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Bergbau mit der Erntemaschine

5. Mai 2017

Bestimmte Pflanzen sind in der Lage, Metalle aufzunehmen und anzulagern. Sie können dabei helfen, kontaminierte Böden zu sanieren und wertvolle Metalle aus dem Boden zu bergen. Ganz ohne Spitzhacke und Schaufel.

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Rohr Glanzgras Rohrglanzgras Phalaris arundinacea Rispen Deutschland reed Canary grass Phalari
Forscher der TU Bergakademie Freiberg nutzen Rohrglanzgras um dem Boden Germanium zu entziehenBild: Imago/blickwinkel

Germanium ist ein recht wertvolles Halbmetall. Die Nachfrage der Industrie steigt stetig. Es wird für elektronische Geräte benötigt. Weil es in der Lage ist, infrarotes Licht durchzulassen, findet man es zum Beispiel in Nachtsichtgeräten oder den Abstandshalter-Sensoren in Autos. Etwa ein Drittel des Germaniums wird als Katalysator bei der Herstellung von durchsichtigen PET-Trinkflaschen genutzt.

Aber Germanium ist nicht leicht zu finden. Es ist zwar ein mit dem Silizium nah verwandtes Element und kommt überall in Böden vor, allerdings nur in sehr geringer Konzentration. Eine Tonne Boden enthält gerade mal anderthalb Gramm Germanium. Es direkt abzubauen würde sich nicht lohnen.

Die Industrie gewinnt Germanium aus der Flugasche von Steinkohlekraftwerken oder aus Aschen der Zinkerzaufbereitung. Ein Kilogramm wird derzeit für etwa 2000 Euro gehandelt.

Rapsfeld und Pappel-Baumreihe in den Vier- und Marschlanden, Hamburg, rape field and tree row at the Vier- and Maschlanden, Hamburg
Super-Akkumulatoren in Gesellschaft: Pappeln und RapsBild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO/C. Ohde

Auch in den Böden der sächsischen Bergbauregion schlummert Germanium. Der Chemiker Clemens Winkler entdeckte das Element 1886 in Freiberg. Und genau dort, an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg, befasst sich Professor Herrmann Heilmeier mit einer ungewöhnlichen Methode, das Halbmetall an die Oberfläche zu schaffen.

Pflanzen als Superakkumulatoren

Heilmeier setzt Pflanzen ein, die in der Lage sind, dem Boden das Element zu entziehen und es in den Blättern und Stängeln einzulagern. Zurzeit untersuchen er und sein Team das Rohrglanzgras: "Es kommt in Auen vor und wird in Südskandinavien auf sehr großen Flächen als Energiegras angebaut."

Gräser sind sogenannte "Superakkumulatoren." Sie sind in der Lage, Kieselsäure (die Säure des Siliziums) aufzunehmen und diese in Form kleinster Sandkörnchen in den Blättern zu speichern. So schützen sie sich gegen Fressfeinde. Sand schmeckt eben nicht - und Gras deshalb auch nicht.

Ähnlich verläuft dieser Prozess beim Germanium. Wird das Gras nach der Ernte getrocknet und verbrannt, ist der Anteil des Germaniums in der Asche zwar immer noch nicht sehr hoch, aber deutlich höher als im Boden. In einer Tonne Asche befinden sich bis zu 100 Gramm des wertvollen Metalls. 

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Kreuzblütler, wie diese Schaumkresse, entziehen dem Boden Metalle besonders effizientBild: picture-alliance/blickwinkel/A. Jagel

Pflanzen saugen Schwermetalle aus dem Boden

Andere Pflanzen nehmen hingegen Schwermetalle gut auf. Vor allem Kreuzblütengewächse haben diese Fähigkeit, das bekannteste ist der Raps. Er hat einen hohen Anteil an schwefelhaltigen Aminosäuren - so viel davon, dass die Pflanze für Wildtiere sogar giftig sein kann.

Die Aminosäuren sind in der Lage, Metalle sehr gut zu binden. Eine davon ist Histidin. Diese Aminosäure schafft es, Nickel aus dem Wurzelbereich der Pflanze sehr effektiv in den Spross zu transportieren. Das hat Ute Krämer herausgefunden. Sie leitet denLehrstuhl für Molekulargenetik und Physiologie der Pflanzen an der Ruhr Universität Bochum

Die Professorin forscht an der Hallerschen Schaumkresse, die Zink und Cadmium besonders gut einlagern kann. "Dieser Kreuzblütler entzieht dem Boden nicht nur die Schadstoffe, sie ist sogar in der Lage, wertvolle Metalle rekordverdächtig anzureichern", sagt Krämer gegenüber der Deutschen Welle. Es sei durchaus denkbar, dass diese Metalle wirtschaftlich als Rohstoff wiederverwendet werden könnten.

Krämer versucht im Rahmen ihrer Grundlagenforschung zunächst zwei Fragen zu beantworten: "Nutzt die Pflanze das Zink und das Cadmium, um sich gegen Krankheitserreger zu schützen?" Und: "Welche molekularbiologischen und physiologischen Vorgänge sind bei der Aufnahme, dem Transport und der Einlagerung dieser Metalle in die Blätter beteiligt?"

Infografik Phytomining DEU

Bekannt ist, dass Pflanzen Schadmetalle in zwei Bereichen ablagern. Zum einen in der Zellwand. Sie ist negativ geladen und zieht die positiven Metallatome an.

Der andere Ort ist die Vakuole - ein flüssigkeitsgefüllter Behälter im Inneren der Zelle. "Dort werden sie mit Hilfe organischer Säuren - etwa der Zitronensäure - gebunden", erklärt Biologe Heilmeier. 

Das Mauer-Steinkraut als Nickel- und Geldquelle

Je nachdem, auf welche Metalle es die Forscher abgesehen haben und mit welchen Böden sie es zu tun haben, können sie sogar Mais oder Sonnenblumen verwenden, selbst Gehölze kommen für das Phytomining in Frage.

Besonders vielversprechend ist der Baum Pycnandra acuminata in Neukaledonien. Er sammelt so viel Nickel, dass ein Viertel seines Rindensafts aus dem Metall besteht.

Aber auch Weiden oder Pappeln reichern Metalle an, vor allem in ihren Blättern. Wollte man sie wirtschaftlich nutzen, müsste man sie im Herbst mit dem Laubsauger einsammeln. Das ist allerdings bislang zu aufwendig.

Phytomining fristet bisher ein Mauerblümchen-Dasein. Viele Forschungsansätze sind noch weit von einer industriellen Anwendung entfernt. Ein Beispiel, wo es schon jetzt funktioniert, ist am Ufer des Ohrid Sees in Albanien. Dort wächst in der Nähe der ehemaligen Eisennickelerz-Mine Gur i Kuq (Roter Stein) das mit dem Raps verwandte Mauer-Steinkraut. Die Asche enthält so viel Nickel, dass die Bauern eine Tonne getrockneten Krauts für etwa 80 Dollar verkaufen können.

Damit sich Phytomining auch anderswo wirtschaftlich lohnt, müssten bei vielen Metallen die Preise noch steigen. Die besonderen Fähigkeiten der Superakkumulator-Pflanzen kommen bisher meist dort zur Geltung, wo es darum geht, mit Schwermetallen belastete Halden zu stabilisieren und eine Verbreitung von Giftstoffen zu verhindern.

 

Schmidt Fabian Kommentarbild App
Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen