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Pinochet verbringt Geburtstag unter Hausarrest

25. November 2005

Nur einen Tag nach der Anklage wegen Steuerhinterziehung ist der frühere chilenische Diktator Augusto Pinochet auch wegen der Ermordung von Regimegegnern angeklagt worden.

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Augusto Pinochet: Altersschwach, aber vernehmungsfähigBild: dpa - Report

Der Richter Víctor Montiglio hat Pinochet seinen Geburtstag wohl endgültig vermasselt. Er verhängte nach offiziellen Angaben am Donnerstag Hausarrest gegen den Ex-Diktator, der an diesem Freitag (25.11.2005) 90 Jahre alt wird. Richter Montiglio schickte eine Gerichtsmitarbeiterin zu Pinochet, um ihm die Anklage zu überbringen. Das war nur wenige Stunden, nachdem Pinochet in einem anderen Fall gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden war. Dabei ging es um Steuerhinterziehung und Korruption. Die sonst so opulenten Geburtstagsfeiern waren schon vor einigen Tagen abgesagt worden. Dem Jubilar sei nicht nach Feiern zumute, sagte ein Sprecher.

Operation Colombo

Montiglio wirft Pinochet Mitschuld an dem Tod von sechs Menschen im Rahmen der so genannten Operation Colombo in den Jahren 1974 und 1975 vor. Bei der Aktion, für die Pinochets Geheimpolizei Dina verantwortlich war, verschwanden 1974 insgesamt 119 Menschen; einige der Leichen fand man später in Argentinien. Die Regierung Pinochet versuchte, den Tod der Menschen als Folge von Kämpfen innerhalb linker Widerstandsgruppen hinzustellen.

Ob sich Pinochet tatsächlich vor Gericht verantworten muss, steht aber noch nicht fest. 2001 und 2005 waren zwei Verfahren nach Anklagen wegen Menschenrechtsverletzungen von Gerichten aus gesundheitlichen Gründen ausgesetzt worden. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit für einen Prozess etwas gestiegen. Ein ärztliches Gutachten hatte vor kurzem ergeben, dass Pinochet geistig noch in der Lage ist, sich vor Gericht angemessen zu verteidigen. Er leide nur an einer leichten Demenz.

Anhänger wenden sich ab

Seit Jahren herrscht Unklarheit über Pinochets geistige Zurechnungsfähigkeit. Kaum noch ähnelte er dem gestrengen Mann, der meist mit dunkler Sonnenbrille vors Volk trat und beißende Reden gegen Kommunisten und Oppositionelle hielt. Zuletzt zeigte er sich mehrfach umringt von seinen vier Kindern und Enkeln, schwer auf einen Stock gestützt, neben sich seine Frau Lucia Hiriart.

Besonders zu schaffen macht Pinochet die Anklage wegen Steuerhinterziehung, die die Zahl seiner Anhänger weiter schrumpfen lässt. Der frühere Diktator soll insgesamt 27 Millionen Dollar (23 Millionen Euro) auf mehr als hundert geheimen Bankkonten in den USA und in anderen Ländern deponiert haben. Zwischen 1980 und 2004 soll er etwa 2,4 Millionen Dollar an Steuern hinterzogen haben. Der Untersuchungsrichter Carlos Cerda hatte nach der Entdeckung der Auslandskonten Hausarrest gegen Pinochet verhängt. Das Berufungsgericht in Santiago hatte es dem Angeklagten jedoch zugebilligt, gegen Kaution auf freien Fuß zu kommen.

Einem Richter sagte Pinochet jüngst, er glaube nicht, dass es während seiner 17-jährigen Regierungszeit zu Gewaltexzessen gekommen sei. Er habe seine Bemühungen auf Gott und Chile konzentriert. Angesprochen auf die mehr als 3000 Toten seiner Gewaltherrschaft, antwortete er: "Ich bedauere es und leide wegen dieser Verluste, aber Gott ist Herr der Dinge, und er wird mir vergeben, wenn ich in einigen Fällen zu weit gegangen bin - was ich aber nicht glaube." (stl)