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Der Pop-Troubadour

28. Juli 2011

Er ist ein Liedermacher im besten Sinne des Wortes. Seine Texte sind anrührend, sein Nuscheln längst Markenzeichen. Nach harten Lehrjahren als Straßenmusiker hat Philipp Poisel endgültig den Durchbruch geschafft.

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Philipp Poisel am Mikrofon (Foto: Horst Krauth)
Ein strahlender PoiselBild: Horst Krauth

Seine Stimme klingt leicht brüchig, er verschluckt so manches Wort und die Arrangements seiner Songs sind simpel gestrickt. Das klingt so gar nicht nach Starqualitäten, doch spätestens beim zweiten Hören verfällt man dem eigentümlichen Zauber der Lieder. Denn wenn Philipp Poisel singt, legt er seine ganze Seele in die Musik, und genau das wissen seine Fans zu schätzen.

Vor allem weibliche Teenager identifizieren sich mit den zwischenmenschlichen Beziehungsgeflechten, die der Sänger feinsinnig durchleuchtet. "Ich singe eigentlich nur über das, was ich selbst erlebt oder gefühlt habe, ansonsten macht es mir keinen wirklichen Spaß", sagt Poisel. "Das brauche ich, um das auch auf der Bühne verkörpern zu können."

Von Rittern, Drachen und der Liebe

Szene aus dem Volksschauspiel 'Der Drachenstich' Ritter Udo mit einem Schwert auf den Drachen ein. (Foto: dpa)
Kampf mit dem DrachenBild: picture-alliance/ dpa

Natürlich locke manchmal die Versuchung, angesagte Trends zu kopieren, gibt Poisel zu. Aber dass sowas nicht funktioniert, wurde ihm schnell klar: "Das hat am Ende eigentlich nie die Kraft, wie wenn ich mich auf meine eigenen Erfahrungen zurückbesinne." Und so spiegelt sich in Philipp Poisels Musik sein Leben wider. Von kleinen Freuden, Sorgen Gedanken, Liebeskummer und Sehnsucht singt er - Themen also, die jeder Zuhörer auch aus seiner eigenen Geschichte kennt.

Poisel kommt nicht als gutaussehender strahlender Held um die Ecke, stattdessen wirkt er wie der unbeholfene schüchterne Junge von nebenan. Und genau das macht ihn so authentisch und sympathisch. Zu dem Lied "Ich & Du" hat er ein anrührendes Video über die Tücken der Liebe gedreht. Als Ritter in schimmernder Rüstung versucht er, seine Angebetete zu beeindrucken, kämpft für sie sogar gegen einen Drachen. Doch es gibt kein Happy End: Die junge Dame zieht mit einer maskulin auftretenden Biene von dannen, für den Ritter alias Philipp Poisel bleibt nur die traurige Verbrüderung mit dem Drachen. Und die Gewissheit, dass es befreiend ist, seinen Schmerz in Musik ausdrücken zu können.

Mission gescheitert

Die ersten Schritte in seiner Musikerlaufbahn machte Philipp, als er von seiner Mutter eine Gitarre geschenkt bekam. Ein Schlagzeug wäre ihm viel lieber gewesen, bekennt er, das sei cooler, aber dann setzte er sich doch mit dem Saiteninstrument auseinander. Zumal dem zurückhaltenden jungen Mann musizieren und singen stets viel leichter fiel als reden. So nahm auch der Wunsch Gestalt an, später einmal als Musiklehrer zu arbeiten.

Songpoet Philipp Poisel am Mikrofon (Foto: Horst Krauth)
Vollkommen versunken in die Musik: Philipp PoiselBild: Horst Krauth

"Ich hatte das Ziel, Musikunterricht zu machen, der jungen Leuten auch wirklich Spaß bereitet", erzählt er. Denn wenn Poisel an seinen eigenen Unterricht in der Schule zurückdenkt, empfand er ihn - dezent ausgedrückt - als wenig prickelnd. "Also hatte ich eine Mission, das zu ändern", sagt er, "aber ich bin dann kläglich an der Aufnahmeprüfung gescheitert."
Er solle erst mal anständigen Gitarrenunterricht nehmen, legte man Philipp nahe. Der ärgerte sich maßlos und setzte sich einfach als Gasthörer in den Hörsaal. Dass Musik seine Zukunft sein würde, war ihm damals schon klar.

