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Piraten wollen ins Europa-Parlament

Kay-Alexander Scholz5. Januar 2014

Der Einzug in den Bundestag misslang. Nun hat die deutsche Piratenpartei einen neuen Anlauf genommen, um im Mai bei der Europawahl erfolgreich sein zu können.

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Das Spitzentrio für die Europawahl: Julia Reda, Fotios Amanatides und Anke Domscheit-Berg (Foto: dpa)
Das Spitzentrio für die Europawahl (von links): Julia Reda, Fotios Amanatides und Anke Domscheit-BergBild: picture-alliance/dpa

Am Wochenende hat sich die Piratenpartei Deutschland auf ihrem ersten Bundesparteitag 2014 programmatisch und personell auf die Europawahl im Mai vorbereitet. Bei der Wahl müssen die Piraten die Drei-Prozent-Hürde überspringen. Bei der Bundestagswahl im vergangenen September lag der Stimmenanteil bei nur 2,2 Prozent - sicher ist der Einzug ins Europa-Parlament deshalb nicht. Derzeit gibt es im Europa-Parlament zwei Abgeordnete der schwedischen Piratenpartei, die sich der Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz angeschlossen haben.

Bei der Europawahl 2009 verpassten die deutschen Piraten damals mit 0,9 Prozent den Einzug ins EU-Parlament. In den Jahren danach erreichte die Partei in Deutschland dann teils zweistellige Umfragewerte und konnte in die Parlamente von vier Bundesländern einziehen. Die Partei hat zudem aktuell 205 kommunale Mandate und knapp 30.000 Mitglieder in Deutschland.

Spitzentrio gewählt

Für die 12-köpfige Kandidatenliste zur Europawahl gab es 62 Bewerber. Die 27-jährige Julia Reda, Vorsitzende der Jugendorganisation Young Pirates Europe, führt nun die Liste an. Sie will sich für eine Reform des Urheberrechts und mehr Mitsprache in Europa einsetzen. "Wir stehen für ein gemeinsames, grenzenloses Europa", sagte Reda nach ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin. Zuvor hatte Reda Twitter als ein gutes Mittel bezeichnet, um mehr Bürger für die Europawahl zu mobilisieren. "Der erste Schritt muss sein, die Leute für Europa zu begeistern und ihnen kurz zu vermitteln, was das Europaparlament eigentlich mit ihrem Leben zu tun hat."

Wahlzettel beim Bundesparteitag der Piratenpartei (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Den zweiten Listenplatz besetzt der 43-jährige Fotios Amanatides, der in der Piratenpartei seit 2010 die Außen- und Sicherheitspolitik koordiniert. Er sieht in seiner Kandidatur die Chance, sich auf EU-Ebene für transparentere Entscheidungen und mehr Mitbestimmung einzusetzen. "Europa funktioniert nicht ohne die Bürger", betonte Amanatides.

Die bekannte Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg, die sich kurzfristig zur Wahl gestellt hatte, wurde von den rund 600 Abstimmenden auf Listenplatz drei gewählt. "Die aktuelle Politik hat mich so aufgeregt, dass ich das Gefühl habe, ich kann nicht einfach auf meinem Sofa sitzen bleiben", begründete die 45-Jährige ihre Kandidatur. Domscheit-Berg ist die Landesvorsitzende der Piraten in Brandenburg und verheiratet mit dem ehemaligen Wikileaks-Sprecher Daniel Domscheid-Berg.

Für Volksabstimmungen auf EU-Ebene

Mit großer Zustimmung haben sich die deutschen Piraten in Bochum einem EU-weiten Europawahlprogramm angeschlossen. Zu den Kernforderungen der in Gründung befindlichen Europäischen Piratenpartei gehören unter anderem die Einführung von Volksabstimmungen auf EU-Ebene, der Schutz vor staatlicher Überwachung sowie eine Reform des Urheberrechts. Mit ihrer Forderung "Europas Grenzen zu Brücken statt zu Mauern" setzen sich die Piraten in Europa für eine Ausweitung von Gründen für Asyl und eine sichere Grenzüberquerung nach Europa ein.

Darüber hinaus setzte sich ein von verschiedenen Arbeitsgruppen zusammengestellter Programmantrag durch. Damit enthält das Europawahlprogramm der Piraten nun auch Forderungen zum allgemeinen Whistleblower-Schutz, zu einem internationalen Abkommen zur Freiheit des Internets, zur digitalen Abrüstung sowie zu einem europaweiten, bedingungslosen Grundeinkommen. Mitantragsstellerin und Listenkandidatin für das Europaparlament, Martina Pöser, sagte dazu: "Wir haben eine gesellschaftliche Vision für Europa, an deren Ende ein demokratischer, europäischer Bundesstaat stehen könnte." Im Vordergrund steht die Demokratisierung der Europäischen Union unter Beteiligung ihrer Bürger. "Das Fundament dafür wäre eine europäische Verfassung, die von den Bürgern direkt mitgestaltet wird", ergänzte Patrick Schiffer, ebenfalls Antragsteller und Listenkandidat für das Europaparlament.

Leere Stühle für die Whistleblower Edward Snowden und alias Bradley jetzt Chelsea Manning (Foto: dpa)
Die weltbekannten Whistleblower Edward Snowden und alias Bradley jetzt Chelsea Manning hatten einen Ehrenplatz auf dem ParteitagBild: picture-alliance/dpa

Aufruf zum "digitalen Widerstand"

Am Samstag hatte der erst im November neugewählte Chef der Piraten, der Software-Entwickler Thorsten Wirth, in seiner Parteitagsrede das schlechte Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl analysiert. "Die Totalüberwachung ist da, wir merken und sehen es nicht", sagte Wirth. Deshalb interessiere das Thema viele Menschen auf der Straße auch nicht. Doch die Arbeit der Geheimdienste müsse aufgedeckt werden. Wirth forderte die Piraten deshalb zum Whistleblowing auf. "Die Geheimdienste sollen auch Angst haben", so Wirth. Und kämpferisch fuhr er fort: "Wir holen uns unsere Freiheit im Netz zurück. Das Internet ist Technik - und wir können Technik. Wir werden uns die Infrastruktur zurückholen." Wirth schloss sich damit dem Aufruf zum "digitalen Widerstand" an. Diesen hatten der Wikileaks-Gründer Julian Assange und der Edward-Snowden-Vertraute Jacob Applebaum beim Jahrestreffen des Chaos Computer Clubs, Deutschlands einflussreichster Hacker-Vereinigung, kurz nach Weihnachten ausgesprochen.

Thorsten Wirth, Vorsitzender der Piratenpartei, am Rednerpult (Foto: dpa)
Thorsten Wirth ist seit November Vorsitzender der PiratenparteiBild: picture-alliance/dpa

Doch Wirth weiß, dass die Piratenpartei derzeit noch immer von internen Querelen abgelenkt wird. Er forderte die Mitglieder daher auf, im Streit auch Meinungen der anderen zu akzeptieren. Mit der "emotionalen Selbstzerfleischung" in der Öffentlichkeit müsse nun Schluss sein.