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Pfusch am Bau

14. November 2011

In Köln und Hamburg streiten Architekt und Auftraggeber um angebliche Mängel an großen Projekten. Auch bei anderen Prestigebauten kommt es in Deutschland oft zu Pannen und Kostenexplosionen. Wie kann das sein?

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Entwurf der Elbphilharmonie in Hamburg (Foto: Herzog & de Meuron)
So soll die Elbphilharmonie in Hamburg aussehenBild: Herzog & de Meuron

Ein berühmtes Bonmot über die Unfähigkeit von Architekten stammt von Gustave Flaubert: "Architekten – alles Schwachköpfe. Sie vergessen immer die Treppen im Haus", nörgelte einst der französische Romanautor. Geplanter Pfusch, den Flaubert unterstellt, kommt in der Praxis selten vor. Und auch der Fall, dass allein der Architekt versagt, wenn an kostspieligen Prestigebauten ganze 5700 Baumängel festgestellt wurden, ist kaum vorstellbar. Diese Zahl wurde nun bekannt gegeben. Sie betrifft das Hamburger Millionenprojekt Elbphilharmonie. Ursprünglich seien es sogar etwa 9000 Mängel gewesen. Das ist im Sachstandsbericht des Hamburger Senats zu nachzulesen. Die Beseitigung der Mängel könnte weitere 30 bis 35 Millionen Euro kosten. Die Kosten haben sich seit Baubeginn verdreifacht auf 323 Millionen. Inzwischen wurde ein Baustopp verhängt, weil die Statik Probleme macht.

Streitfall moderne Architektur

Großer Saal der geplanten Elbphilharmonie (Foto: Herzog & de Meuron)
Elbphilharmonie - wann spielt hier die Musik?Bild: Herzog & de Meuron

Der Fall Elbphilharmonie produziert schon seit geraumer Zeit Schlagzeilen. So wie in Hamburg, schieben auch in Köln, wo derzeit um Mängel und eine Verdopplung der Kosten gestritten wird, die Verantwortlichen den schwarzen Peter hin und her. 2000 Baumängel soll die Großmoschee vorweisen, so der Vorwurf des Bauherrn, die türkisch-islamische Union, Ditib. "Die Mehrzahl der Mängel sind unfertige Lösungen des Rohbauers, die dieser noch fertig stellen muss", schreibt Architekt Paul Böhm in einer Pressemitteilung. Aus dem Konflikt mit der Ditib könnte nun ein jahrelanger Rechtsstreit werden, der weitere Kosten verursacht.

Nur zwei Beispiele für viele Fälle in Deutschland, bei denen moderne Architektur mit Bauskandalen auf sich aufmerksam macht. Besonders oft werden scheinbar prominente Kulturbauten davon heimgesucht. Zuletzt musste etwa die Pinakothek der Moderne in München wegen Rissen im Mauerwerk im Eingangsbereich kurzzeitig geschlossen werden. Auch das Wallraf-Richartz Museum in Köln kämpft seit seiner Eröffnung gegen Probleme mit der Klimaanlage. In diesem Jahr muss sie ausgetauscht werden. Nicht besser ergeht es der Akademie der Künste in Berlin, ein Hingucker am Pariser Platz, geplant von Günther Behnisch und Partnern zusammen mit Werner Durth. Die Archivräume können wegen einer unzulänglich geplanten Klimaanlage nicht genutzt werden. Die umfangreichen Bestände der Akademie lagern verteilt in verschiedenen Standorten verteilt.

Kompetenzgerangel

Richtfest der Kölner Moschee (Foto: DW)
Richtfest der Kölner Zentral-Moschee im Februar 2011Bild: DW

Pfusch am Bau sei allerdings keine Frage des Architekturstils, sagt Michael Frielinghaus, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Architekten. Moderne Gebäude seien nicht fehleranfälliger als andere. "Was die heutigen Gebäude anfällig für Schäden macht, ist in der Regel nicht das Unvermögen einzelner am Bau Beteiligter – es ist ihre mangelnde Koordination", so Frielinghaus. Viele Disziplinen müssten auf den Baustellen zusammenarbeiten. Das erhöhe das Fehlerrisiko. Der Bundesverband der Architekten fordert deshalb, dass der Architekt von der Planung bis zur Fertigstellung das Sagen und die Kontrolle hat. Den klassischen Bauherrn gebe es nur noch selten, so Frielinghaus. Manches Projekt würde von vier bis fünf Verantwortlichen im Laufe seiner Entstehungszeit betreut. Kompetenz werde aufgesplittert in Entwurf, Werkplanung, Ausschreibung, Vergabe und Bauleitung. Subunternehmer beauftragen wiederum Subunternehmer. "Eine Fehlentwicklung", sagt Frielinghaus.

Politische Kosten

Die Unübersichtlichkeit beginne schon bei der Kostenkalkulation. Auch da hat Frielinghaus alarmierende Details parat. Schon bevor eine Kommune überhaupt eine Sporthalle baut, stehe nämlich die "politische Zahl" im Raum. Eine reine Schätz-Summe, die zustande kommt, ohne jemals einen Experte zu Rate gezogen zu haben. Sie ist Grundlage für die Beschlussfassung. Und sie wird als Referenzsumme herangezogen, wenn es zu Kostenabweichungen kommt. Das Dilemma des Architekten: überzieht er die Kosten, im Rahmen von 20 Prozent sei das laut Moschee-Architekt Paul Böhm durchaus üblich, wird ihm immer diese erste Zahl vorgehalten.

Gewaltiger Imageschaden

Akademie der Künste (Foto: AP)
Akademie der Künste in Berlin: Außen hui, im Keller SchimmelBild: AP

Selbst kleinste Kommunikationsschwierigkeiten könnten schnell ganze Fehlerketten nach sich ziehen, sagt Frielinghaus. Manch eine Baustelle gleiche dem biblischen Turmbau zu Babel. Es gebe Verständigungsprobleme mit Handwerkern, wenn sie nicht so gut Deutsch sprechen würden. Zum Beispiel, wenn Subunternehmer aus dem Ausland beschäftigt werden, um die Preise zu senken.

Frielinghaus bedauert sehr, dass moderne Architektur in den vergangenen Jahren ins Zwielicht von Pfusch und Betrug geraten ist. Definitiv gebe es hier nicht mehr Schlampereien als anderswo. Aber wenn prominent gebaut werde, noch dazu mit Steuergeldern, werde eben auch besonders aufmerksam hingeschaut.

Autorin: Sabine Oelze
Redaktion: Marlis Schaum