Der Preis der Freiheit

Castingshows, die Hoffnung so manches Nachwuchssängers, lehnte Philipp Poisel kategorisch ab, er wollte sich nicht zum Affen der Nation machen. Stattdessen schnappte er sich seine Gitarre und versuchte sein Glück als Straßenmusiker im Baltikum und in Skandinavien. "Das war eine großartige Form von Freiheit, weil einem keiner sagt, was man zu machen hat", erinnert er sich. "Auf der anderen Seite weißt du nie, wo du schlafen kannst. Wenn du die Nächte in den Städten verbringst, machst du kein Auge zu und wirst jeden Tag nervöser, musst aber trotzdem spielen, damit du irgendwas zum Essen kaufen kannst."

Wo fängt der Himmel an?

Herbert Groenemeyer (Foto: AP)
Poisel-Fan GrönemeyerBild: AP

Zurück in Deutschland bot sich dem talentierten Pop-Poeten endlich die Chance auf einen Plattenvertrag. In einem Stuttgarter Café lernte er zufällig seinen späteren Produzenten Frank Pilsl kennen. Gemeinsam spielte man Demo-Material ein, an dem mehrere Plattenfirmen Gefallen fanden. Doch die Vorstellungen der Label-Chefs deckten sich nicht mit denen des eigenwilligen Jungkünstlers. Erst als Herbert Grönemeyer auf Philipp Poisel aufmerksam wurde und ihn bei seinem Label Grönland Records unter Vertrag nahm, klappte es mit dem ersten Album. 2008 erschien: "Wo fängt dein Himmel an?"

Grönemeyer steht voll und ganz hinter seinem Schützling und gesteht ihm alle künstlerischen Freiheiten zu: "Philipp Poisel singt mit Herz, hat eine sehr spezifische, sehr eigene, durchsetzungsfähige Stimme und besingt das Leben in der Tradition der fahrenden Troubadoure", lobt er den Newcomer. "Seine Lieder wachsen mit jedem Hören und entwickeln einen wärmenden, beruhigenden Sog."

Unter den Fittichen seines Mäzens spielte Philipp fortan nicht mehr auf der Straße, bei Wohnzimmerkonzerten und in kleinen Clubs, sondern im Vorprogramm von Showgrößen wie Suzanne Vega oder Hubert von Goisern.

Ab nach Süden

Keiner ist überraschter vom Erfolg als Philipp Poisel selbst. Seine Konzerte sind ausverkauft, seine Lieder tummeln sich wochenlang in den Charts, sogar für den Echo 2011 als bester Künstler im nationalen Pop war er nominiert. Doch wenn ihm auf der Bühne zehntausende Fans zujubeln, gibt sich Poisel verlegen und kommt ins Stottern. Da ist er wieder: der schüchterne Junge, der sich hinter seiner Gitarre verschanzt und eigentlich nur darüber singen will, was ihm auf der Seele brennt.

Weibliche Poisel-Fans beim Konzert (Foto: Horst Krauth)
Vor allem weibliche Herzen schlagen bei Poisels Auftritten höherBild: Horst Krauth

Nach dem Erfolg seines ersten Albums setzte sich der singende Poet erst mal nach Frankreich ab, um zur Ruhe zu kommen. "Das ist für mich eins der größten Gefühle, wenn man im Auto sitzt und Richtung Süden fährt", lächelt er. "Dann kann ich wirklich allen Ballast abwerfen und fühle mich als freier Mensch. Am besten scheint noch die Sonne, dann ist für mich die Welt in Ordnung."

Irgendwie liegt dem Musiker wohl das Troubadour-Dasein des fahrenden Sängers im Blut. Kein Wunder also, dass ihn die Reise zum neuen Album inspirierte: "Bis nach Toulouse". "Ich war selber noch nie dort", sagt Poisel. "Aber für mich ist diese Stadt Sinnbild geworden für einen Ort, an dem alles besser ist und an den man sich wünscht, wenn einem alles zu viel wird."

Autorin: Suzanne Cords
Redaktion: Matthias Klaus