf Blair und Brown vor, nicht im Interesse Großbritanniens zu handeln. Sie missbrauchten den Euro als Waffe in ihrem Machtkampf und Richtungsstreit. Auch der britische EU-Kommissar Chris Patten hat dem britischen Premier Führungsschwäche in der Euro-Diskussion vorgeworfen. Großbritannien würde den Eindruck erwecken, Europa nur "halb verbunden" zu sein. Bei einer Ablehnung büße London seinen Einfluss in Europa zu einer Zeit ein, in der wichtige wirtschaftliche Reformen anstünden und die künftigen Beziehungen zu den USA gestaltet würden. Auch wenn Blair die Euro-Einführung nochmals auf die lange Bank schieben muss: 49 Prozent der Briten rechnen mit dem Beitritt der Insel zur Euro-Zone in den nächsten fünf Jahren.